Görlachs Gedanken
Coronavirus in Italien: Der Virus ist nun wirklich in Europa angekommen Quelle: REUTERS

Coronavirus in Italien: Für Europas Wirtschaft wird es gefährlicher

Wegen des Coronavirus riegelt Italien nun ganze Orte ab. Im Herzen der EU und nahe des Wirtschaftsstandorts Mailand wird es nicht lange dauern, bis der ökonomische Schaden weit über das abgeriegelte Gebiet hinausstrahlt.

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Nun ist der Coronavirus wirklich in Europa angekommen. Bislang kannten wir abgeriegelte Straßen, die ganze Ortschaften und Städte von der Außenwelt abschnitten, nur von Bildern aus China. Eine beklemmende Enge, in der die Menschen in Wuhan nunmehr seit Wochen ausharren. Leergefegte Straßen, bloßer, unbefangener Beton in den Millionenmetropolen Shanghai und Peking. Mit diesen Maßnahmen scheint es den chinesischen Behörden gelungen zu sein, den Virus aufzuhalten.

Nun sehen wir ähnliche Bilder aus Norditalien. Damit der Virus nicht die Millionenmetropole Mailand erreicht, haben die italienischen Behörden ganze Ortschaften in der Lombardei abgeriegelt. Italien ist das einzige europäische Land, in dem es zahlreiche Erkrankte gibt: von drei Infizierten am vergangenen Freitag auf rund 230 Erkrankte am Montag. Die Behörden sind ratlos, wer der so genannte „Patient Zero“ ist, durch den so viele Menschen erkrankt sind. Der Karneval in Venedig ist abgesagt, Schulen bleiben geschlossen, es finden keine Sportveranstaltungen statt.

Im Herzen der EU und nahe des Wirtschaftsstandorts Mailand wird es nicht lange dauern, bis der ökonomische Schaden weit über das abgeriegelte Gebiet hinaus ausstrahlt. In China ist der Schaden bereits mehr als dramatisch: Lokale Einzelhändler und Restaurantbetreiber stehen vor dem Aus, die großen, globalen Lieferketten für den Auto- und den Handybau funktionieren nicht mehr. Im Kleinen wie im Großen ist also die Wirtschaft betroffen.

Das wird der Europäischen Union, je nachdem wie die nächsten Tage verlaufen, nun ebenso blühen. Die globalisierte Welt umfasst eben den freien Verkehr von Gütern und Personen. Im Moment eines pandemischen Ausbruchs wird das noch einmal mehr deutlich. Wer sich bisher in eine abschätzigen Haltung gegenüber Chinesen verstiegen hat und mit Schadenfreude über das Toben des Virus seiner rassistischen Gesinnung Ausdruck verlieh, wird nun hoffentlich verstehen, dass Pandemien weder Rassen, noch Kultur oder Religion kennen. Umso mehr wird dies deutlich im Blick auf Iran und Südkorea, die beide, neben Italien, zu den am härtesten vom Coronavirus getroffenen Ländern der Welt — außerhalb der Volksrepublik China — zählen. Diese Länder könnten von ihrer kulturellen Prägung nicht unterschiedlicher sein.

Was die Länder im Hinblick auf den Coronavirus aber in trauriger Weise nun miteinander verbindet ist die Tatsache, dass der Virus sich hier ausbreitet ohne dass es, zumindest Stand jetzt, einen konkreten Zusammenhang zu China gibt, und ob daher nun, im Jargon der Mediziner aus der Epidemie eine Pandemie geworden ist.

Die Weltwirtschaft nimmt insgesamt Schaden in diesen grauenvollen Wochen, auch wenn US-Präsident Trump über Twitter Optimismus verbreiten und den Aktienmarkt seines Landes als gesund hinstellen will. Im besten Fall schweißt der Kampf gegen den Virus die Menschen an allen Orten zusammen. Im schlimmsten Fall instrumentalisieren jene, die ohnehin in Isolation das Heilmittel gegen internationale Kooperation sehen, den Virus für ihre Zwecke.

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