
Bis Sonntag muss eine Lösung her. Darauf haben sich die Euro-Länder mit Griechenland verständigt. Entweder, dann steht ein drittes Hilfsprogramm für Athen – oder das Land geht Pleite und muss aus dem Euro-Raum ausscheiden.
Die zentrale Frage ist, ob eine große Mehrheit der Länder dem Hilfegesuch der Griechen entgegenkommt und neue Kredite über den Rettungsschirm ESM gewährt. Während beim ESM-Vorgänger, dem Rettungsschirm ESFS, das Votum einstimmig sein musste, reicht es laut ESM-Regularien, wenn 85 Prozent des Kapitals zustimmen. Jedenfalls in "besonders eilbedürftigen Verfahren". Die Griechenland-Rettung dürfte dazuzählen. Deutschland schultert mit 27,15 Prozent der Gesamtsumme den größten Anteil – und könnte eine Rettung locker blockieren. Litauen oder Slowenien aber nicht.
Fakt ist: Europa ist in der Frage, wie mit Griechenland umgegangen werden soll, gespalten. Neben einigen wenigen Hellas-Verstehern, gibt es eine breite Front von Ländern, die klare Regeln für neue Gelder fordern – aber einem dritten Hilfspaket wohl nicht im Wege stehen würden. Mindestens fünf Länder dürften hingegen nur sehr schwer zu einem Kompromiss zu bewegen sein.
Von Grexit bis Graccident - die wichtigsten Begriffe zur Schuldenkrise
Der Kunstbegriff wurde aus den englischen Worten für „Griechenland“ (Greece) und „Ausstieg“ (Exit) gebildet - gemeint ist ein Ausstieg oder Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone. So etwas ist in den EU-Verträgen allerdings gar nicht vorgesehen. Die Idee: Würde Griechenland statt des „harten“ Euro wieder eine „weiche“ Drachme einführen, könnte die griechische Wirtschaft mit einer billigen eigenen Währung ihre Produkte viel günstiger anbieten.
Neuerdings wird auch vor einem unbeabsichtigten Euro-Aus der Griechen gewarnt. Das Kunstwort dafür besteht aus Greece und dem englischen Wort für „Unfall“ (Accident) - wobei das Wort im Englischen auch für „Zufall“ stehen kann. Gemeint ist ein eher versehentliches Schlittern in den Euro-Ausstieg, den eigentlich niemand will - der aber unvermeidbar ist, weil Athen das Geld ausgeht. Mittlerweile taucht die Wortschöpfung auch als „Grexident“ auf.
Staaten brauchen Geld. Weil Steuereinnahmen meist nicht ausreichen, leihen sie sich zusätzlich etwas. Das geschieht am Kapitalmarkt, wo Staaten sogenannte Anleihen an Investoren verkaufen. Eine Anleihe ist also eine Art Schuldschein. Darauf steht, wann der Staat das Geld zurückzahlt und wie viel Zinsen er zahlen muss.
Im Grunde handelt es sich ebenfalls um Anleihen - allerdings mit deutlich kürzerer Laufzeit. Während Anleihen für Zeiträume von fünf oder zehn oder noch mehr Jahren ausgegeben werden, geht es bei T-Bills um kurzfristige Finanzierungen. Die Laufzeit solcher Papiere beträgt in der Regel nur einige Monate.
Manchmal hat ein Staat so viel Schulden, dass er sie nicht zurückzahlen kann und auch das Geld für Zinszahlungen fehlt. Dann versucht er zu erreichen, dass seine Gläubiger auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Das nennt man Schuldenschnitt. Dieser schafft finanzielle Spielräume. Allerdings wächst auch das Misstrauen, dem Staat künftig noch einmal Geld zu leihen.
Seit 2010 hatten immer mehr Staaten wegen hoher Schulden das Vertrauen bei Geldgebern verloren. Für sie spannten die Europartner einen Rettungsschirm auf. Er hieß zuerst EFSF, wurde später vom ESM abgelöst. Faktisch handelt es sich um einen Fonds, aus dem klamme Staaten Kredithilfen zu geringen Zinsen bekommen können.
