
Während die Pleite Griechenlands die dortigen Banken in den Zusammenbruch treibt, arbeitet die Europäische Union mit Hochdruck an Brandmauern, die das Geld von Sparern und Steuerzahlern bei solchen größtanzunehmenden Finanzunfällen schützen sollen. Beeindruckend ist die Liste mit Projekten, sowohl der angefangenen als auch der vollendeten.
Ein kurzer Überblick: Im November 2014 hat die Europäische Zentralbank das Oberkommando als Aufseherin über die rund 120 bedeutendsten Bankengruppen der Euro-Zone übernommen.
Dem voraus ging ein monatelanger, detaillierter Stresstest der direkt zu beaufsichtigenden Großinstitute, bei dem übrigens bloß eine der teilnehmenden griechischen Banken bestand. Weitere regelmäßige Belastungschecks folgen. So will die EZB im laufenden Jahr die deutschen Sparkassen und Volksbanken besonders aufmerksam unter die Lupe nehmen.
Was droht Griechenland und seinen Banken?
Die EZB verleiht Geld nur an Geschäftsbanken, die als Sicherheiten Wertpapiere hinterlegen, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht der Fall. Bislang machten die Währungshüter eine Ausnahme, weil Athen ein EU-Sanierungsprogramm mit harten Reformauflagen durchlief. Diese Grundlage ist nun weggefallen: Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt das EU-Rettungsprogramm ab. Die EZB begründete ihre Entscheidung damit, dass man im Moment nicht davon ausgehen könne, dass Hellas sein Reformprogramm erfolgreich abschließen wird.
Ende Dezember 2014 hatten sich die griechischen Banken rund 56 Milliarden Euro bei der EZB beschafft. Davon entfielen nach Angaben der Commerzbank 47 Milliarden Euro auf kurzfristige Geschäfte, die inzwischen ausgelaufen sein dürften - und die nur wiederholt werden können, wenn die Institute andere Sicherheiten haben als griechische Staatsanleihen. Die übrigen neun Milliarden Euro steckten in Langfristgeschäften. „Das Geld muss zurückbezahlt werden, wenn es in diesem Umfang keine anderen Sicherheiten gibt“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nein. Die Institute können vorerst bei der griechischen Zentralbank ELA-Notkredite nachfragen. Der EZB-Rat hat dafür ein Volumen von bis zu rund 60 Milliarden Euro bewilligt. Damit könnte das Refinanzierungsvolumen griechischer Banken bei der EZB vollständig in eine ELA-Finanzierung überführt werden, schreiben Ökonomen der BayernLB: „Es wäre aber nur wenig Raum vorhanden, um einen weiteren Abfluss von Einlagen zu kompensieren.“ Ein weiterer Haken für die Banken: EZB-Kredite kosten aktuell 0,05 Prozent, ELA-Notkredite 1,55 Prozent. Der Vorteil für die EZB und Europas Steuerzahler: Sie müssen nicht geradestehen, wenn die Kredite ausfallen. Das Risiko liegt bei der Zentralbank in Athen und damit beim Steuerzahler Griechenlands.
Nein. Der EZB-Rat kann diesen Geldhahn mit Zwei-Drittel-Mehrheit zudrehen. ELA darf nur an Institute vergeben werden, die zwar vorübergehende Liquiditätsengpässe haben, aber solvent sind. Das wird ohne ein Hilfsprogramm oder zumindest die begründete Erwartung, dass ein neues Programm schnell in Kraft tritt, unwahrscheinlicher. Die Experten der BayernLB sind daher überzeugt: „Sollte sich Griechenland mit seinen Gläubigern bis Ende Februar nicht zumindest auf eine Brückenfinanzierung einigen, ist damit zu rechnen, dass die EZB griechische Banken von der ELA-Finanzierung ausschließt.“
Dann dürfte den Banken sehr schnell das Geld ausgehen. „Wenn die EZB ELA abklemmt, haben die Institute keinen Zugriff mehr aus EZB-Liquidität. Das wäre der Rausschmiss, Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen“, sagt Commerzbank-Experte Krämer. Daher sei die Entscheidung auch eine politische. Experten der UBS sehen das ähnlich: „In dem Moment, in dem die EZB das ELA-Fenster schließt, müssen die Verhandlungspartner entweder sofort Kompromisse finden, oder Griechenlands Banken kommen nicht mehr an Geld.“ Um einen Bankenkollaps zu verhindern, müsse Athen dann umgehend eine eigene Währung einführen: „Das wäre das Ende Griechenlands im Euroraum und könnte eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“
Denkbar wäre, die Laufzeit der Hilfskredite zu verlängern oder den Schuldendienst vorrübergehend auszusetzen. Krämer erwartet, dass am Ende auch die Bundesregierung einem „faulen Kompromiss“ zustimmen würde: „Denn bei einem Austritt Griechenlands schlitterte das Land ins Chaos und die Bundesregierung müsste ihren Wählern erklären, dass die direkt und indirekt auf Deutschland entfallenen Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 61 Milliarden Euro verloren wären.“
Auch die Vollendung von Schritt zwei auf dem Weg zur Bankenunion steht bevor. Im Januar hat die europaweit zuständige Bankenabwicklungsbehörde in Brüssel ihre Arbeit aufgenommen. Unter Leitung der ehemaligen BaFin-Chefin Elke König soll der Abwicklungsmechanismus nun betriebsfertig gemacht werden, um im Januar 2016 die Verantwortung zu übernehmen.
