




Am japanischen Aktienmarkt kann man derzeit sehr gut beobachten, was passiert, wenn Notenbanken die Finanzmärkte manipulieren. Das Versprechen des neuen japanischen Notenbankchefs Haruhiko Kuroda von Anfang April, notfalls unbegrenzt Liquidität bereitzustellen, trieb den Nikkei zunächst innerhalb von 50 Tagen auf knapp 16.000 Punkte. Doch im anschließenden Kurszusammenbruch verlor das Marktbarometer dann binnen nur 20 Tagen rund 22 Prozent. Damit waren alle seit Anfang April aufgelaufenen Indexgewinne wieder futsch.
Nach offizieller Lesart befindet sich der japanische Aktienmarkt nach dem jüngsten Einbruch in einer Baisse. Offenbar lässt sich mit Gelddrucken die ökonomische Realität dauerhaft nicht außer Kraft setzen. Die unverantwortliche Politik der Notenbanken führt zu Kapitalvernichtung, Wohlfahrtsverlusten und zu einer gesellschaftlich ungesunden Vermögensumverteilung und -konzentration. Diese Erkenntnis sollte sich vielleicht auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Gemüte führen, bevor sie wieder die Politik der EZB verteidigt.
Die ökonomische Realität in der Euro-Zone ist mehr als deprimierend. Nach gut dreijähriger Krise weisen die wirtschaftlichen Indikatoren unverändert nach unten. Die Schulden der Euro-Peripherie sind heute weniger tragbar als jemals zuvor in der Krise. Dennoch liegen die Renditen der Staatsanleihen dank der monetären Staatsfinanzierung und dem Versprechen der EZB, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen auf die eigene Bilanz zu nehmen, in der Nähe ihrer zyklischen Tiefstände. Langfristig sind die Schulden der Euro-Peripherie aber auch mit Hilfe der EZB nicht zu tragen. Willem Buiter, für Europa zuständiger Chefvolkswirt der Citigroup, rechnet für Zypern, Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Slowenien und Spanien bis 2017 mit einer Restrukturierung der Schulden.
Griechenland hat die Krise bereits wieder eingeholt. Die Kurse zehnjähriger griechischer Staatsanleihen büßten gegenüber ihrem jüngsten Hoch bereits rund 17 Prozent ein. Schlimmer hat es den griechischen Aktienmarkt erwischt. Der ASE steht nach dem brutalen Kurseinbruch der vergangenen Wochen für 2013 unter Wasser. Zwischenzeitlich lag der Athener Aktienindex mit 28 Prozent im Plus. Parallelen mit den Ereignissen am japanischen Aktien- und Anleihenmarkt sind nicht zu übersehen. Die Renditen von Staatsanleihen der EU-Peripherie könnten in den vergangenen Tagen durchaus eine Trendwende nach oben vollzogen haben. Die Geduld der Märkte ist eben nicht endlos.
Reformstau in Italien und Frankreich





In Italien ist die Regierung der so genannten großen Koalition seit gut einem Monat im Amt. Getan hat sich seither nichts - trotz der drängenden ökonomischen Probleme des Landes. Allerdings vergeht kaum eine Woche, in der Silvio Berlusconi nicht mit dem Sturz der Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta droht. Berlusconi ist der wahre Regierungschef von Italien und Letta sein Statthalter. Die Schuldenwirtschaft in Italien geht weiter, während Brüssel und Berlin schweigen. Der Cavaliere hat alle ausgebremst. Aus der zweiten Reihe hat er die Zügel fest in der Hand und kann so nicht wie 2011 von der EZB und Merkel aus dem Amt gedrängt werden. Derweil hat die Krise Italien fest im Griff - auf unbestimmte Zeit.
Reformstau auch in Frankreich. Der strategische Euro-Partner Deutschlands zählt inzwischen eher zur Peripherie als zum Kern der Eurozone. Nicht jeder kann sich damit abfinden. Bisher war es Silvio Berlusconi, der gerne mal über die Deutschen vom Leder zog. Doch der Cavaliere bekommt ernstzunehmende Konkurrenz mit dem Franzosen Jean-Luc Mélenchon. „Die Deutschen sind ärmer als der Durchschnitt, sie sterben früher, sie haben keine Kinder und sogar die Immigranten suchen das Weite“, wetterte der Vorsitzende der französischen Linkspartei Parti de Gauche in der vergangenen Woche in einem Radio-Interview.
Weitere Kostproben: „Von denen, die Lust am Leben hätten, wolle niemand Deutscher sein. Die Franzosen dagegen seien immerhin zufrieden, Kinder zu haben. In 15 Jahren sind wir zahlreicher als die Deutschen.“ Mélenchon ist ein Meister der Demagogie und Halbwahrheiten. Tatsache ist, dass Frankreich seit Jahrzehnten den Weltrekord im Verbrauch von Beruhigungsmitteln hält und zu den europäischen Ländern mit der höchsten Selbstmordrate zählt. Dass sich weit mehr Franzosen umbringen als Deutsche, liegt nach Einschätzung der französischen Union zur Suizidvorbeugung unter anderem am hohen Alkoholkonsum. Auch Religion sei ein Faktor. Protestantisch geprägte Länder seien aufgeklärter und fortschrittlicher.
Kein Modell für Frankreich





Den verbalen Amoklauf des in Deutschland kaum bekannten französischen Machtpolitikers als billige Polemik abzutun, wäre leichtsinnig. Mélenchon wird vermutlich der Gewinner der anstehenden Kommunalwahlen in Frankreich sein. Sein Einfluss auf die Regierungspartei hat nach seinem erfolgreichen Präsidentschaftswahlkampf 2012 zugenommen. François Hollande ist im zweiten Wahlgang nur mit den Stimmen der Mélenchon-Anhänger Präsident geworden. Die Sozialistische Partei von Hollande könnte sich sehr bald gezwungen sehen, in der Europa-Politik kämpferischer aufzutreten als bisher. Der starke linke Flügel der Regierungspartei hatte auf ihrer Europa-Tagung bereits in einem Änderungsantrag die Aussetzung des Fiskalpaketes und eine Neuaufstellung der EZB gefordert. Diese solle in Zukunft an politische Weisungen gebunden werden. Das wird auch Berlusconi gefallen haben. In der Europapolitik nähern sich die Positionen von Frankreich und Italien offenbar an.
Mélenchon lehnt ein „deutsches Modell“ für Frankreich ab, nimmt aber gerne die deutsche Bonität für Frankreich in Anspruch. Hier unterscheidet er sich kaum von Hollande. Beide Politiker haben bisher nicht ansatzweise begriffen, dass Frankreich die zentrale Rolle in der Entscheidung über das Schicksal des Euro spielt. Ohne Reformen und der Rückkehr zur Wettbewerbsfähigkeit bleibt Frankreich eine permanente Bedrohung für die Währungsunion.
Europa
Hinzu kommt das anfällige Bankensystem des Landes. In einer Studie des Centre for Risk Management an der Universität Lausanne werden französische Banken als das größte Systemrisiko für Europa beschrieben. In einer globalen Finanzkrise, gekennzeichnet durch einen 40-prozentigen Kursrückgang an den Aktienmärkten innerhalb von sechs Monaten, wären 300 Milliarden Euro notwendig, um das französische Bankensystem über Wasser zu halten. Deutschland ist gewiss kein Modell für Europa, Frankreich aber noch weniger.