
Noch sind die griechischen Banken am Leben. Sie liegen quasi im Koma. Denn die lebensrettenden Maßnahmen sind ausschließlich die ELA-Notkredite, die ihnen die griechische Notenbank mit Genehmigung der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Verfügung stellt. Schon seit über einer Woche sind die Banken geschlossen, am Geldautomat gibt es je Tag und Bankkarte nur 60 Euro. Während die Schließzeit regelmäßig verlängert wird, wird hinter den Kulissen offenbar über eine mittelfristige Lösung nachgedacht.
Insider berichteten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass von den vier großen Banken National Bank of Greece, Eurobank, Piraeus und Alpha Bank am Ende nur noch zwei große Geldinstitute übrig bleiben könnten. Diese Fusionen sollen laut Insidern notwendig sein, könnten aber wohl eine Weile dauern.
Was droht Griechenland und seinen Banken?
Die EZB verleiht Geld nur an Geschäftsbanken, die als Sicherheiten Wertpapiere hinterlegen, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht der Fall. Bislang machten die Währungshüter eine Ausnahme, weil Athen ein EU-Sanierungsprogramm mit harten Reformauflagen durchlief. Diese Grundlage ist nun weggefallen: Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt das EU-Rettungsprogramm ab. Die EZB begründete ihre Entscheidung damit, dass man im Moment nicht davon ausgehen könne, dass Hellas sein Reformprogramm erfolgreich abschließen wird.
Ende Dezember 2014 hatten sich die griechischen Banken rund 56 Milliarden Euro bei der EZB beschafft. Davon entfielen nach Angaben der Commerzbank 47 Milliarden Euro auf kurzfristige Geschäfte, die inzwischen ausgelaufen sein dürften - und die nur wiederholt werden können, wenn die Institute andere Sicherheiten haben als griechische Staatsanleihen. Die übrigen neun Milliarden Euro steckten in Langfristgeschäften. „Das Geld muss zurückbezahlt werden, wenn es in diesem Umfang keine anderen Sicherheiten gibt“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nein. Die Institute können vorerst bei der griechischen Zentralbank ELA-Notkredite nachfragen. Der EZB-Rat hat dafür ein Volumen von bis zu rund 60 Milliarden Euro bewilligt. Damit könnte das Refinanzierungsvolumen griechischer Banken bei der EZB vollständig in eine ELA-Finanzierung überführt werden, schreiben Ökonomen der BayernLB: „Es wäre aber nur wenig Raum vorhanden, um einen weiteren Abfluss von Einlagen zu kompensieren.“ Ein weiterer Haken für die Banken: EZB-Kredite kosten aktuell 0,05 Prozent, ELA-Notkredite 1,55 Prozent. Der Vorteil für die EZB und Europas Steuerzahler: Sie müssen nicht geradestehen, wenn die Kredite ausfallen. Das Risiko liegt bei der Zentralbank in Athen und damit beim Steuerzahler Griechenlands.
Nein. Der EZB-Rat kann diesen Geldhahn mit Zwei-Drittel-Mehrheit zudrehen. ELA darf nur an Institute vergeben werden, die zwar vorübergehende Liquiditätsengpässe haben, aber solvent sind. Das wird ohne ein Hilfsprogramm oder zumindest die begründete Erwartung, dass ein neues Programm schnell in Kraft tritt, unwahrscheinlicher. Die Experten der BayernLB sind daher überzeugt: „Sollte sich Griechenland mit seinen Gläubigern bis Ende Februar nicht zumindest auf eine Brückenfinanzierung einigen, ist damit zu rechnen, dass die EZB griechische Banken von der ELA-Finanzierung ausschließt.“
Dann dürfte den Banken sehr schnell das Geld ausgehen. „Wenn die EZB ELA abklemmt, haben die Institute keinen Zugriff mehr aus EZB-Liquidität. Das wäre der Rausschmiss, Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen“, sagt Commerzbank-Experte Krämer. Daher sei die Entscheidung auch eine politische. Experten der UBS sehen das ähnlich: „In dem Moment, in dem die EZB das ELA-Fenster schließt, müssen die Verhandlungspartner entweder sofort Kompromisse finden, oder Griechenlands Banken kommen nicht mehr an Geld.“ Um einen Bankenkollaps zu verhindern, müsse Athen dann umgehend eine eigene Währung einführen: „Das wäre das Ende Griechenlands im Euroraum und könnte eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“
Denkbar wäre, die Laufzeit der Hilfskredite zu verlängern oder den Schuldendienst vorrübergehend auszusetzen. Krämer erwartet, dass am Ende auch die Bundesregierung einem „faulen Kompromiss“ zustimmen würde: „Denn bei einem Austritt Griechenlands schlitterte das Land ins Chaos und die Bundesregierung müsste ihren Wählern erklären, dass die direkt und indirekt auf Deutschland entfallenen Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 61 Milliarden Euro verloren wären.“
Grundsätzlich sollten Ziel eines solchen Zusammenschlusses stabilere Institute sein. Aber funktioniert das auch in Griechenland? Kann man aus zwei kranken Banken einfach eine gesunde machen? Bei einem Blick in die Bilanzen der Hellas-Banken scheint das mehr als fraglich.
Grundsätzlich versprechen solche Fusionen natürlich Sparpotenzial, insbesondere bei den Beschäftigten. Genau davor warnt die Regierung in Athen. Beobachter gehen davon aus, dass sie heftigen Widerstand leisten würden. Immerhin liegt die Arbeitslosigkeit in Griechenland schon jetzt bei rund 25 Prozent.
