
Gerhard Schröder ist in die russische Sprache eingegangen – noch bevor er bei Rosneft anheuert. „Schrederisazia“ ist ein Nomen, das beschreibt, wie ein Konzern eine einflussreiche Persönlichkeit vor den eigenen Karren spannt. Schröders bisheriges Engagement für die umstrittene Pipeline Nordstream reichte aus, um in Russland linguistische Spuren zu hinterlassen.
Das Ungewöhnlichste an Schröders Karriereschritt war das Timing, weil er einen Kollateralschaden für die SPD bei der Bundestagswahl bewusst in Kauf nahm.
„Ein paar Wochen hätte er mit der Bekanntgabe noch warten können“, sagt Russland-Experte Jörg Forbrig vom German Marshall Fund of the United States. Der Mangel an Rücksicht auf den Spitzenkandidaten Martin Schulz illustriert einerseits die Hartleibigkeit Schröders, die ihm in seiner politischen Karriere geholfen hat, etwa wenn es darum ging, die Hartz-IV-Reformen politisch durchzusetzen.
Andererseits hat der russische Konzern in der aktuellen Situation einen starken Anreiz, sich einen prominenten Frontmann zu suchen: Rosneft leidet unter den Sanktionen, die die USA vor dem Sommer verschärft hat. Der russische Energiekonzern benötigt ausländische Technologie, um neue Ölfelder zu erschließen. Aus den USA bekommt er sie nun nicht mehr. „Und jetzt besteht die Gefahr, dass die EU die Sanktionen anpasst“, so Forbrig. Bisher haben die USA und die EU die Sanktionen eng koordiniert. „Es würde das Timing erklären, wenn Rosneft ein europäisches Schwergewicht sucht, um bei den Europäern den Hebel anzusetzen“, sagt Forbrig.
Auch mittelfristig hat Rosneft Interesse an einer vorzeigbaren Gallionsfigur. Der Ölpreis sinkt, was Russland wirtschaftlich stärker trifft als die Sanktionen. Russland ist darauf angewiesen, seinen Marktanteil für Öl in Europa zu halten. Gleichzeitig sehen sich Länder in Europa aus geopolitischen Gründen nach Alternativen um, Polen verzichtet mittlerweile auf russisches Öl. Ein einflussreicher Fürsprecher wie Schröder, der durch Europas Hauptstädte tourt, kann da für Rosneft nützlich sein. Dass Rosneft Schröder angeheuert hat, weil das Unternehmen gegen die Sanktionen verstoßen hat, hält Forbrig für unwahrscheinlich: „Wenn Rosneft gegen die Sanktionen verstoßen hätte, dann wüssten wir das. Die USA überwachen die Einhaltung der Sanktionen streng.“
Wem Rosneft gehört
Anteil: 50,0000000001 Prozent
Aktien: 5.299.088.910
(JSC Rosneftegaz gehört zu 100 Prozent der Russischen Föderation)
Quelle: Unternehmen
Anteil: 19,75 Prozent
Aktien: 2.092.900.097
Anteil: 19,50 Prozent
Aktien: 2.066.727.473
Anteil: 10,37 Prozent
Aktien: 1.099.271.594
Anteil: 0,01 Prozent
Aktien: 1.438.749
Anteil: >0,01 Prozent
Aktien: 1
Anteil: 0,36 Prozent
Aktien: 38.638.887
Rosneft-Chef Igor Setschin hält nach früheren Angaben 0,13 Prozent der Aktien selbst.
In Brüssel stößt Schröders neuer Arbeitgeber auf großes Unverständnis. Eine Anschlussverwendung in der Wirtschaft halten aktive Politiker nicht für problematisch – eine für einen russischen Konzern indes schon. „Es muss früheren Politikern erlaubt sein, Geld zu verdienen“, sagt etwa der langgediente CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok: „Aber nicht für eine fremde Macht.“
Schröder heuert offiziell bei einem Konzern an, stellt sich in Wirklichkeit aber in die Dienste eines Landes. „Rosneft-Chef Igor Setschin ist nach Präsident Wladimir Putin der zweitmächtigste Mann im Land“, sagt Russland Kenner Frank Umbach, Research Director am European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) des Londoner King's College.