Deshalb will er jetzt die Abfallbeseitigung privatisieren, wie in Berlin. „Damit können wir die Kosten auf die Hälfte reduzieren“, sagt Boutaris. Ausgerechnet von den Deutschen lernen, die wegen des Spardiktats derzeit in Griechenland so verhasst sind? Auf solche Stimmungen müsste ein Politiker wohl Rücksicht nehmen. Boutaris setzt sich darüber hinweg.
Und er rührt an Tabus. Er fuhr nach Istanbul, das man in Griechenland immer noch Konstantinopel nennt, und überredete die Manager von Turkish Airlines, eine direkte Flugverbindung nach Thessaloniki einzurichten. So will Boutaris Touristen aus der Türkei in seine Stadt bringen. „50.000 kamen vergangenes Jahr, dieses Jahr erwarten wir doppelt so viele“, erzählt der Bürgermeister.
Anfangs gab es Widerstände. Schließlich wurde Thessaloniki, die Geburtsstadt von Kemal Atatürk, erst 1913 nach fast fünfhundertjähriger osmanischer Besatzung befreit. „Aber jetzt, wo das Geld der türkischen Gäste fließt, sind alle zufrieden“, berichtet Boutaris. Jetzt plant er Besuche in den Balkan-Hauptstädten. Er möchte um Touristen werben, aber auch 15.000 Studenten aus den Nachbarländern in seine Stadt holen.
Auch Besucher aus Israel will Boutaris nach Thessaloniki bringen. Die Stadt hat eine weit zurückreichende jüdische Tradition, galt bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts als „Jerusalem des Balkans“. Vor dem 2. Weltkrieg lebten hier etwa 60.000 Juden, deren Vorfahren vor der spanischen Inquisition ins Osmanenreich geflüchtet waren.
Die deutschen Besatzer deportierten fast die gesamte jüdische Gemeinde von Thessaloniki in die Vernichtungslager. Manche in Thessaloniki lassen sich ungern an dieses Kapitel der Stadtgeschichte erinnern, weil damals nicht wenige Liegenschaften der Holocaust-Opfer unter dubiosen Umständen in den Besitz von Griechen übergingen.