Wieso wird plötzlich wieder über eine Griechenland-Pleite spekuliert?
Der Internationale Währungsfonds hat offenbar genug. Die Washingtoner Organisation ist nicht bereit, Griechenland weitere Finanzhilfe zu gewähren. Das berichtet „Der Spiegel“. Steigt der IWF aus dem Hilfsprogramm aus, sind auch mehrere Euro-Länder nicht mehr bereit, Athen zu unterstützen. Damit wäre die Pleite des Euro-Krisenlandes immer wahrscheinlicher. Die Folge wäre das Euro-Aus.
Die „Troika“ – bestehend aus Experten des IWF, der EZB und der EU-Kommission – hatte vor zwei Wochen festgestellt, dass Griechenland seine Reformziele abermals verfehlen wird. Der Verkauf von Staatsbesitz kommt demnach nicht entscheidend voran, wichtige Strukturreformen stecken fest. Zudem wird die Wirtschaft des Euro-Krisenlandes wohl auch dieses Jahr um fast sieben Prozent schrumpfen.
Wozu Griechenland sich verpflichtet hat
Griechenland hat sich verpflichtet, seine Staatsverschuldung bis 2020 auf einen Stand von rund 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu bringen. Erlaubt sind nach den Maastrichter-Kriterien eigentlich nur 60 Prozent.
Vereinbart sind Einsparungen für 2013 und 2014 in Höhe von 5,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. „Der Großteil wird erreicht durch Einschnitte bei den Staatsausgaben, die die Größe des Staates reduzieren und seine Effizienz verbessern“, heißt es in der Vereinbarung mit der Troika aus EU, EZB und IWF.
Athen hat sich zu einer radikalen Reform des Rentensystems verpflichtet.
Athen muss die Beschäftigung im öffentlichen Sektor bis Ende 2015 um 150.000 Stellen reduzieren.
Griechenland vereinfacht sein Steuersystem und hebt Steuerbefreiungen auf - um seine Einnahmen zu steigern. Der Kampf gegen Steuerbetrug wird verschärft.
Die Mindestlöhne werden um 22 Prozent gegenüber dem am 1. Januar 2012 geltenden Niveau gesenkt. Regelungen über automatische Lohnzuwächse werden ausgesetzt.
Der griechische Staat soll konkurrenzgeschützte Berufe wie etwa Apotheker, Buchhalter oder Makler liberalisieren. In überteuerten Wirtschaftsbereichen muss ausländische Konkurrenz zugelassen werden.
Angegangen werden Fusionen und Privatisierungen - etwa regionaler Flughäfen. Auf dem Strommarkt sollen Netze und Versorgung getrennt werden.
Die Umsetzung der Reformen überwacht die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF), die vierteljährliche Berichte erstellt.
Griechenland liegt in der Verwirklichung fast aller Auflagen zurück. Das liegt an der starken Rezession, aber auch am kompletten politischen Stillstand während des Wahlkampfs.
Das „strategische“ Ziel Athens sind Neuverhandlungen, um die Sparmaßnahmen um zwei Jahre zu strecken. Die Rückzahlung der gewährten Hilfen soll erst 2017 beginnen. Der neue Premier Antonis Samaras will beim EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel mit den EU-Staats- und Regierungschefs darüber reden.
In dem Memorandum ist ausdrücklich vorgesehen, die Verpflichtungen Griechenlands zeitlich zu strecken, falls die Wirtschaftskrise sich verschärft. Athen kann laut Text die EU, die EZB und den IWF „konsultieren“, falls die Rezession schlimmer als erwartet ausfallen sollte.
Bei den Geldgebern ist die Bereitschaft erkennbar, der neuen Regierung mehr Zeit für die Verwirklichung des Reform- und Sparprogramms und die Rückzahlung der Kredite zu lassen. Die Euro-Staaten pochen laut Diplomaten aber darauf, dass Athen seine Schulden langfristig abbaut und strukturelle Reformen umsetzt.
Athen spielt auf Zeit. Die neue griechische Regierung war im Juni mit dem festen Ziel angetreten, die Fristen der für die Milliardenhilfen auferlegten Sparauflagen neu zu verhandeln. Ziel ist es, die von den Geldgebern geforderten Sparmaßnahmen über 11,5 Milliarden in den Jahren 2013 und 2014 auf die Jahre 2015 und 2016 zu verteilen. Die griechische Gesellschaft könne keine weiteren, zusätzlichen Sparmaßnahmen schultern, argumentiert die Regierung.
Ein Reformaufschub könnte den Geberländern zwischen zehn und 50 Milliarden Euro kosten. Der IWF macht da offenbar nicht mit. „Der Spiegel“ berichtet unter Berufung auf hochrangige Vertreter der EU-Kommission, der IWF habe seinen Rückzug bereits signalisiert und werde kein neues Geld zur Verfügung stellen.
Griechenland braucht bereits im August und September wieder frisches Geld in Höhe von 12,5 Milliarden Euro.
Eilt die Bundesregierung Griechenland zur Hilfe?
Wohl nicht. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist einem Zeitungsbericht zufolge nicht bereit, Griechenland einem Aufschub zu gewähren bzw. weitere Zusagen über neue Finanzhilfen zu machen. Es sei undenkbar, dass Merkel noch einmal vor den Bundestag trete und um Zustimmung für ein drittes Griechenland-Paket bitte, berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf Berliner Regierungskreise. Tatsächlich habe Merkel schon bei den jüngsten Parlamentsbeschlüssen zur Schuldenkrise Probleme gehabt, die Koalition weitgehend geschlossen hinter sich zu vereinen. Auf ein weiteres Mal werde sie es - gerade im Fall Griechenland – nicht ankommen lassen.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte Griechenland zuvor in der ARD kaum noch Chancen auf einen Verbleib in der Euro-Zone gegeben. „Ich bin mehr als skeptisch“, sagte Rösler mit Blick auf die Umsetzung der Auflagen der internationalen Gemeinschaft als Voraussetzung für Finanz-Hilfen. Man müsse zwar zunächst den Bericht der Troika im Herbst abwarten. Wahrscheinlich werde Athen seine Auflagen aber nicht abarbeiten können. „Wenn Griechenland seine Auflagen nicht erfüllt, dann kann es keine weitere Zahlungen mehr an Griechenland geben“, sagte der FDP-Chef. Das Land werde dann zahlungsunfähig sein.