In der Euro-Schuldenkrise wurde der Begriff für das Trio aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission gebraucht. Sie kontrollieren die verlangten Reformfortschritte. Im Euro-Krisenland Griechenland ist die Troika deswegen zum Feindbild geworden. In seinem Schreiben an die Eurogruppe spricht Athen nun von „Institutionen“. Auch die Europartner wollen das Wort „Troika“ nicht mehr verwenden. In offiziellen Dokumenten war ohnehin nie die Rede von der „Troika“.
Wir haben die Positionen der 18 Euro-Partner Griechenlands zusammengetragen, aufsteigend von den größten Griechenland-Verstehern bis zu den größten Grexit-Befürwortern – und schätzen am Ende ein, wie groß die Wahrscheinlichkeit eines Bündnisses gegen weitere Griechenland-Hilfen ist.
Zypern
Präsident Nicos Anastasiadas gilt als Freund der Griechen und fordert einen Schuldenschnitt. Die Verbindlichkeiten müssten auf ein solides Niveau gesenkt werden.
In einer Regierungsansprache rief er alle Parteien bei erster Gelegenheit dazu auf, eine Vereinbarung zu erreichen, die Griechenland in der EU und im Euro hält, Perspektiven für die Zukunft schafft – und bessere Bedingungen.
„Wir werden Griechenland bei der Umstrukturierung unterstützen, so dass eine nachhaltige „Umschuldung“ möglich wird.“
Italien
Regierungschef Matteo Renzi zählt zu den größten Griechenland-Verteidigern in der Euro-Zone. Die Motive sind ähnlich wie bei Frankreich: Italien hat Angst, dass der Grexit doch Domino-Effekte auslösen und Zweifel an der Zukunft Italiens im Euro-Raum wecken könnte. Zudem will Renzi, dass sich Europa vom Sparen verabschiedet und eine keynesianische Politik verfolgt, sprich: Die EU soll Geld locker machen, Investitionsprogramme auflegen und so Wachstum schaffen.
Frankreich
Das Land nimmt eine Schlüsselrolle in den Verhandlungen ein. Nach außen sind Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande bemüht, Gemeinsamkeiten in der Griechenland-Frage zu finden und zu betonen; Hollande nickt pflichtschuldig, wenn Merkel auf gemeinsamen Pressekonferenzen davon spricht, dass Solidarität und Solidität „zwei Seiten einer Medaille“ sind. Dennoch sind die Franzosen deutlich aufgeschlossener, wenn es um Hilfen für Griechenland geht als andere Euro-Länder.
Zu groß ist die Angst, dass der Grexit auf Frankreich übergreifen, die heimische Wirtschaft schwächen und das Geldleihen teurer machen könnte. Frankreich werde „alles“ tun, um „Griechenland in der Euro-Zone zu halten“, verspricht Premierminister Manuel Valls. Auch ein Schuldenschnitt dürfe kein Tabu sein.





Luxemburg
Gemischte Gefühle bei Luxemburgs Premier Xavier Bettel. „Wir sind nicht mehr fünf vor Zwölf, aber 30 Sekunden vor Zwölf,“, sagte der luxemburgische Premier Xavier Bettel. Einen Schuldenschnitt schließt er aber aus. „Ich habe eine Verantwortung dem luxemburgischen Steuerzahler gegenüber“, so Bettel beim Auftakt des Krisengipfels in Brüssel. Ein Euro-Austritt wäre eine „Lose-Lose-Situation“, bei der jeder verlieren würde, sowohl Griechenland als auch die Eurozone und die EU. Aber: Eine Einigung wird an Luxemburg nicht scheitern – zumal das Land aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat und deswegen qua Amtes bei der Kompromisssuche gefordert ist.
Belgien, Österreich, Malta und Irland
Belgien
Als engagierter Europäer ist Belgiens Premier Charles Michels „tieftraurig“ über die Entwicklung der Ereignisse. Er gilt aber auch als „kompromisslos“ und „legalistisch“ solange es um den Respekt der Demokratie gehe. Solange Tsipras an der Macht ist und rechtmäßig gewählt wurde, ist er zwangsläufig auch der einzige Ansprechpartner für Europa.
„Natürlich ist es heute politisch undenkbar – zumindest für einige Mitgliedsstaaten – an den Schulden Griechenlands selbst etwas zu verändern. Doch wir sollten einer Follow-up-Klausel zustimmen, die uns ermöglicht – falls wir feststellen, dass die griechische Regierung entsprechende Reformen durchführt – dann im Oktober eine Debatte über die Schuldenlast zu eröffnen“, wird Belgiens Premier aus ungenannten Quellen während des Gipfels am Dienstag zitiert.
