
Die Bundesregierung hat die Hoffnungen Griechenlands auf rasche Zugeständnisse der Euro-Partner beim Spar- und Reformprogramm gedämpft. Von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seien bei ihrem Besuch an diesem Dienstag in Athen keine „Mitbringsel“ oder weitere Hilfszusagen zu erwarten, hieß es in Berlin. Der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM sollte am Montag beim Treffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg aus der Taufe gehoben werden.
Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, Grundlage für alle Entscheidungen sei der noch ausstehende Bericht der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte am Montag, erst wenn Athen nachweislich seine Sparauflagen erfülle, könne die nächste Hilfszahlung gezahlt werden.
Wie Athens Regierung die Sparauflagen frisieren will
Die neue griechische Koalitionsregierung hat am Wochenende ihre Pläne zur Lockerung des Sparpakts veröffentlicht. Der Koalitionsvertrag der drei Regierungsparteien - Konservative, Sozialisten, Demokratische Linke - nennt als zentrales Ziel, die Frist für die Umsetzung der Sparauflagen um zwei Jahre zu verlängern.
Athen wünscht eine Streckung um mindestens zwei Jahre. Es geht um Sparmaßnahmen in Höhe von schätzungsweise 11,5 Milliarden Euro. Ursprünglich sollten sie 2013 und 2014 umgesetzt werden. Athen will dafür nun Zeit bekommen bis Ende 2016.
„Keine weiteren Kürzungen der Löhne und Renten; keine neuen Steuern“, lautet das Motto. Die geplante Entlassung von 150 000 Staatsbediensteten soll nicht wie ursprünglich vorgesehen erfolgen, stattdessen wird ein stufenweiser Abbau angestrebt. Stufenweise sollen auch wieder die niedrigeren Renten und Löhne angehoben werden. Arbeitslosengeld soll statt bislang ein Jahr künftig 24 Monate ausgezahlt werden.
Ein neues gerechteres und langfristiges Steuersystem soll ausgearbeitet werden. Die Mehrwehrsteuer (23 Prozent) soll im wirtschaftlich wichtigen Bereich Tourismus und Gastronomie reduziert werden. Schwer verschuldete Haushalte und Personen sollen ihre Schulden stufenweise zurückbezahlen. Niemand soll mehr als 25 Prozent seines Einkommens für den Abbau seiner Schulden aufwenden. Die Gelder aus den Strukturfonds der EU sollen intensiv genutzt werden.
Das Land soll möglichst keine landwirtschaftlichen Produkte einführen. Die Rückkehr junger Leute in die Landwirtschaft soll unterstützt werden.
Alle Bürger sollen die Möglichkeit haben, ärztlich behandelt und medizinisch versorgt zu werden - unabhängig davon, ob sie arbeiten oder keinen Job haben. Das zusammenbrechende Versicherungssystem soll wieder auf die Beine gestellt werden.
Die Immunität von Ministern soll eingeschränkt werden. Der Bürokratie wird der Kampf angesagt. Dies gilt auch für die Steuerhinterziehung.
Die Flüchtlingswelle soll durch strengere Kontrollen der Grenzen eingedämmt werden. Verantwortliche für Übergriffe auf Migranten sollen konsequent strafrechtlich verfolgt werden.
Griechenland soll eine stabilisierende Rolle in der Region des östlichen Mittelmeeres spielen. Gute Nachbarschaft mit allen Ländern der Region. Förderung einer Europäischen Politik für das Mittelmeer.
Merkel reist erstmals seit Ausbruch der Euro-Schuldenkrise zu einem offiziellen Staatsbesuch nach. Die linke Opposition und Gewerkschaften wollen Gegner des Sparprogramms zu Protesten mobilisieren. Tausende Polizisten sollen für Sicherheit sorgen. Nach einem unbestätigten Bericht der „Bild“-Zeitung reist die Kanzlerin mit mehr Personenschützern als üblich nach Athen.
Die seit Anfang Juni amtierende Athener Regierung unter Antonis Samaras hofft auf finanzielle Erleichterungen und Zugeständnisse der internationalen Geldgeber. Ohne Zustimmung der Troika, deren Bericht inzwischen spätestens November erwartet wird, kann Griechenland nicht mit dem neuen Kredit in Höhe von 31 Milliarden Euro rechnen. Samaras hatte jüngst eindringlich vor wachsenden Turbulenzen gewarnt.
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Mit dem Besuch greife die Kanzlerin in keiner Weise dem Troika-Bericht vor, betonte Seibert: „Sie reist nach Griechenland, um der griechischen Regierung ihre Unterstützung für den anspruchsvollen Reformkurs, den sie sich vorgenommen hat und zum Teil begonnen hat umzusetzen, auszudrücken.“ Dies sei „ein Teil der engen Zusammenarbeit, die wir mit der Regierung Samaras haben“. Deutschland wolle Griechenland helfen, sich in der Euro-Zone zu stabilisieren.
Neben Gesprächen mit Samaras ist auch ein Treffen Merkels mit dem griechischen Staatspräsidenten Karolos Papoulias geplant. Zudem stehen Gespräche mit griechischen und deutschen Unternehmern auf dem Programm. Treffen mit Gewerkschaftsvertretern sowie dem griechischen Oppositionsführer Alexis Tsipras, dessen Partei zu weiteren Protesten aufruft, sind dagegen nicht vorgesehen.