Gegenbuchung oder Kredit? Darum streiten Ökonomen über Target-Salden

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Starker Anstieg der Target-Salden

Die Geschäftsbanken in der Eurozone haben keine Konten bei der EZB, sondern bei ihren nationalen Notenbanken. Auf diesen Konten halten sie Zentralbankgeld als Mindestreserve oder Überschussliquidität. Überweist ein Bürger oder ein Unternehmen Geld von einem Euroland in ein anderes, löst das entsprechende Buchungen und Gegenbuchungen auf den Zentralbankkonten der Finanzinstitute und damit in den Bilanzen der Notenbanken aus. 

Fließt beispielsweise einem Euro-Land mehr Geld aus anderen Ländern der Eurozone zu als dorthin abfließt, entsteht ein positiver Target-Saldo in der Bilanz seiner Notenbank. Diese weist dann eine buchungstechnische Forderung gegenüber der EZB aus. Spiegelbildlich weisen Länder, aus denen per Saldo Geld abfließt, negative Target-Salden, also Verbindlichkeit gegenüber der EZB, aus.

Im Gefolge der Finanzkrise sind die Target-Salden drastisch angeschwollen. Mitte 2012 wies die Bilanz der Bundesbank Netto-Forderungen von 751 Milliarden Euro aus (siehe Grafik). In Spanien und Italien hingegen sammelten sich damals Netto-Verbindlichkeiten von 280 beziehungsweise  400 Milliarden Euro an.
Über die Ursachen dieses Anstiegs wurde heftig gestritten, ob dafür nur der massive Abzug von Kapital aus den Krisenländern verantwortlich war oder ob dieser Anstieg zusätzlich eine Finanzierung der Leistungsbilanzdefizite der Krisenländer darstelle.

Anleger aus Spanien, Italien, Portugal, Irland und Griechenland brachten ihr Geld in „sichere Häfen“ nach Deutschland, die Niederlande oder Luxemburg. Das abgezogene Zentralbankgeld in den Krisenländern wurde durch sehr umfangreiche Refinanzierungskredite der Zentralbanken ersetzt. Erst als sich die Eurokrise beruhigte, bildeten sich die Target-Salden wieder zurück.

Seit dem Frühjahr 2015 aber nehmen sie wieder zu. Das ist vor allem auf das Anleihekaufprogramm des Eurosystems zurückzuführen. Denn die Verkäufer von Staatsanleihen sitzen nicht immer in dem Land, das die Anleihen begeben hat. Kauft beispielsweise die Banca d’Italia ein italienisches Papier von einem Anleger mit Sitz in Deutschland, so fließt das Geld über das Target-System nach Deutschland.  Bei der Bundesbank entsteht eine Forderung, bei der Banca d’Italia eine Verbindlichkeit gegenüber dem Eurosystem.

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