Welche Länder der Euro-Zone gegen die Haushaltsregeln verstoßen
Haushaltssaldo 2014: -3,2 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: +0,7 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: +0,6 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -3,2 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -4,0 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -3,5 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -4,1 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -3,0 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -1,4 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -0,7 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: +0,6 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -2,1 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -2,3 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -2,4 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -4,5 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -2,9 Prozent
Kriterium eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -4,9 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -5,8 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Haushaltssaldo 2014: -8,8 Prozent
Kriterium nicht eingehalten.
Haushaltssaldo und Schuldenstand, jeweils in Relation zum Bruttoinlandsprodukt.
Defizitlimit: -3 Prozent
Quelle: Ameco
Österreich
Von wegen harte Haltung: Alle, die denken, Österreich steht mit einer Griechenland-kritischen Position fest an der Seite der stabilitätsorientierten Länder, sehen sich getäuscht. Österreich wägt ab, Bundeskanzler Werner Faymann denkt auch offen über eine Brückenfinanzierung der Europartner nach. „Zuerst bräuchte man ein (Hilfs-)Programm. Dann kann man überlegen, ob – bis das Programm beschlossen ist – man eine Finanzierungsbrücke baut“, sagte Faymann am Rande des Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder am Dienstag in Brüssel.
Faymann wies aber darauf hin, dass bisher konkrete Reform- und Sparvorschläge Athens fehlten. Diese gelten als Voraussetzung für finanzielle Unterstützung der Europartner. Sollte es bis Sonntag keine Vereinbarung geben, müsse ein Plan B vorbereitet werden.
Irland
Irland ist für eine Umschuldung Griechenlands, sagte der irische Finanzminister, Michael Noonan, am Dienstag. Irland wolle aber keine „harte Linie“ gegen Griechenland fahren. „Ich habe immer gesagt, dass Griechenland Teil der Eurogruppe bleiben soll. Wir sind bereit zu verhandeln – und müssen schauen, was wir dabei erreichen können.“
Griechenland brauche eine wachsende Wirtschaft – und er hofft, dass die Programme zu einem Wachstum und zu neuen Arbeitsplätzen führen. Er verwies auf Maßnahmen, die Irland ergriffen hatte wie die Verlängerung von Laufzeiten und die Reduzierung der Zinsen.
Das sagen Analysten zur Lage Griechenlands
"Letztendlich entscheidet das Referendum am Sonntag darüber, ob Griechenland in der Währungsunion bleibt. Wenn sich die Griechen dafür aussprechen, kann die Staatengemeinschaft ein solch demokratisches Votum nicht übergehen. Dann werden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Bei einem negativen Votum kommt es dagegen zum Grexit. (...) Bis dahin tobt ein Nervenkrieg. Die Kapitalverkehrskontrollen reichen zunächst erst einmal aus, um das Schlimmste zu verhindern. Aber die Kontrollen behindern die Wirtschaft, ebenso wie die von der Syriza geschaffene Unsicherheit. Das ist wirtschaftlich ein verlorenes Jahr für Griechenland. Für Deutschland spielt das keine Rolle. Nicht einmal ein Prozent der deutschen Exporte gehen dorthin."
„Natürlich wird der Dax zunächst leiden, aber fundamental ist die Wirtschaft in Takt (...) Der Rückschlag wird nicht von Dauer sein."
"Für Griechenland wird es jetzt ganz schwierig. Europa versucht, den Schaden für andere Euro-Länder zu begrenzen. Das wird mit großer Wahrscheinlichkeit gelingen. Die EZB hat bereits erklärt, dass sie die Lage an den Finanzmärkten genau verfolgt und notfalls eingreifen wird. Bei größeren Turbulenzen, die der Konjunktur gefährlich werden könnten, könnte die EZB ihre Anleihekäufe zeitlich nach vorne ziehen oder aufstocken. Sie könnte auch Anleihen bestimmter Länder wie Spanien und Italien früher kaufen. Sie könnte noch deutlicher darauf verweisen, dass es das ultimative Sicherheitsprogramm - das sogenannte OMT-Programm - auch noch gibt."
