Giannis Boutaris Der ziemlich andere griechische Politiker

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Schwerer Kampf gegen Günstlingswirtschaft

„Hier herrschten unbeschreibliche Zustände“, sagt Boutaris. Zum Beispiel die Sache mit den Überstunden: manche Bediensteten der Stadtverwaltung rechneten im Laufe eines Jahres Hunderte Überstunden ab – ohne dass irgendjemand prüfte, ob, warum, wann und wie lange die Beschäftigten zusätzlich gearbeitet hatten.

Boutaris kann viele solche Geschichten erzählen. Wie die von den verschwundenen Müllmännern: rund 1500 Beschäftigte hat die Müllabfuhr. 120 von ihnen sind aber nicht auffindbar. Sie sitzen vielleicht in irgendwelchen Büros, vielleicht bleiben sie auch zu Hause und kommen gar nicht zur Arbeit.

Es handelt sich vermutlich um Günstlinge früherer Bürgermeister, die Planstellen bei der Müllabfuhr zugeschanzt bekamen, sich aber nicht die Finger schmutzig machen wollen. Deshalb ließen sie sich in andere Abteilungen versetzen. „Aktenvermerke darüber gibt es nicht, alles lief über mündliche Vereinbarungen“, erzählt eine Boutaris-Mitarbeiterin, „wir wissen bis heute nicht, wo alle diese Leute sind.“

32 Direktoren traf Boutaris bei seinem Amtsantritt in der Stadtverwaltung an. „Viele kannten einander gar nicht, keiner wusste, was der andere tut“, erzählt er. Inzwischen hat er die Zahl der Direktoren auf 22 reduziert, und sie konferieren jetzt regelmäßig, um ihre Arbeit zu koordinieren. Der Bürgermeister lässt jetzt auch Arbeitsplatzbeschreibungen machen, damit jeder weiß, was er zu tun hat. Bisher gab es das nicht.

Das alles hört sich nach Kontrolle an. Aber Boutaris sagt: „Ich will nicht kontrollieren, ich delegiere.“ Er diskutiert, versucht seine Mitarbeiter zu motivieren. Das hat er in der Wirtschaft gelernt, als Chef des Boutaris-Familienunternehmens mit seinen 500 Beschäftigten. „Boutaris spricht nie von oben herab“, erzählt ein Mitarbeiter, „er begegnet Dir immer auf Augenhöhe.“

Griechische Politiker geben vor, alles zu wissen. Boutaris will lernen. Deshalb fuhr er nach Deutschland. In Hamburg ließ er sich erklären, wie ein moderner Hafen funktioniert. In Berlin studierte er das dortige Abfall-Management. Wie alle griechischen Städte hat Thessaloniki ein gravierendes Müll-Problem. „Unser System ist antiquiert und irreparabel“, sagt Boutaris.

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