Das heißt: Dann entscheidet Brüssel, ob eine kriselnde Großbank in Europa weiterleben darf oder stillgelegt wird. Geld aus dem einheitlichen Bankenrettungsfonds, der ebenfalls in Brüssel verwaltet wird, gibt es nur, wenn zuvor Gläubiger und Eigentümer des betroffenen Geldinstituts ausreichend geblutet haben.
Werden die Brandmauern rechtzeitig fertig?
Bankenpleiten sollen dank dieser Sicherheitsvorkehrungen so schmerzfrei wie möglich für den Rest des Finanzsystems und der Realwirtschaft über die Bühne gehen. Teure nationale Rettungsaktionen wie bei der letzten Krise werden dadurch überflüssig. Wenn die eigene Abwicklung zum realistischen Szenario wird, werden Banker ihre Geschäfte künftig vorsichtiger angehen, um den Fall der Fälle gar nicht erst eintreten zu lassen, so das Kalkül der Konstrukteure des neuen Schutzmechanismus.
Das gedankliche Fundament der europaweiten oder zumindest euro-zonenweiten Bankenunion steht also. Angesichts der Finanzkrise in Griechenland stellt sich allerdings die bange Frage, ob die europäischen Brandmauern überhaupt rechtzeitig fertig werden, bevor die griechischen Banken in Flammen aufgehen. Diese Frage richtete der Moderator des heutigen Symposiums der Bundesbank und der Fachzeitschrift für das gesamte Kreditwesen an die Expertin Joanne Kellermann. Sie ist ständiges Mitglied im Vorstand der neuen Brüsseler Behörde für die Bankenabwicklung unter dem Vorsitz von Elke König.
Ihre Antwort lässt Raum für Interpretationen. „Wir stehen bereit“, sagte Kellermann, wies aber darauf hin, dass der einheitliche Abwicklungsmechanismus wie geplant erst 2016 seine volle Funktionsfähigkeit erhalten werde. Zudem stellte sie klar, dass der europäische Abwicklungsfonds nur zur Verfügung stehe, wenn vorher ein Bail-in erfolgt sei. Sprich: Geld aus dem Fonds fließt nur, wenn die Gläubiger und Eigentümer vorher ausreichend an den Verlusten beteiligt wurden. Darüber hinaus stellen sich weitere dringende Fragen.
Erinnerungen an Bankenkrise in Zypern werden wach
Nach Ansicht von Finanzaufsehern haben die griechischen Banken wenn überhaupt nur noch für ein paar Tage Liquidität. Wenn kurzfristig kein Rettungsgeld von der EZB oder von internationalen Geldgebern fließt, bricht Griechenlands Bankensystem zusammen, bevor der europäische Abwicklungsmechanismus greifen kann.
Dann droht ein nationaler Alleingang Griechenlands beim Krisenmanagement. Dabei könnten sogar die Spareinlagen herangezogen werden, um Verluste der Banken abzudecken. So ist es 2013 bei der Bankenkrise in Zypern passiert.
Damals wurden allerdings nur reiche Einleger geschröpft. In Griechenland ist aber schon so viel Geld abgeflossen, dass solche Klassenunterschiede wahrscheinlich gar nicht mehr gemacht werden. Die Sparer stünden dann vor verschlossenen Bankschaltern und müssten hilflos mit ansehen, wie sich ihre Kontoguthaben in Luft auflösen. So sah sich Andrea Enria, Chef der Bankenregulierungsbehörde EBA in London am Wochenende genötigt, Gerüchte zu dementieren, wonach griechischen Sparern eine Enteignung drohe.
