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Griechenland Das Schwierigste steht Alexis Tsipras noch bevor

Die Griechen geben ihrem Ministerpräsidenten eine zweite Amtszeit. Der muss nun beweisen, dass er regieren kann - und nicht nur die Konfrontation beherrscht. 

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Die deutschen Protagonisten im Krisen-Countdown
Wolfgang Schäuble: Der RealistDer Bundesfinanzminister (CDU) spricht von „gegenseitigem Vertrauen“ und von „anstrengenden“ Verhandlungen mit Griechenland. Er will das Land im Euro halten, er sagt aber auch zu einem möglichen Grexit: Das sei eine “Entscheidung des griechischen Volkes“. So klingt einer, der einen Grexit nicht mehr für eine Katastrophe hält. Quelle: AP
Angela Merkel: Die VerhandlerinDie Bundeskanzlerin pflegt ihre Marke und vermeidet öffentliche Aussagen zu Griechenland. Wenn sie etwas sagt, steht sie fest zu Griechenland im Euro-Raum. Alles andere verbietet sich. Dabei setzt die Kanzlerin weiter auf die Kraft der Verhandlungen - im Zweifel auch ohne den griechischen Ministerpräsidenten. Beim Treffen von IWF, EZB, Jean-Claude Juncker und Francoise Hollande Anfang der Woche blieb Tsipras außen vor. Quelle: AP
Sigmar Gabriel: Der VorsichtigeDer Bundeswirtschaftsminister (SPD) hält sich mit öffentlicher Kritik an Griechenland zurück, sieht den Ball aber nun in Athen. Die Gläubiger hätten ihre Vorschläge gemacht. „Es hängt jetzt von Griechenland ab", so Gabriel. Gleichzeitig warnte er vor „gigantischen“ Konsequenzen einer Insolvenz. Die Wahrheit sei: "Wenn der erste Stein aus dem europäischen Haus herausbrechen würde, dass dann Europa in einem anderen Aggregatzustand wäre." Quelle: dpa
Jens Weidmann: Der MahnerDer Bundesbank-Präsident ist der Mahner der Bundesregierung. Er macht hinter den Kulissen Druck. Vor allem die Bankenfinanzierung in Athen macht ihm Sorgen. Denn die griechische Zentralbank hilft den klammen Geschäftsbanken im Land mit Notfallkrediten, um sie mit Liquidität versorgen. Doch mit dem Geld kaufen die Banken vor allem kurzlaufende Staatsanleihen oder verlängern diese – das gleicht einer monetären Staatsfinanzierung. Weidmann warnt vor einer Destabilisierung des Finanzsystems und fordert, dass Banken Staatsanleihen künftig mit Eigenkapital in der Bilanz absichern müssen. Quelle: dpa
Martin Schulz: Der UngeduldigeEr ist kein direkt Beteiligter, aber einer, der Tacheles redet. Griechenland habe gegenüber Europa „eine Bringschuld“, so Schulz, „weil es viel Solidarität von der EU erfahren hat". Deshalb müsse Athen Reformen voranbringen, bei der Reform seiner Wirtschaft und öffentlichen Verwaltung, bei einer gerechteren Verteilung der Lasten, besonders auch bei der Besteuerung der großen griechischen Vermögen. Dann wird der SPD-Politiker noch deutlicher: "Leider sehen wir da bisher noch nicht das, was sich viele auch in Griechenland vorgestellt haben." Quelle: dpa
Bernd Riexinger: Der VerteidigerDer Linken-Chef nimmt seinen Parteifreund Tsipras aus Griechenland in Schutz. Schuld an der Misere seien die alten Eliten und Vorgängerregierungen. Die Linke fordert einen Schuldenschnitt und mehr Zeit für Reformen. Entlastung der kleinen Leute müsse durch eine Millionärssteuer finanziert werden. Zudem müsse Deutschland „die Zwangsanleihe, die Nazi-Deutschland Griechenland abgepresst hat“ zurückzahlen. Quelle: dpa
Simone Peter: Die VerständnisvolleGrünen-Parteichefin Simone Peter forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, den Konfrontationskurs gegenüber der griechischen Regierung zu beenden. "Es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern um einen guten Kompromiss, der Griechenland endlich wieder Luft zum Atmen gibt und mit sozial-ökologischen Investitionen das Wirtschaftswachstum ankurbelt." Quelle: dpa

Die Wahlforscher haben sich wieder einmal geirrt: Alexis Tsipras hat die Wahl in Griechenland am gestrigen Sonntag mit einem deutlich größeren Vorsprung gewonnen als prognostiziert. Tsipras hat damit erneut bewiesen, dass er ein Stratege ist. Seine Taktik, Neuwahlen auszurufen, um seine Machtbasis zu stärken, ist aufgegangen. Noch kurz vor der Wahl war unsicher, ob sein Pokerspiel aufgehen würde.