"Mit einer solchen Wendung haben nur wenige gerechnet. Kapitalverkehrskontrollen, vor allem aber die hohe Unsicherheit der kommenden Wochen und Monate dürften die letzte Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung in Griechenland zunichte machen. Ein Staatsbankrott Griechenlands bedeutet nicht automatisch Grexit. Im besten Fall könnten die Entwicklungen dieser Tage nun dazu führen, dass Europa einen Insolvenzmechanismus für Staaten entwickelt - ganz so, wie die erste Griechenlandkrise vor fünf Jahren zu einem Rettungsmechanismus für Staaten führte. Spannend bleibt, ob und wie andere populistische Kräfte in Europa von den Entwicklungen profitieren. Die Polarisierung zwischen etabliertem Lager und Populisten dürfte in den kommenden Monaten weiter steigen."
"Weder der Grexit noch die Staatspleite sind zwingend. Es hängt sehr davon ab, wie das Referendum ausgeht. Wenn es zu einer Ablehnung kommt, wäre Griechenland auf schiefer Ebene unterwegs in Richtung Euro-Abschied. Die EZB hat die Kapitalverkehrskontrollen praktisch erzwungen, indem sie die Notfallkredite an griechische Banken nicht weiter erhöht hat. Wenn die EZB sie wieder aufstockt nach einem positiven Votum der Griechen, dann wären sie in diesem Umfang nicht mehr notwendig. Die Folgen für die Wirtschaft sind sehr negativ. Durch die Kapitalverkehrskontrollen werden die Geschäfte von Unternehmen und deren Abwicklung über die Banken behindert. Das dürfte die Konjunktur weiter beschädigen.
Die direkten Folgen für die Wirtschaft in der Euro-Zone und Deutschland dürften begrenzt sein - Griechenland ist zu klein, die Handelsverflechtungen zu gering. Man muss aber abwarten, wie stark die Marktturbulenzen sein werden. Denn die könnten auf die Realwirtschaft durchschlagen."
Die Bevölkerung ist deutlich skeptischer: Medien stellen der „irischen Art“ des Umgangs mit der Schuldenkrise die „griechische Art“ gegenüber. Der Tenor: Irland habe hart gespart, von den drastischen Kürzungen haben sich Teile der Bevölkerung bis heute nicht erholt. Dies sollten doch bitte auch die Griechen tun. Dennoch: Irland wird einer Einigung nicht im Wege stehen.
Malta
Der maltesische Finanzminister Edward Scicluna nannte ein Ausscheiden Athens aus dem Euroraum eine „realistische Möglichkeit“. Das Wort „Grexit“ wird jetzt in den Mund genommen - noch vor kurzem war dagegen etwas verschämt vom sogenannten Plan B die Rede gewesen. Die Chancen stünden 50:50, dass Griechenland die Eurozone verlassen müsse.
Ein Austritt müsse untersucht werden – und mit den „besten Absichten“ und nicht mit einem um sich schlagenden Stock durchgeführt werden. Sein Ministerpräsident, Joseph Muscat, lehnt eine Abschreibung der Schulden ab .
Portugal, Spanien, Slowakei, Deutschland und Slowenien
Portugal
Lissabon vertritt die Ansicht, die griechische Regierung müsse selbst entscheiden, ob sie weiterhin zur Eurogruppe gehören möchte. Hilfe von außen sei nur „nach den Bedingungen“ der Währungsgemeinschaft möglich, betont Ministerpräsident Pedro Passos Coelho. Portugal hatte es geschafft, die Auflagen zu erfüllen, die mit einem 2011 gewährten internationalen Hilfsprogramm im Umfang von 78 Milliarden Euro verbunden waren.
Es wäre unklug, einen Austritt der Griechen nicht in Betracht zu ziehen. Für die Euro-Zone sei entscheidend, dass sie gemeinsam und geschlossen reagiere. Dies müsse von der Europäischen Zentralbank und den einzelnen Notenbanken vorbereitet werden. Niemand sei gegen die aktuellen und künftigen Folgen der Griechenland-Krise gewappnet.
Spanien
Im Herbst wählt das Land ein neues Parlament. Die konservative Regierung hat Angst, dass ein Verhandlungserfolg der Griechen Auswirkungen auf die Wahl haben könnten – und auch in Madrid linksradikale Kräfte deutlich an Stimmen hinzugewinnen. Deswegen gibt man sich hart und schließt vorschnelle Hilfe für Griechenland aus.