Folgen einer Staatspleite für Gläubiger
Die Rating-Agentur Moody's hat 13 staatliche Zahlungsausfälle zwischen 1998 und 2008 untersucht. Danach mussten die Gläubiger 30 Tage nach dem Zahlungsverzug einen durchschnittlichen Abschlag von rund 50 Prozent hinnehmen.
Der Zahlungsausfall schwankte in den einzelnen Ländern aber stark. Gläubiger der Dominikanischen Republik kamen mit einem Minus von fünf Prozent noch glimpflich davon. Für Zeichner russischer Anleihen lag der Verlust mit 82 Prozent um ein Vielfaches höher.
Grundsätzlich werden ausländische Investoren nicht schlechter behandelt als einheimische Gläubiger. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Allerdings gibt es auch hier keine Regeln ohne Ausnahmen: Sowohl die Ukraine als auch Russland räumten den einheimischen Investoren „deutlich bessere Deals“ ein.
„Sowohl die russische als auch die argentinische Wirtschaft konnten die Krise relativ schnell überwinden, profitierten dabei aber von außergewöhnlich günstigen Rahmenbedingungen“, heißt es in einer Commerzbank-Studie. In Russland brach die Wirtschaftsleistung im Krisenjahr 1998 um rund 5,5 Prozent ein, ehe sie in den Folgejahren wegen des Rohstoffbooms um durchschnittlich etwa sieben Prozent wuchs.
Auch Argentinien erholte sich dank der steigenden Rohstoffnachfrage rasch. „Anleger sollten diese Erfolge daher nicht bedenkenlos auf andere Länder übertragen“, warnen die Experten der Commerzbank.
Neben den Euro-Ländern hilft auch der IWF mit Geldern aus: Sowohl in Griechenland als auch in Irland ist der erfahrende Krisenhelfer mit im Boot. Aber auch IWF-Hilfen waren in der Vergangenheit keine Garantie gegen Staatspleiten, wie das Beispiel Russland zeigt.
IWF und Weltbank sagten dem vor dem finanziellen Kollaps stehenden Land im Krisenjahr 1998 Hilfen von 22,6 Milliarden Dollar zu. Dennoch bediente der Staat ab August 1998 seine Schulden nicht mehr.
Bedingung für IWF-Hilfen sind strenge Auflagen, die aber nicht immer eingehalten werden. Der IWF schnürte 2000/2001 mehrere Hilfspakete für Argentinien - er erhöhte die Kreditlinien, organisierte Kreditzusagen der Weltbank und der spanischen Regierung.
Die Regierung aber sparte nicht wie vereinbart, sondern fuhr ihre Ausgaben im Kampf gegen die Wirtschaftskrise sogar hoch. Argentinien verfehlte damit die mit dem IWF vereinbarten Haushaltsziele.
Der Fonds setzte deshalb im Dezember 2001 die Zahlungen aus. Am 3. Januar 2002 konnte Argentinien seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllen.
Die EBA entwickelt einheitliche Spielregeln für Banken in der Europäischen Union, deren Einhaltung von der EZB-Bankenaufsicht in Frankfurt überwacht wird. Enria unterstrich, dass eine Haftung griechischer Normalsparer für Bankenpleiten das europäische Recht brechen würde. Denn dieses schützt seit dem 3. Juli mit einheitlichen Vorschriften Beträge von 100.000 Euro je Sparer.
Ob die griechische Einlagensicherung diesen Schutz gewährleisten kann, ist zu bezweifeln. Denn es handelt sich dort um eine Krise des gesamten Bankensektors, während gängige Einlagensicherungssysteme nur für Pleiten einzelner Institute ausgelegt sind.
Europa
Selbst wenn der Europäische Abwicklungsmechanismus kurzfristig, also vor seinem offiziellen Start, in Griechenland eingreifen könnte, stünde er vor Problemen, die bei seiner Konstruktion nicht vorhergesehen wurden. Da wäre zum Beispiel die Frage, wie mit einer möglichen Rückkehr Griechenlands zu einer nationalen Währung umgegangen wird. Ein landesinternes Zahlungsmittel könnte den griechischen Banken plötzlich wieder Liquidität verschaffen.
Wie wohl die EZB-Bankenaufsicht und die Abwicklungsbehörde bei einem solchen Schritt reagieren? Laut Satzung sind sie nur für Banken der Euro-Zone zuständig. Die Verantwortung für Banken in EU-Mitgliedsländern außerhalb der Währungsunion können sie nur an sich ziehen, wenn diese sich freiwillig den Institutionen der Bankenunion unterwerfen.