




Anderswo in Europa ist praktisch jedem klar: Griechenland steht sei dem Abbruch der ultimativen Verhandlungen und der Ankündigung eines Referendums vor dem Austritt aus der Eurozone. Ob den Griechen der Ernst der Lage bewusst ist, weiß man indes nicht so genau an diesem Samstag. Klar, es gibt etwas mehr Publikumsverkehr vor den Geldautomaten rund um den Syntagma-Platz, aber beileibe keine endlos langen Schlangen. Die Griechen bekommen ihr Geld, niemand spricht von Kapitalverkehrskontrollen.
Im Gegenteil, die Menschen in Athen wirken besonders gut gelaunt. „Tsipras gibt uns Griechen die Würde zurück“, freut sich die Verkäuferin in einem Süßwarenladen unweit des Parlaments. So sehen das viele Landsleute: Endlich mal ein Premierminister, der in Brüssel nicht alles mit sich machen lässt. Ein echter Cowboy! Sie gibt aber auch zu, dass ein Euro-Austritt schlecht auch für ihr Geschäft sei und fragt den Besucher aus Deutschland: „Glauben Sie, dass es dazu kommen wird?“
Das fragen sie sich an jenem Samstagabend auch im Parlament von Athen. Für den späten Abend erst wird der Premierminister im Plenum erwartet, der eben aus Brüssel zurückgekehrt sein soll. Genug Zeit, um sich an den Bankautomaten im Erdgeschoss noch mit Bargeld einzudecken. Die Schlangen vor den Geräten sind länger als draußen auf der Straße – es heißt, man habe sie den Tag über bereits auffüllen müssen.
Das griechische Parlament ist kein gesunder Ort. Die Leute hier rauchen viel zu viel – und man das sieht man sogar ihren Gesichter an. „Wir arbeiten 24 Stunden am Tag“, rechtfertigt sich eine Mitarbeiterin. Das Rauchverbot in den Fluren stört in diesem Hause niemanden mehr. Auch der Aschenbecher von Hara Kafantari füllt sich langsam, während sich die Abgeordnete von Tsirpas' Syriza-Partei in Rage redet. „Die Gläubiger wollen uns einen harten Sparkurs aufzwingen, ohne einem Wiederaufbauprogramm zuzustimmen“, behauptet sie. „Wir haben fünf Monate immer wieder Lösungen vorgeschlagen, aber in Brüssel haben sie zu allem 'Nein' gesagt.“
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Es gehe hier nicht um Griechenland, sondern um die Zukunft von Europa, postuliert die ultralinke Politikerin: „Die Neoliberalen“ würden mit ihrer schädlichen Austeritätspolitik ganz Europa dominieren. „Wenn sich Europa nicht verändert, wird es zerstört“, so Hara Kafantari. Man müsse zurück zu den Grundlagen der europäischen Integration, also der Solidarität. Damit meint sie, dass die reicheren Länder den notleidenden auf die Beine helfen müssten.