Spanien
2013: -1,3 Prozent
2014: -0,1 Prozent
2013: 1,4 Prozent
2014: 0,9 Prozent
2013: 26,4 Prozent
2014: 26,2 Prozent
IHS Global Insight
Gleichzeitig fürchtet man – wie in den anderen Programmländern – Ansteckungsgefahren und ein Hochschnellen der eigenen Zinskosten bei der Kreditaufnahme. Kurzum: Einem Deal – als harte Verhandlung nach außen verkauft – würden Portugal und Spanien wohl nicht im Wege stehen.
Deutschland
Auch wenn sich die griechischen Bürger auf den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble eingeschossen haben: Die Bundesregierung zählt längst nicht zu den größten Bremsern in der Griechenland-Frage. Bundeskanzlerin Angela Merkel weiß, dass die Deutschen mit großer Mehrheit weitere Hellas-Hilfen ablehnen. Selbst in ihrer eigenen Partei sind neue Finanzspritzen ein umstrittenes Thema. Dennoch will Merkel einen Grexit verhindern. Sie hofft, durch eine harte Haltung in den Verhandlungen, möglichst viele Reformversprechen der Griechen zu provozieren – um dann gesichtswahrend einem dritten Hilfspaket zustimmen zu können. Trotz der Kritik aus den eigenen Reihen wird der Bundestag dem nicht im Weg stehen: Zu groß ist die Mehrheit der Großen Koalition im Parlament.





Slowakei
Die Slowaken, ein eher armes Land in Europa, haben nie wirklich verstanden, warum sie den Griechen mit Bürgschaften helfen müssen. In der Slowakei beträgt das Durchschnittseinkommen 880 Euro. Wenn sie höre, dass einige griechische Rentner mehr als 1000 Euro im Monat bekämen, finde sie das "empörend", zitiert die Nachrichtenagentur afp eine Kellnerin aus Bratislava.
Die Politik sieht das ähnlich. Ein Schuldenschnitt sei eine „absolut rote Linie für sein Land“, sagte der slowakische Finanzminister Peter Kazimir. Allerdings gebe es auch „weichere“ Maßnahmen, die die griechische Schuldenlast etwas mildern würden, zum Beispiel eine Streckung der Laufzeiten der Hilfskredite. Mit dem Referendum habe Griechenland ein „Krisenszenario“ heraufbeschworen – und den „allmählichen Rückzug“ aus der Eurozone eingeleitet. „Ich möchte ehrlich sein und kann es (einen „Grexit“) nicht ausschließen.“
Slowenien
Auf eine ehrliche und konstruktive Lösung hofft der slowenische Regierungschef Miro Cerar – und er erwartet von der griechischen Regierung keine Experimente mehr. Sein Land sei immer solidarisch gewesen, und habe finanzielle Verpflichtungen für Griechenland übernommen.
Nun erwarte man "eine konstruktive Kooperation" und die "Umsetzung von einigen wesentlichen Strukturreformen", fuhr Cerar fort. Finanzminister Dusan Mramor pflichtete bei. Griechenland sei nicht bereit, genügend zu ändern und das sei insbesondere inakzeptabel, weil "Slowenien gezeigt hat, dass gut überlegte Maßnahmen zu einem substanziellen Fortschritt" führen können. Griechenland solle also die slowenische Lektion lernen.
Slowenien hätte nach der Banken- und Finanzkrise 2008 beinahe selbst unter den Rettungsschirm gemusst. In Slowenien wurde eine Bad Bank geschaffen und das Land mit dem höchsten Anteil an staatlichen Unternehmen in der EU, muss nun 13 von ihnen verkaufen.
Estland, Lettland, Litauen, Niederlande und Finnland
Estland
Viele ärmere Länder sind genervt von Griechenland. Darunter Estland. Dessen Präsident Toomas Hendrick Ilves unterstrich, dass es für sein Land eine schwere Belastung wäre, wenn es für immer neue Griechenland-Kredite bürgen müsse. Regierungschef Taavi Roivas sagt, Reformen seien „unvermeidbar“. Für Estland ist es – wie für die baltischen Nachbarn aus Lettland und Litauen – unverständlich, dass Griechenland den Beamtenapparat noch immer nicht zurückgefahren hat und rigide die Steuern bei Wohlhabenden eintreibt. Das estnische Credo: Entweder Athen verspricht harte Reformen – oder es muss raus aus der Euro-Zone. Roivas machte deutlich: Die griechische Regierung habe die Wahl zwischen „schlechten und schlechteren“ Entscheidungen.





