




Am Tag 99 seit der Machtübernahme kamen wieder einmal schlechte Nachrichten: Die EU-Kommission revidierte am Dienstag ihre Wachstumsprognose für Griechenland drastisch nach unten. Statt um 2,5 Prozent wird das griechische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich nur um 0,5 Prozent wachsen. Die Arbeitslosigkeit bleibt hoch.
100 Tage nach dem Amtsantritt von Alexis Tsipras fällt die Bilanz der Syriza-Regierung ernüchternd aus. Am Wahlabend Ende Januar sprach der 40-jährige als strahlender Sieger noch davon, dass die Griechen ihm „ein Mandat für die Erholung des Landes“ gegeben hatten. Er machte seinen Landsleuten Hoffnung auf eine radikal andere Politik - „ohne Kotau“ vor den internationalen Geldgebern.
Die Reformliste der Griechen
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur will die Regierungskoalition in Athen mit einem Mix aus Steuererhöhungen, Privatisierungen und Rückzahlungen von Steuersündern Geld in die leeren Staatskassen spülen. Die internationalen Geldgeber haben die Umsetzung konkreter Reformen zur Bedingung für die Auszahlung ausstehender Hilfsgelder gemacht.
Zu den Plänen der griechischen Regierung gehört auch eine Rentenreform. Wichtigste Maßnahme: Arbeitnehmer sollen künftig erst im Alter von 67 Jahren in Rente gehen können. Eine Rente mit 62 Jahren soll es nur für jene geben, die mindestens 40 Jahre lang gearbeitet haben. Dieses Vorhaben gilt als besonders heikel, weil es zu den zentralen Wahlversprechen des Linksbündnisses zählte, dass die Renten nicht angetastet werden sollen.
Zudem wollen die Steuerbehörden in den kommenden Tagen alle Griechen, die Schwarzgeld ins Ausland überwiesen haben, aufrufen, sich beim Finanzamt zu melden. „Wir wissen, wer sie sind, und geben ihnen eine letzte Chance, sich zu retten“, sagte ein hoher Beamter im Finanzministerium der Deutschen Presse-Agentur. In Athen liegen bereits die Listen Tausender Griechen vor, die in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 100.000 Euro ins Ausland überwiesen haben.
In Athen liegen bereits die Listen Tausender Griechen vor, die in den vergangenen Jahren jeweils mehr als 100 000 Euro ins Ausland überwiesen haben. Bereits in der Nacht zum Samstag hatte das griechische Parlament erhebliche Erleichterungen für Personen und Unternehmen beschlossen, die mit ihren Steuern und Zahlungen an Sozialkassen im Rückstand sind. Steuerzahlern, die noch im März ihre Schulden begleichen, werden Bußgelder und Verzugszinsen erlassen. Auch sind zeitlich gestreckte Ratenzahlungen möglich.
Athen hofft darauf, auf diese Weise bis zu 8,9 Milliarden Euro in die Kassen zu spülen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen bereits mehr als 100.000 Steuerzahler elektronisch bei den Steuerbehörden angemeldet haben, dass sie von dem neuen Gesetz Gebrauch machen wollen. Die tatsächlichen Außenstände sind allerdings viel höher: Laut Finanzministerium schulden rund 3,7 Millionen Griechen und 447.000 Unternehmen dem Staat etwa 76 Milliarden Euro.
Darüber hinaus will Athen die Mehrwertsteuer für Touristeninseln in der Ägäis erhöhen - wie beispielsweise Mykonos und Santorin. Diese Pläne will Finanzminister Varoufakis aber offenbar doch nicht umsetzen. Auch für Hotels sollte die Mehrwertsteuer angehoben werden, ebenso wie die Steuern auf Tabakwaren und Alkohol. Unklar ist noch, wie die Regierung ihr Versprechen erfüllen will, die Reichen zur Kasse zu bitten.
