Griechenland Papademos rückt nun doch an die Spitze

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Ein finanzpolitischer Falke

2002 wechselte Papademos zur EZB nach Frankfurt, wo er als Vize-Präsident im Direktorium für den Bereich Finanzstabilität verantwortlich war und den zwei Mal jährlich erscheinenden Finanzstabilitätsbericht der EZB verantwortete. Geldpolitisch gilt Papademos als gemäßigter Pragmatiker mit einer Tendenz zum Lager der Tauben. Diese plädieren dafür, im Zweifelsfall die Zinszügel lieber etwas lockerer zu lassen.

In finanzpolitischen Fragen tritt Papademos dagegen eher als Falke auf. Als EZB-Vize verteidigte er immerzu den Stabilitäts- und Wachstumspakt als Voraussetzung für eine funktionierende Währungsunion. In einem Gespräch mit der WirtschaftsWoche kurz nach der Lehman-Pleite warnte er davor, das Heil in kreditfinanzierten Konjunkturprogrammen zu suchen. „Jeglicher staatliche Stimulus darf weder das Vertrauen in die langfristige Solidität der öffentlichen Haushalte noch die Glaubwürdigkeit des Stabilitäts- und Wachstumspaktes gefährden“, sagte Papademos damals. Und: „Ein Verlust an Vertrauen in die Finanzpolitik ist das Letzte, was wir jetzt gebrauchen können“.

Ob der Professor für Ökonomie seine finanzpolitischen Erkenntnisse als Chef einer Übergangsregierung in die Praxis umsetzen kann, muss sich zeigen. Zwar gilt Papademos als debattenstarkes Arbeitstier, das mit wenig Schlaf auskommt. Das dürfte ihm angesichts der in Politikerkreisen üblichen nächtlichen Krisensitzungen nützlich sein. Fraglich ist allerdings, ob der im persönlichen Umgang als „angenehm und respektvoll“ geltende Papademos die nötige Hemdsärmeligkeit, Lautstärke und Chuzpe besitzt, die erforderlich ist, um sich im Haifischbecken der Politik durchzusetzen und Entscheidendes zu bewegen.
Papademos dürften sicherlich seine Kontakte in die EZB, die er erst 2010 verließ, hilfreich sein. Er könnte darauf hinwirken, dass die EZB noch mehr Staatsanleihen der Krisenländer kauft, um deren Zinskosten nach unten zu drücken. Seine Beliebtheit unter den Regierungschefs der Krisenländer würde Papademos damit zwar steigern. Doch der Stabilität der gemeinsamen Währung, an der auch die Griechen festhalten wollen, täte er damit keinen Gefallen.

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