Lettland
Nicht nur Estland, auch Lettland und Litauen lehnen neue Zugeständnisse für Griechenland ab. Die baltischen Länder haben besonders unter der Finanzkrise gelitten. Sie mussten ihren Bürgern harte Einschnitte zumuten, um die Haushalte in den Griff zu bekommen. Ähnliches fordern sie nun auch von Griechenland. „Die Letten verstehen die Griechen nicht“, so Finanzminister Janis Reirs. Die lettische Wirtschaft sei ab 2008 um 20 Prozent eingebrochen; Lettland steuerte um und reduzierte den Staatsapparat um rund die Hälfte. Griechenland solle sich ein Beispiel nehmen – oder aus dem Euro austreten, finden die Letten.
Litauen
„Wir sehen ein Land, das schlemmen möchte und sich von anderen das Geld für die Feier geben lassen möchte.“ Die litauische Staatschefin Dalia Grybauskaite hat wie viele ihrer Landsleute ebenfalls genug von griechischen Sonderwünschen. Schließlich sei der Mindestlohn in Griechenland noch immer höher als in ihrem Land.
Das „Basisszenario“ sei zwar, dass Griechenland Mitglied der Euro-Zone bleibe. Dafür müsse es aber auch seinen Teil beitragen. Litauen macht derzeit nicht den Eindruck, faule Kompromisse zu akzeptieren. Die Balten umzustimmen, wird eine der größten Aufgaben der Euro- und Griechenland-Retter.





Niederlande
Auch die Niederländer – seit Anbeginn Verfechter einer stabilitätsorientierten Eurozone – haben die Geduld mit Griechenland längst verloren. „Eine Währungsunion erfordert gegenseitige Verpflichtungen. Wenn man die nicht will, dann hört es auf“, sagte Finanzminister und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem vor dem niederländischen Parlament. Die niederländische Regierung wolle sich weiter für den Zusammenhalt der Eurozone einsetzen, betonte der Sozialdemokrat. „Doch nicht um jeden Preis, etwa, dass wir als Eurozone unsere Glaubwürdigkeit völlig aufgeben müssten.“
Auch die niederländische Öffentlichkeit plädiert offen für den Grexit. Die Zeitung „De Telegraaf“ schrieb nach dem Griechen-Referendum, dass „ein Austritt aus der Eurozone für das Land das beste Szenario“ sei. „De Volkskrant“ ergänzte: „Die Euroländer können es sich nicht erlauben, dass für einen von ihnen die Spielregeln nicht gelten.“
Finnland
Zu den größten Griechenland-Kritikern zählt neben den Balten und den Niederländern auch Finnland. Deren Finanzminister Alexander Stubb nannte – genervt von immer neuen leeren (!) Versprechen der Griechen – die Sondergipfel „eine Verschwendung von Flugmeilen“. Finnland steckt selbst in einer wirtschaftlichen Krise; das Land braucht Geld für Reformen und sieht nicht ein, Griechenland immer weiter zu unterstützen. Diese Position spiegelt die Meinung der finnischen Bevölkerung wider, die ähnlich Griechenland-müde wie die deutsche ist. Schon vor drei Jahren zauderten die Finnen – und ließen sich nur gegen Pfand für ihre Rettungskredite auf Finanzhilfen ein.
Einigungschance liegt bei "50,5 Prozent"
Was folgt daraus? Wie realistisch ist der Grexit? "Die Wahrscheinlichkeit eines Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion ist in den vergangenen Tagen gestiegen", sagt Oliver Höing, Dozent am Jean Monnet Lehrstuhl an der Universität Köln. "Dennoch glaube ich noch, dass irgendwie ein Weg gefunden wird, den Grexit zu verhindern." Höing schätzt die Chancen auf eine Einigung auf 50,5 Prozent ein, wetten würde er auf einen glimpflichen Ausgang der Krise aber nicht.
