Geldflut der EZB Die Eine-Billion-Euro-Frage

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Feuerwerk für die Kurse

Börse Frankfurt Quelle: dpa

1019 Milliarden Euro – das ist so viel, wie Spanien, die zwölftgrößte Volkswirtschaft der Welt, in einem Jahr erwirtschaftet. Die Bekanntgabe von LTRO löste an den Börsen ein Kursfeuerwerk aus. Der Dax hat seit dem 21. Dezember um 20 Prozent zugelegt, die Kurse von Anleihen der Schuldenstaaten erholten sich, parallel fielen deren Renditen, die zehnjähriger italienischer Staatsanleihen etwa um zwei Prozentpunkte
auf fünf Prozent. Doch wie kommt das EZB-Geld in die Märkte?

Kursbeflügelnd wirkt sicher nur ein kleiner Teil: Die Hälfte der 1019 Milliarden ging gleich an die EZB zurück, schätzt Alastair Ryan, Analyst der Schweizer UBS. Profitiert haben die Banken dennoch: Sie zahlten Kredite mit kürzerer Laufzeit, für die sie mitunter höhere Zinsen überweisen mussten, bei der EZB zurück. Aus kurzfristigen Krediten wurden so längerfristige. Die durchschnittliche Dauer, für die sich Banken Geld bei der EZB leihen, ist von 50 Tagen auf jetzt 900 Tage geschnellt.

Zahlen und Fakten zur Geldschwemme

Mit weiteren 187 Milliarden Euro kaufen vor allem die kapitalstärkeren Banken von ihnen selbst ausgegebene Anleihen zurück. Dadurch bekommen Investoren Bargeld, für das sie auf die Suche gehen müssen nach renditestarken, neuen Anlageformen. Diese Milliarden bleiben also nicht im Bankensystem, sondern fließen über indirekte Kanäle an die Börsen, in Unternehmensanleihen, in Rohstoffe und Immobilien – und treiben dort Preise und Kurse. Ein Umschichtungsprozess, der noch weiter läuft.

Wie Geld an die Börse wandert

Die meisten Banken müssen in ihrem eigenen Depot vorsichtig agieren – sie packen Pfandbriefe, solide Unternehmensanleihen oder Staatsanleihen hinein. Aber drei Effekte sorgen dafür, dass EZB-Geld
in die Anlagemärkte fließt.

  • Gelder werden frei: Wenn Banken Anleihen zurückkaufen oder weniger neue Anleihen ausgeben, wird bei Investoren, die sie ihnen verkauft haben, Geld frei. „Eine Reihe von Banken haben in den vergangenen Monaten auch Hybridanleihen mit Abschlägen auf den Nennwert zurückgekauft“, sagt Axel Wieandt, Managing Director bei der Schweizer Bank Credit Suisse. Hybridanleihen sind eine Art Zwitter aus Aktien und Anleihen mit unbegrenzter Laufzeit. Durch den billigen Rückkauf – nicht selten zu Kursen um die 30 bis 50 Prozent – stärken Banken wie die Commerzbank ihr Eigenkapital.

Traditionell investieren etwa Versicherer rund die Hälfte ihres Portfolios in Bankpapiere. Weil die Banken jetzt über die EZB billiger an Geld gekommen sind, wird es künftig weniger davon geben. Marino Valensise, Investmentchef bei der britischen Fondsgesellschaft Barings, erwartet, dass etwa 200 Milliarden Euro an Bankschulden in den kommenden Jahren zurückgezahlt, aber nicht wieder durch Ausgabe neuer Bankpapiere verlängert werden müssen. Das schafft bei vielen Anlagedruck, zumal sichere Staatsanleihen, allen voran die des Bundes, nicht hoch genug rentieren, um Lebensversicherten die garantierten Renditen zu verschaffen. Die Großanleger weichen in andere Kanäle aus, wie Anleihen aus Schwellenländern in Lateinamerika und Osteuropa, Infrastrukturprojekte oder erneuerbare Energien. Dieter Wolf, Chef-Vermögensverwalter der Meag, der 207 Milliarden Euro für den Rückversicherer Munich Re und den Versicherer Ergo verwaltet, setzt schon jetzt bei Staatsanleihen zu 15 Prozent auf Schwellenländer und geht davon aus, dass sich dieser Anteil noch verdoppelt. Die Allianz wiederum investiert zunehmend in Windparks- und Solaranlagen. Hier bietet der Staat Investoren mit garantierten Abnahmepreisen den größten Anreiz. Mit diesen Anlageformen haben viele Investoren aber wenig Erfahrung – und dadurch entstehen neue Risiken.

  • Mehr und günstigere Kredite: Auffällig ist, dass auch Aktien-Hedgefonds wieder aggressiver werden. Londoner Hedgefondsmanager, die mit nur 80 Prozent Aktien in das neue Jahr gestartet waren, haben ihre Aktieninvestitionen mittlerweile auf 120 Prozent der Fondsgelder erhöht. Um mehr als das Fondsvermögen einzusetzen, nehmen Hedgefonds auch Kredite auf. Das Risiko, dass notleidende Banken Kredite überraschend schnell zurückfordern – in der Branche durchaus üblich – ist gesunken. Verkaufswellen wie im Spätsommer 2011, als Fonds Aktien und selbst Gold auf den Markt warfen, um andere Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen oder Investoren– zu denen wiederum auch Banken gehören – auszuzahlen, blieben aus.
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