
In Island gibt es eine Zeitrechnung vor und eine nach der Finanzkrise. Fährt jemand ein teures Auto oder gibt mit seinem riesigen Fernseher an, sagen Isländer gerne mal: "Das ist so 2007".
2007, das waren in Island die letzten Monate des großen Verschuldens, die Zeit des Konsums auf Pump. Bis 2008 die Blase platzte. Im Zuge der weltweiten Finanzkrise brachen vor allem die isländischen Banken unter einer Schuldenlast von mehr als 75 Milliarden Dollar zusammen.
Das berühmteste Beispiel: die Bank Kaupthing. Sie wurde im Oktober 2008 verstaatlicht. Zuvor hatte sie sich vor allem über Anleihen finanziert, die an andere Banken und Investoren ausgegeben wurden.
An diese Geldgeber wendet sich jetzt die isländische Regierung. Knapp sechs Jahre nach dem Höhepunkt der Finanzkrise sie den Gläubigern der Kaupthing sowie zwei anderer Pleitebanken, Glitnir und Landsbanki, gedroht, die Institute in die Insolvenz zu schicken. Dies könne passieren, wenn sich die Geldgeber nicht zu einem Schuldenerlass bereiterklärten, sagte Finanzminister Bjarni Benediktsson am Dienstag in einem Telefoninterview.
Islands wichtigste Wirtschaftszweige
Islands Fischereiindustrie zählt zu den modernsten und effizientesten weltweit. Eine Reihe von Zulieferunternehmen auf der Insel bietet modernste Technik für Fischfang, Fischverarbeitung und Dienstleistungen für die Branche an. Einige dieser Unternehmen exportieren ihre Produkte und Services weltweit. Von den 167.000 Erwerbstätigen auf der Insel arbeiteten knapp 9.000 (5,3%) in der Fischereiindustrie.
Quelle: Germany Trade & Invest
Island bemüht sich, seine natürlichen Energiequellen optimal zu nutzen. Fast alle Häuser werden mit Erdwärme geheizt. Der gesamte Stromverbrauch des Landes wird aus regenerativen Energiequellen gedeckt (73% Wasserkraft, 27% Geothermie).
Island hat hinter Norwegen weltweit den zweithöchsten Stromverbrauch pro Kopf. Grund sind die Aluminiumschmelzen, die sich seit Mitte der 1990er Jahre auf der Insel angesiedelt haben. Die Regierung will weitere stromintensive Industrie nach Island locken. Bis 2016 sollen mehrere neue Aluminiumschmelzen und Siliziumfabriken sowie eine Papierfabrik ihre Arbeit in Island aufnehmen.
Die Tourismusbranche entwickelt sich weiter positiv. Wie bereits 2011 übertraf das Jahresergebnis 2012 den Wert des Vorjahres deutlich. Die Zahl der Übernachtungen lag 2012 bei 1.786.000 und damit 20% über dem Ergebnis von 2011. Die meisten ausländischen Gäste kamen 2012 aus dem Vereinigten Königreich, den USA und Deutschland. Ziel der Branche ist es, durch Ausbau des touristischen Angebots zum Beispiel im Wellness- und Gesundheitsbereich Island als Reiseziel auch außerhalb der Hauptsaison noch attraktiver zu machen.
Die Ausfuhr medizinischer und pharmazeutischer Produkte hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Deutschland bezog aus Island im Jahr 2012 insbesondere Aluminium- und Fischereiprodukte sowie medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse.
"Es sollte jedem klar sein, dass sich die Abwicklung nicht ewig hinziehen kann", sagte Benediktsson. Sollte sich kein Erfolg einstellen, müsse man den nächsten Schritt gehen. Er sagte allerdings nicht, wie hoch der Schuldenschnitt für Gläubiger sein soll.
Auch deutsche Institute betroffen
Von einem möglichen Schuldenschnitt wären auch deutsche Geldinstitute betroffen. Im Juni 2008, kurz vor der Verstaatlichung der Kaupthing, schloss die Bank einen Darlehensvertrag mit mehreren Banken über 275 Millionen Euro ab, darunter die BayernLB. Auch eine US-Tochter der Deutschen Bank müsste im Fall des Schuldenerlasses auf ihre Ansprüche verzichten.
Gläubiger haben beklagt, dass die isländische Regierung nicht erklärt hat, wie der Konflikt gelöst werden soll. Die bei Zusammenbruch der isländischen Banken eingeführten Kapitalverkehrskontrollen können erst wieder aufgehoben werden, wenn sich die Regierung mit den Gläubigern einigt. Die Verbindlichkeiten belaufen sich heute auf 22 Milliarden Dollar in Form von Bargeld, Aktien und Anleihen.
Benediktsson sagte, die Pläne der geschlossenen Banken zur Auszahlung von Gläubigern reichten nicht aus, um die Risiken für die isländische Wirtschaft und die Landeswährung Krone zu verringern.
Die Kaupthing Bank machte in Deutschland vor allem mit ihrer Tochter auf sich aufmerksam. Etwa 30.000 Sparer trugen ihre Tagesgeldeinlagen auf die Konten der isländischen Bank. Mit hohen Zinsen hatte die Auslandsbank gelockt.
Nach der Pleite der Mutter wurden die Konten zunächst eingefroren, um Vermögenswerte zu sichern. Glück im Unglück für die Kaupthing-Sparer: Die Sperren wurden 2009 aufgehoben - die Sparer erhielten ihr Geld zurück.