Von einer Welle des Protests gegen Austerität und Fremdbestimmung ins Amt getragen, hat Tsipras nun wenig vorzuweisen. Bisher hat er nur einen Bruchteil seiner Wahlversprechen erfüllt. Gleichzeitig haben er und seine Unterhändler die internationalen Partner bei den Verhandlungen um die Hilfszahlungen für sein Land nachhaltig verprellt, so dass die Zukunft des Landes ungewisser denn je ist.
Die Art und Weise, wie Tsipras die Machtübernahme vorbereitet hatte, ließ durchaus einen Politiker erkennen, der strategisch plant. Tsipras polierte sein Englisch auf, lange bevor der Termin für die Neuwahlen stand. Er versprach Yanis Varoufakis noch im alten Jahr den Posten des Finanzministers, um einen populären und vor allem sehr bekannten Querkopf in sein Team zu holen. Nach dem Wahlsieg schmiedete Tsipras in Windeseile ein Bündnis mit der rechts-gerichteten Partei Anel von Panos Kammenos, weil er sich von dem Koalitionspartner den größten Manövrierraum bei den Verhandlungen mit den internationalen Partnern versprach. Anel und Syriza waren sich in ihrer Ablehnung der Austeritätspolitik einig.
Griechenlands Zahlungsverpflichtungen 2015
Die griechische Regierung muss in diesem Jahr noch rund 17 Milliarden Euro an Krediten und Zinsen zurückzahlen. Der größte Batzen entfällt dabei mit rund 8,1 Milliarden Euro auf den Internationalen Währungsfonds (IWF). Daneben stehen Zahlungen an die Europäische Zentralbank (EZB), private Gläubiger sowie die Partner aus der Eurozone aus. Ungeachtet der Verlängerung des Hilfsprogramms mit den Euro-Partnern ist bisher unklar, wie Finanzminister Yanis Varoufakis die Mittel aufbringen will. Vor allem im Juli und August stehen Rückzahlungen über mehrere Milliarden Euro an. Es folgt eine Auflistung darüber, was Griechenland in welchem Monat dieses Jahres zahlen muss.
Rundungsdifferenzen möglich, Quelle: Eurobank Athen, eigene Berechnungen (Reuters)
Rund 1,5 Milliarden an den IWF, 75 Millionen Zahlungen an andere - insgesamt rund 1,6 Milliarden Euro.
450 Millionen an IWF, 275 Millionen an Zinsen - insgesamt rund 0,7 Milliarden Euro.
750 Millionen plus 196 Millionen an IWF, sowie 77 Millionen für bilaterale Kredite - insgesamt rund 1 Milliarden Euro.
1,5 Milliarden an IWF plus 280 Milliarden an EZB und andere - insgesamt 1,7 Milliarden Euro.
450 Millionen an IWF, 3,5 Milliarden an EZB, 700 Millionen an Zinsen für EZB - insgesamt rund 4,8 Milliarden Euro.
Rund 170 Millionen an IWF, 3,2 Milliarden an EZB und andere Notenbanken, 190 Millionen an Zinsen - insgesamt rund 3,7 Milliarden Euro.
1,5 Milliarden Euro an IWF.
450 Millionen an IWF, 200 Millionen an andere - insgesamt 0,65 Milliarden Euro.
150 Millionen an IWF, 77 Millionen bilaterale Kredite - rund 0,23 Milliarden Euro
1,1 Milliarden Euro an IWF.
Es sah ganz so aus, als hätte Alexis Tsipras einen Plan. Doch über drei Monate später stellt sich heraus, dass da allenfalls ein paar Ideen waren, mit denen Tsipras grandios gescheitert ist. Etwa mit dem Ansatz, ein Bündnis aus Südländern zu schmieden, mit denen er gemeinsam die europäische Politik verändern würde. Spaniens Finanzminister Luis De Guindos zählt in der Eurogruppe zu den härtesten Kritikern der neuen Regierung. Und auch die Finanzminister Frankreichs und Italiens, die anfangs Sympathie für die neue griechische Regierung zeigten, pochen mittlerweile darauf, dass Griechenland die Regeln einhält und wollen von einem neuen Weg nichts wissen.