Vorbild Zypern
Als Vorbild für die Fusion gilt offenbar Zypern. Als dort 2013 die Pleite drohte, wurde ebenfalls eine von zwei großen dortigen Banken geschlossen. Im März 2013 beschlossen die EU-Finanzminister die Zerschlagung der Laiki Bank. Die Bank wurde abgewickelt, einige Reste wie beispielsweise Einlagen unter 100.000 Euro wurden auf die Bank of Cyprus übertragen. Das gilt auch für die Schulden aus den ELA-Notkrediten, welche ebenfalls während der Zypern-Krise gezahlt wurden. Insgesamt mussten Gläubiger und Anteilseigner auf Forderungen in Höhe von etwa 4,2 Milliarden Euro verzichten.
Interessanterweise waren es in der Zypern-Krise ausgerechnet die griechischen Banken, die profitierten. Als die Zyprer Angst um ihr Geld hatten, brachten sie es zu den griechischen Instituten, die sich über die gestiegenen Einlagen freuten. Nach dem vorhergehenden Schuldenschnitt und den damit verbundenen Abschreibungen auf Staatsanleihen kamen die Einlagen aus Zypern gerade recht.
Bereits konsolidiert
Langfristig geholfen haben sie aber nicht. Auch das griechische Bankensystem hat schon einige Fusionen hinter sich. Vor allem 2012 gab es Übernahmen: Die Piraeus Bank übernahm einen Teil der ATE Bank, die Alpha Bank bekam die Emporiki Bank. Seitdem besteht die jetzige Konzentration auf vier große Banken. Käme es zu weiteren Zusammenlegungen, wäre in Sachen Wettbewerb im griechischen Bankensektor nicht mehr viel los.
Folgen einer Staatspleite für Gläubiger
Die Rating-Agentur Moody's hat 13 staatliche Zahlungsausfälle zwischen 1998 und 2008 untersucht. Danach mussten die Gläubiger 30 Tage nach dem Zahlungsverzug einen durchschnittlichen Abschlag von rund 50 Prozent hinnehmen.
Der Zahlungsausfall schwankte in den einzelnen Ländern aber stark. Gläubiger der Dominikanischen Republik kamen mit einem Minus von fünf Prozent noch glimpflich davon. Für Zeichner russischer Anleihen lag der Verlust mit 82 Prozent um ein Vielfaches höher.
Grundsätzlich werden ausländische Investoren nicht schlechter behandelt als einheimische Gläubiger. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Allerdings gibt es auch hier keine Regeln ohne Ausnahmen: Sowohl die Ukraine als auch Russland räumten den einheimischen Investoren „deutlich bessere Deals“ ein.
„Sowohl die russische als auch die argentinische Wirtschaft konnten die Krise relativ schnell überwinden, profitierten dabei aber von außergewöhnlich günstigen Rahmenbedingungen“, heißt es in einer Commerzbank-Studie. In Russland brach die Wirtschaftsleistung im Krisenjahr 1998 um rund 5,5 Prozent ein, ehe sie in den Folgejahren wegen des Rohstoffbooms um durchschnittlich etwa sieben Prozent wuchs.
Auch Argentinien erholte sich dank der steigenden Rohstoffnachfrage rasch. „Anleger sollten diese Erfolge daher nicht bedenkenlos auf andere Länder übertragen“, warnen die Experten der Commerzbank.
Neben den Euro-Ländern hilft auch der IWF mit Geldern aus: Sowohl in Griechenland als auch in Irland ist der erfahrende Krisenhelfer mit im Boot. Aber auch IWF-Hilfen waren in der Vergangenheit keine Garantie gegen Staatspleiten, wie das Beispiel Russland zeigt.
IWF und Weltbank sagten dem vor dem finanziellen Kollaps stehenden Land im Krisenjahr 1998 Hilfen von 22,6 Milliarden Dollar zu. Dennoch bediente der Staat ab August 1998 seine Schulden nicht mehr.
Bedingung für IWF-Hilfen sind strenge Auflagen, die aber nicht immer eingehalten werden. Der IWF schnürte 2000/2001 mehrere Hilfspakete für Argentinien - er erhöhte die Kreditlinien, organisierte Kreditzusagen der Weltbank und der spanischen Regierung.
Die Regierung aber sparte nicht wie vereinbart, sondern fuhr ihre Ausgaben im Kampf gegen die Wirtschaftskrise sogar hoch. Argentinien verfehlte damit die mit dem IWF vereinbarten Haushaltsziele.
Der Fonds setzte deshalb im Dezember 2001 die Zahlungen aus. Am 3. Januar 2002 konnte Argentinien seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen.
Der einzige Vorteil einer solchen Fusion wäre wohl, dass nur ein oder zwei Institute saniert werden müssten statt vier. Denn marode und in Schieflage sind alle Institute. Das Problem: Bankfusionen als Rettungsanker funktionieren normalerweise nur, wenn dabei mindestens ein gesundes Institut beteiligt ist, das noch genug Geld und Kapital hat, um die Lücken des schwächeren Partners zu stopfen.
Aber gibt es so ein gesundes Institut in Griechenland? Beim Stresstest der Europäischen Zentralbank 2014 bestand nur die Alpha Bank, während die Pireaus Bank, die Eurobank sowie die National Bank of Greece dazu aufgefordert wurden, ihre Kapitallücken zu stopfen.
Zwar sind die griechischen Banken nun faktisch ausreichend kapitalisiert, tatsächlich sind sie aber genauso zahlungsunfähig wie der griechische Staat. Denn das Eigenkapital der Institute besteht jeweils zu einem großen Teil aus steuerlichen Verlustvorträgen.