
EZB-Ratsmitglied Christian Noyer spricht sich für eine schnelle erste Kapitalhilfe für die angeschlagenen griechischen Banken aus. Die Institute sollten die Kapitalspritze noch vor dem im Herbst geplanten Bilanzcheck der Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten, sagte er der französischen Zeitung "Le Monde" in einem am Freitag veröffentlichten Interview. Ein solcher Schritt wäre wünschenswert, um den Sektor zu stabilisieren. Im Herbst soll die EZB-Bankenaufsicht den genauen Kapitalbedarf der Institute ermitteln.
Große Bankkunden nach dem Vorbild Zyperns an einer Rekapitalisierung der Geldhäuser zu beteiligen, lehnt der französische Notenbank-Chef ab. Denn die meisten dieser Kunden seien kleinere und mittelgroße griechische Unternehmen. "Meine Haltung ist weit verbreitet im Rat der Gouverneure", sagte Noyer. Klarheit bei diesem Thema würde wieder Vertrauen schaffen und dafür sorgen, dass ein großer Teil der 90 Milliarden Euro zurückkehre, die seit 2010 aus dem Land geflossen seien.
Bei der Bankenrettung in Zypern vor zwei Jahren wurden auch Inhaber großer Geldeinlagen beteiligt. In Griechenland gehören hohe Einlagenstände allerdings zu einem erheblichen Teil inländischen Firmen. Diese zu belasten würde nach Einschätzung von Experten die Wirtschaftsentwicklung des Landes weiter dämpfen.
Bundesbank unterstützt die Forderung
Mit der Forderung nach schnellen Hilfen steht Noyer nicht alleine da: Auch Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sprach eine rasche Stabilisierung der angeschlagenen griechischen Geldhäuser aus. Darüber wie auch über eine Rekapitalisierung denke die europäische Bankenaufsicht jetzt intensiv nach, sagte Dombret dem Magazin "Focus" in einem am Freitag veröffentlichten Vorabbericht. "Meiner Ansicht nach ist das ein wichtiger Schritt, der rasch getan werden sollte", sagte Dombret, der im Bundesbank-Vorstand unter anderem für die Finanzaufsicht zuständig ist und Deutschland im Bankenaufsichtsgremium der Europäischen Zentralbank (EZB) vertritt.
Die unlängst auf dem Euro-Gipfel erzielte vorläufige Einigung zu Griechenland sieht vor, dass ein neues Hilfsprogramm bis zu 25 Milliarden Euro zur Rekapitalisierung der Hellas-Banken enthalten soll. Selbst nach einer Kapitalhilfe für die Institute rechnet Dombret mit großen Umbrüchen im griechischen Finanzsystem. "Es stellt sich in der Tat die Frage, ob alle vier großen griechischen Banken langfristig überlebensfähig sind", sagte er. Früheren Informationen von Insidern zufolge könnte von den vier großen Instituten - National Bank of Greece, Eurobank, Piraeus Bank und Alpha Bank - nach einem Branchenumbau möglicherweise sogar nur zwei bestehen bleiben.
Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands
"Letztendlich entscheidet das Referendum am Sonntag darüber, ob Griechenland in der Währungsunion bleibt. Wenn sich die Griechen dafür aussprechen, kann die Staatengemeinschaft ein solch demokratisches Votum nicht übergehen. Dann werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Bei einem negativen Votum kommt es dagegen zum Grexit. (...) Bis dahin tobt ein Nervenkrieg. Die Kapitalverkehrskontrollen reichen zunächst erst einmal aus, um das Schlimmste zu verhindern. Aber die Kontrollen behindern die Wirtschaft, ebenso wie die von der Syriza geschaffene Unsicherheit. Das ist wirtschaftlich ein verlorenes Jahr für Griechenland. Für Deutschland spielt das keine Rolle. Nicht einmal ein Prozent der deutschen Exporte gehen dorthin."
„Natürlich wird der Dax zunächst leiden, aber fundamental ist die Wirtschaft in Takt (...) Der Rückschlag wird nicht von Dauer sein."
"Für Griechenland wird es jetzt ganz schwierig. Europa versucht, den Schaden für andere Euro-Länder zu begrenzen. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen. Die EZB hat bereits erklärt, dass sie die Lage an den Finanzmärkten genau verfolgt und notfalls eingreifen wird. Bei größeren Turbulenzen, die der Konjunktur gefährlich werden könnten, könnte die EZB ihre Anleihekäufe zeitlich nach vorne ziehen oder aufstocken. Sie könnte auch Anleihen bestimmter Länder wie Spanien und Italien früher kaufen. Sie könnte noch deutlicher darauf verweisen, dass es das ultimative Sicherheitsprogramm - das sogenannte OMT-Programm - auch noch gibt."
"Mit einer solchen Wendung haben nur wenige gerechnet. Kapitalverkehrskontrollen, vor allem aber die hohe Unsicherheit der kommenden Wochen und Monate dürften die letzte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung in Griechenland zunichte machen. Ein Staatsbankrott Griechenlands bedeutet nicht automatisch Grexit. Im besten Fall könnten die Entwicklungen dieser Tage nun dazu führen, dass Europa einen Insolvenzmechanismus für Staaten entwickelt - ganz so, wie die erste Griechenlandkrise vor fünf Jahren zu einem Rettungsmechanismus für Staaten führte. Spannend bleibt, ob und wie andere populistische Kräfte in Europa von den Entwicklungen profitieren. Die Polarisierung zwischen etabliertem Lager und Populisten dürfte in den kommenden Monaten weiter steigen."
"Weder der Grexit noch die Staatspleite sind zwingend. Es hängt sehr davon ab, wie das Referendum ausgeht. Wenn es zu einer Ablehnung kommt, wäre Griechenland auf schiefer Ebene unterwegs in Richtung Euro-Abschied. Die EZB hat die Kapitalverkehrskontrollen praktisch erzwungen, indem sie die Notfallkredite an griechische Banken nicht weiter erhöht hat. Wenn die EZB sie wieder aufstockt nach einem positiven Votum der Griechen, dann wären sie in diesem Umfang nicht mehr notwendig. Die Folgen für die Wirtschaft sind sehr negativ. Durch die Kapitalverkehrskontrollen werden die Geschäfte von Unternehmen und deren Abwicklung über die Banken behindert. Das dürfte die Konjunktur weiter beschädigen.
Die direkten Folgen für die Wirtschaft in der Euro-Zone und Deutschland dürften begrenzt sein - Griechenland ist zu klein, die Handelsverflechtungen zu gering. Man muss aber abwarten, wie stark die Marktturbulenzen sein werden. Denn die könnten auf die Realwirtschaft durchschlagen."
Eine schnelle Schaffung einer gemeinsamen Einlagensicherung im Euro-Raum hält der Bundesbank-Vorstand nicht für angebracht. "Es darf nicht dazu kommen, dass auf diese Weise nationale Risiken umverteilt werden", sagte Dombret. Solange es in der Euro-Zone keine gemeinsame Fiskalpolitik gebe, sollte es keine gemeinsame Haftung für den Schutz von Bankeinlagen geben.
Die Lage der Institute von Thessaloniki bis Kreta schätzt Dombret weiterhin als kritisch ein. "In der aktuellen Situation kann man aus verschiedenen Gründen sehr wohl Zweifel an der Solvenz der griechischen Banken haben", sagte er dem Magazin. So sei der Anteil notleidender Kredite bei den Geldhäusern sehr groß und habe wegen der schwierigen Wirtschaftslage voraussichtlich weiter zugenommen.