
Nachdem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras in der Nacht zum Donnerstag die Abstimmung über Reformen für ein neues Rettungsprogramm gewonnen hat, läuft schon die nächste entscheidende Frist: Bis zum 20. August muss Griechenland ein neues Rettungsprogramm in trockenen Tüchern haben, um eine Zahlung an die Europäische Zentralbank zu leisten.
Die von Griechenland beschlossenen Maßnahmen erfüllen die von den Gläubigern des Landes geforderten Bedingungen, wie eine Sprecherin der Europäischen Kommission erklärte. Am 20. August muss Griechenland rund 3,2 Mrd. Euro an die EZB zahlen.
Mit der Verabschiedung der neuen Gesetze ist der Weg für die sogenannte Troika der Gläubiger-Institutionen frei, nach Athen zurückzukehren und die Bedingungen für ein Hilfspaket über bis zu 86 Mrd. Euro auszuhandeln. Es wäre das dritte Rettungsprogramm für Griechenland innerhalb von fünf Jahren.
Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands
"Letztendlich entscheidet das Referendum am Sonntag darüber, ob Griechenland in der Währungsunion bleibt. Wenn sich die Griechen dafür aussprechen, kann die Staatengemeinschaft ein solch demokratisches Votum nicht übergehen. Dann werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Bei einem negativen Votum kommt es dagegen zum Grexit. (...) Bis dahin tobt ein Nervenkrieg. Die Kapitalverkehrskontrollen reichen zunächst erst einmal aus, um das Schlimmste zu verhindern. Aber die Kontrollen behindern die Wirtschaft, ebenso wie die von der Syriza geschaffene Unsicherheit. Das ist wirtschaftlich ein verlorenes Jahr für Griechenland. Für Deutschland spielt das keine Rolle. Nicht einmal ein Prozent der deutschen Exporte gehen dorthin."
„Natürlich wird der Dax zunächst leiden, aber fundamental ist die Wirtschaft in Takt (...) Der Rückschlag wird nicht von Dauer sein."
"Für Griechenland wird es jetzt ganz schwierig. Europa versucht, den Schaden für andere Euro-Länder zu begrenzen. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen. Die EZB hat bereits erklärt, dass sie die Lage an den Finanzmärkten genau verfolgt und notfalls eingreifen wird. Bei größeren Turbulenzen, die der Konjunktur gefährlich werden könnten, könnte die EZB ihre Anleihekäufe zeitlich nach vorne ziehen oder aufstocken. Sie könnte auch Anleihen bestimmter Länder wie Spanien und Italien früher kaufen. Sie könnte noch deutlicher darauf verweisen, dass es das ultimative Sicherheitsprogramm - das sogenannte OMT-Programm - auch noch gibt."
"Mit einer solchen Wendung haben nur wenige gerechnet. Kapitalverkehrskontrollen, vor allem aber die hohe Unsicherheit der kommenden Wochen und Monate dürften die letzte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung in Griechenland zunichte machen. Ein Staatsbankrott Griechenlands bedeutet nicht automatisch Grexit. Im besten Fall könnten die Entwicklungen dieser Tage nun dazu führen, dass Europa einen Insolvenzmechanismus für Staaten entwickelt - ganz so, wie die erste Griechenlandkrise vor fünf Jahren zu einem Rettungsmechanismus für Staaten führte. Spannend bleibt, ob und wie andere populistische Kräfte in Europa von den Entwicklungen profitieren. Die Polarisierung zwischen etabliertem Lager und Populisten dürfte in den kommenden Monaten weiter steigen."
"Weder der Grexit noch die Staatspleite sind zwingend. Es hängt sehr davon ab, wie das Referendum ausgeht. Wenn es zu einer Ablehnung kommt, wäre Griechenland auf schiefer Ebene unterwegs in Richtung Euro-Abschied. Die EZB hat die Kapitalverkehrskontrollen praktisch erzwungen, indem sie die Notfallkredite an griechische Banken nicht weiter erhöht hat. Wenn die EZB sie wieder aufstockt nach einem positiven Votum der Griechen, dann wären sie in diesem Umfang nicht mehr notwendig. Die Folgen für die Wirtschaft sind sehr negativ. Durch die Kapitalverkehrskontrollen werden die Geschäfte von Unternehmen und deren Abwicklung über die Banken behindert. Das dürfte die Konjunktur weiter beschädigen.
Die direkten Folgen für die Wirtschaft in der Euro-Zone und Deutschland dürften begrenzt sein - Griechenland ist zu klein, die Handelsverflechtungen zu gering. Man muss aber abwarten, wie stark die Marktturbulenzen sein werden. Denn die könnten auf die Realwirtschaft durchschlagen."
Tsipras hat angekündigt, die Reformen umzusetzen, auch wenn er sie für falsch hält. “Konservative Kräfte in Europa wollen Griechenland weiter aus dem Euro werfen”, erklärte Tsipras am frühen Donnerstagmorgen im Parlament. “Wir haben uns für einen Kompromiss entschieden, der uns zwingt, ein Programm umzusetzen, an das wir nicht glauben, und wir werden es umsetzen, da wir vor schwierigen Entscheidungen stehen.”
Die Europäische Kommission prüfe die Möglichkeit eines weiteren Brückenkredits an Griechenland, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden, falls das dritte Rettungsprogramm nicht rechtzeitig beschlossen werde, sagte ein Vertreter der griechischen Regierung, der seinen Namen nicht genannt haben wollte. EU-Kommissar Pierre Moscovici erklärte am Mittwoch gegenüber Journalisten, es sei noch zu früh um zu sagen, ob eine separate kurzfristige Finanzierung nötig würde.
Das Athener Parlament stimmte mit 230 zu 63 Stimmen für die Vorlage, mit der Gerichtsentscheidungen vereinfacht und die europäischen Vorschriften zu zusammenbrechenden Banken umgesetzt werden. Bei der gegen 3 Uhr morgens MESZ beendeten Abstimmung stellten sich 36 Abgeordnete der linken Syriza-Partei gegen Tsipras. Beim ersten Reformpaket in dieser Woche hatten 39 Abgeordnete Tsipras die Gefolgschaft verweigert.
Die Verhandlungen zwischen Griechenland und den Gläubiger- Institutionen sollten rasch starten, erklärte die EU- Kommissions-Sprecherin. Die Institutionen begännen demnächst mit ihrer Arbeit in Athen, führte sie aus.