Der freie Fall ist gestoppt – aber möglicherweise nur für den Moment. Der Euro hat sich am Dienstag nach der rasanten Talfahrt der vergangenen Tage zunächst etwas stabilisiert. Nachdem die Gemeinschaftswährung zu Beginn der Woche noch zeitweise auf ein Neun-Jahrestief unter 1,19 US-Dollar gefallen war, wurde sie am Morgen bei 1,1965 Dollar gehandelt. Der Kurs lag damit etwas höher als am Vorabend. Am Montag hatte die Europäische Zentralbank (EZB) den Referenzkurs auf 1,1915 (Freitag: 1,2043) Dollar festgesetzt. Ökonomen gehen davon aus, dass die Euro-Talfahrt in den kommenden Tagen und Wochen weitergeht. 89 von Bloomberg befragte Analysten sehen den Euro zum Dollar Ende 2015 im Durschnitt bei 1,18 notieren.
Was sind die Gründe für den Euro-Absturz?
Zwei Namen beeinflussen derzeit den Referenzkurs der Gemeinschaftswährung negativ: Mario Draghi und Alexis Tsipras. Der EZB-Chef steht symbolhaft für die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, die wohl noch lange nicht beendet ist. Im Gegenteil. Wegen der schwachen Konjunktur und der niedrigen Inflation könnten die Währungshüter um EZB-Chef Draghi noch im Januar in den massenhaften Ankauf von privaten und staatlichen Wertpapieren einsteigen. Aufgrund der eingebrochenen Rohölpreise ist die Preisentwicklung selbst im wirtschaftlich robusten Deutschland nur noch knapp über Null. Die EZB fürchtet ausbleibende Investitionen, sollte es zu einer nachhaltigen Deflation kommen – und den Einbruch der Wirtschaft. Deswegen flutet sie die Märkte mit billigem Geld. In den USA hingegen wächst die Wirtschaft stark, die Preise steigen. Die US-Notenbank FED will ihr Engagement zurückfahren. Der Dollar gewinnt an Vertrauen und Wert.
Die Hilfsmittel der EZB
Draghi senkte den Zinssatz für wöchentliche Kreditgeschäfte auf ein Rekordtief von 0,75 Prozent. Banken, die dringend frisches Geld brauchen, können sich so leichter refinanzieren.
Seit dem Herbst 2008 verleiht die EZB unbegrenzt Geld. Draghi setzte noch eins drauf: Die Institute durften sich zusätzlich mit dreijährigen Krediten von insgesamt einer Billion Euro eindecken.
Die EZB hatte die Anforderungen an Wertpapiere, die Banken bei den Refinanzierungsgeschäften mit der Zentralbank als Sicherheiten benutzen dürfen, deutlich gesenkt. Draghi hat diese nun noch weiter gelockert.
Die EZB hat für 70 Milliarden Euro Pfandbriefe gekauft und belebte so den Markt für dieses sehr wichtige Refinanzierungsinstrument der Banken.
Draghi hat den Zinssatz für Einlagen der Geschäftsbanken auf null gesenkt. Die Geldhäuser sollen ihre überschüssige Liquidität lieber an Konkurrenten verleihen – oder als Kredite an die Realwirtschaft geben. So will er den Geldmarkt wiederbeleben.
Draghi hat es satt, von nationalen Aufsehern beschummelt zu werden. Er will auf wichtige Bankdaten zugreifen können.
Zweiter Aspekt: Die Griechenland-Krise. Am 25. Januar finden im Euro-Krisenland neue Parlamentswahlen statt. Der Oppositionsführer Alexis Tsipras vom Syrzia-Bündnis liegt in Umfragen vorne. Er droht, die Schulden des Landes nicht zurückzahlen zu wollen. Europa, insbesondere Deutschland, reagiert genervt und schließt einen Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone nicht mehr aus. Investoren sind verunsichert und ziehen Kapital aus Europa ab.