Tsipras ist gestern etwas gelungen, woran seine Vorgänger scheiterten: Er ist der erste griechische Ministerpräsident seit Ausbruch der Krise, der ein Rettungsprogramm unterschrieben hat und wieder gewählt wurde. Sowohl sein Vorgänger Giorgos Papandreou (Pasok) als auch Antonis Samaras (Nea Demokratia) bekamen vom Wähler keine zweite Chance. 

Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass die neue Sitzverteilung im Athener Parlament der alten so stark ähneln würde. 

Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands

Tsipras Koalitionspartner, die Unabhängigen Griechen (Anel), schaffen es wider Erwarten erneut ins Parlament und verhelfen Tsipras zu einer absoluten Mehrheit. Koalitionsverhandlungen mit einer anderen Partei, die Tsipras ohne Zweifel vor große Herausforderungen gestellt hätten, bleiben ihm nun erspart.

Am meisten Genugtuung dürfte Tsipras das schlechte Abschneiden der Syriza-Abtrünnigen verschaffen, die sich unter dem Namen Volkseinheit abgespalten haben. Sie haben den Einzug ins Parlament verfehlt. Immerhin 25 Abgeordnete wollten sich unter Führung von Panagiotis Lafazanis als diejenige Kraft profilieren, die den internationalen Geldgebern die Stirn bieten. Die Wahl hat nun aber gezeigt, dass eine Partei, die sich gegen den Euro und für die Drachme ausspricht, in Griechenland nicht auf Zustimmung trifft.

Auch wenn der Sieg von Tsipras unerwartet deutlich ausfiel - die eigentlichen Probleme hat er noch vor sich. Die Partei ist nicht so geeint, wie es scheint. Die Untergruppe 53plus ist mit dem Hilfsprogramm nicht einverstanden und würde Tsipras gerne daran hindern, es umzusetzen.

Die internationalen Geldgeber erwarten von Tsipras aber, dass er sich so schnell wie möglich daran macht, die Vereinbarungen vom August einzuhalten. Der Zeitplan hat sich wegen der Wahlen ohnehin schon ein wenig nach hinten verschoben. Zahlreiche Vorgaben, etwa zur Rentenreform und zur Einführung von Sozialhilfe, sollten im September erfüllt werden. Während des Wahlkampfs herrscht aber Stillstand.

Tsipras muss nun zeigen, ob er die Absprachen ernst nimmt, oder ob er nur geblufft hat, um sein Land im Euro zu halten. Tsipras muss nun vor allem den Nachweis bringen, dass er tatsächlich regieren kann. In den vergangenen sieben Monaten war davon wenig zu sehen. Die erste Amtszeit von Tsipras war vom Konflikt mit den Geldgebern geprägt.

Wenn Tsipras die Vorgaben aus dem Hilfsprogramm umsetzen will, dann muss er sich mit einem dichten Geflecht von Interessengruppen anlegen, die in Griechenland seit Jahrzehnten Veränderungen verhindern. Das erfordert nicht nur Strategie, sondern auch Ausdauer. Gelingen kann der Umbau des Landes nur mir einer starken Verwaltung - und genau daran haperte es bisher. Die erste Regierung Tsipras litt stark darunter, dass auf der Fachebene in den Ministerien Experten fehlen. Ob er die nun holen wird, und ob geeignetes Personal willig ist, aus der Privatwirtschaft zu wechseln, muss sich erst herausstellen. 

Die internationalen Partner haben sich damit abgefunden, dass sie mit Tsipras zusammenarbeiten müssen. Anders als beim Referendum im Juli haben Politiker von außen auf Wahlempfehlungen und somit auf eine Einmischung von außen verzichtet. Sollte Tsipras die Spielregeln der Geldgeber nicht einhalten, könnte schon schnell der Grexit wieder auf der Tagesordnung stehen. Die Glaubwürdigkeit der zweiten Regierung Tsipras wird womöglich früher getestet, als ihm lieb ist. 

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