Der europäische Rettungsfonds ESM
Der ESM soll über eine effektive Darlehenskapazität von 500 Milliarden Euro verfügen. Bei diesem maximalen Darlehensvolumen soll es unabhängig von den Verpflichtungen des auslaufenden Rettungsfonds EFSF bleiben. Um das Volumen tatsächlich zu erreichen, soll der ESM mit 700 Milliarden Euro ausgestattet sein. Davon entfallen 80 Milliarden Euro auf Bareinlagen und 620 Milliarden auf abrufbares Kapital in Form von Garantien. So soll die Bestnote bei der Kreditwürdigkeit („AAA-Rating“) garantiert sein.
Private Geldgeber und Inhaber von Staatsanleihen wie Banken und Versicherer sollen an Rettungsmaßnahmen nach den Regeln des Internationalen Währungsfonds (IWF) beteiligt werden. Es geht um Praktiken, die die Märkte und Mitgliedstaaten kennen. Auf schärfere Vorgaben wurde verzichtet. Die Umschuldungsklauseln in Staatsanleihen der Euro-Länder (Collective Action Clauses/Cacs), sollen weiter in den ESM eingebracht werden. Die Entschuldung Griechenlands mit einem freiwilligen Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen soll aber ein Einzelfall bleiben.
Ist die Finanzstabilität der Eurozone bedroht, kann der ESM mit einer Mehrheit von 85 Prozent des Kapitalschlüssels entscheiden. (Quelle: dpa)
Eine Schlüsselrolle kommt den beiden Schwergewichten Frankreich und Deutschland zu. Sie müssen einen Kompromiss finden, den beide Seiten ihren Blöcken verkaufen können. Während Frankreich das Lager der Griechenland-Versteher repräsentiert, hoffen die Athen-Kritiker auf eine "eiserne Kanzlerin". Bei allen wichtigen europäischen Entscheidungen in der Vergangenheit sei es so gewesen, dass sich der Europäische Rat um die beiden Führungsnationen gescharrt habe, weiß Höing. Handeln Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande einen Kompromiss aus, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Einigung "fundamental". Einzig: Deutschland darf Frankreich (und damit den Griechenland-Befürwortern) nicht zu weit entgegenkommen. Sonst meutern möglicherweise die Griechenland-Gegner.
Die Kritik im Baltikum und bei Slowenen, Slowaken, Finnen und Niederländer ist - wie oben gezeigt - sehr groß. Die Slowakei scherte schon einmal aus; beim ersten Hilfspaket hielt sich die Slowakei raus. "Im Nachgang musste sich das Land häufiger den Vorwurf gefallen lassen, unsolidarisch zu sein", so Höing, der sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit mit der Konstruktion und Arbeitsweise des Rettungsschirms ESM befasst hat. "Die Slowakei musste sich viel Kritik bei den Treffen der Euro-Gruppe gefallen lassen; eine Zeit lang hatten sie es schwer, glaubhaft in der Euro-Rettungspolitik mitreden zu können." Die Folge: Nach einem Regierungswechsel änderte die neue slowakische Führung den Kurs und beteiligte sich an den EFSF-Krediten für Irland und Portugal sowie an den Griechenland-Hilfen aus dem zweiten Rettungspaket.
Europa
Dass ein Land die Griechenland-Rettung stört, ist also mathematisch (nur Deutschland, Frankreich und Italien haben durch die 85-Prozent-Regel de facto ein Vetorecht) unwahrscheinlich - und politisch sowieso. "Ein einziges kleines Land wird sich nicht isolieren wollen", sagt Höing. "Denkbar aber ist, dass eine Koalition der Kleinen geschmiedet werden könnte." Sollten sich die Balten, Finnland, die Niederlande, Slowenien und die Slowakei von Deutschland schlecht vertreten fühlen und zusammentun, würden sie zwar immer noch nicht eine 85-Prozent-Mehrheit verhindern können. "Politisch wird dann aber der Druck auf die anderen Staaten sehr hoch, diesem Willen zu widersprechen". Selbst in Deutschland könnte die Bundesregierung dem Volk ihr mögliches "Ja" zu Griechenland-Hilfen nicht mehr seriös verkaufen.
Griechenland sollte sich also nicht zu sicher sein, neue Hilfen zu bekommen. Die Regierung von Alexis Tsipras muss ein ambitioniertes Reformprogramm vorlegen. Tut sie das, stehen die Zeichen eher auf Einigung denn auf Grexit. Macht Athen einmal mehr seine Hausaufgabe nicht, könnte Europa den Daumen endgültig senken.
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