
Nach dem Rücktritt des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras steht dem Sozialisten eine neue Kraftprobe bevor. Der linke Flügel seiner Regierungspartei Syriza spaltete sich ab und bildete unter dem Namen Volkseinheit (LAE) eine eigene Parlamentsgruppe. Wie der Anführer der 25 Abweichler, Panagiotis Lafazanis, in Athen bekanntgab, werden die Abgeordneten rasch auch eine neue gleichnamige Linkspartei gründen und bei den bevorstehenden Wahlen antreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet von Griechenland die Einhaltung der versprochenen Reformen - unabhängig vom Ausgang der geplanten Wahlen.
Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos nahm Tsipras' Rücktrittsgesuch am Donnerstagabend an. Nur wenige Stunden zuvor hatte Griechenland die ersten 13 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfsprogramm der Euro-Partner erhalten und damit Schulden in Höhe von 3,4 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beglichen. Das Gesamtvolumen des Pakets beträgt bis zu 86 Milliarden Euro und sieht massive Sparauflagen vor. Die Eurostaaten hatten monatelang über die neuen Griechenland-Hilfen gestritten.
Alexis Tsipras und die Schuldenkrise
Das Syriza-Linksbündnis unter Tsipras gewinnt die vorgezogenen Neuwahlen mit gut 36 Prozent. Seine Popularität verdankt er der Ablehnung des mit den internationalen Geldgebern vereinbarten Sparkurses. Tsipras schmiedet ein umstrittenes Regierungsbündnis mit den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen.
Die Euro-Finanzminister verlängern das Hilfsprogramm von Ende Februar bis Ende Juni 2015.
Tsipras trifft zu seinem ersten offiziellen Besuch in Berlin ein. Mit einer Reformliste will er bei Kanzlerin Angela Merkel für sich werben.
Die Krise im pleitebedrohten Griechenland verschärft sich. Das Tauziehen um Reformen geht weiter. Tsipras gerät in der eigenen Partei unter Druck, weil der linke Flügel gegen weitere Zugeständnisse an die Geldgeber ist.
Tsipras kündigt vor dem entscheidenden Treffen der Eurogruppe ein Referendum über die Sparvorschläge der Geldgeber an und zieht damit deren Ärger auf sich. Kurz vor dem Auslaufen des zweiten Hilfspakets bittet er um ein drittes Hilfsprogramm unter dem Euro-Rettungsschirm ESM.
Tsipras will nach dem Nein der Griechen zu den Sparvorgaben der Gläubiger neue Verhandlungen. Bei einer Abstimmung im Parlament über das Spar- und Reformprogramm verfehlt er deutlich eine eigene Mehrheit, doch die Opposition stimmt überwiegend mit Ja. Sein Finanzminister Gianis Varoufakis tritt zurück. Kurz darauf entlässt Tsipras zahlreiche Regierungsvertreter seines linken Partei-Flügels. Beim Ja des Parlaments zu einem zweiten Reformpaket verfehlt er aber wiederum die eigene Mehrheit.
Tsipras kann die Experten der Gläubiger überzeugen: In den Verhandlungen über weitere Finanzhilfen bis zu 86 Milliarden wird eine Grundsatzeinigung erzielt. Aber der linke Syriza-Flügel läuft Sturm gegen die Sparmaßnahmen.
Bei der Abstimmung über das neue Hilfsprogramm verfehlt Tsipras erneut eine eigene Mehrheit seiner Koalition. Aus Regierungskreisen heißt es, er wolle nach Zahlung der ersten Tranche der Finanzhilfe die Vertrauensfrage stellen.
Der Bundestag stimmt weiteren Krediten zu. Die Euro-Finanzminister bewilligen die erste Kredittranche von 26 Milliarden Euro.
Tsipras will nach Angaben aus Regierungskreisen zurücktreten, um den Weg für vorgezogene Parlamentswahlen am 20. September zu ebnen. Er erhofft sich dadurch ein frisches Mandat, ehe die harten Sparmaßnahmen des neuen Sparprogramms greifen.
Tsipras strebt bei den Neuwahlen nach eigenen Worten ein neues, „starkes“ Regierungsmandat an: Jetzt, wo das milliardenschwere Hilfspaket unter Dach und Fach sei, wolle er gestärkt mit den internationalen Geldgebern über eine Umstrukturierung des Schuldenbergs verhandeln.
Wahrscheinlicher Wahltermin ist laut Regierungskreisen der 20. September. Tsipras hatte seit Januar in einer Koalition mit der rechtspopulistischen Anel-Partei die Regierung geführt.
Die neue Fraktion ist drittstärkste Kraft im Parlament - nach Syriza mit jetzt nur noch 124 Abgeordneten und der konservativen Nea Dimokratia (ND) mit 76 Abgeordneten.
„Getroffene Vereinbarungen gelten, auch über Wahltage hinaus“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Daran habe sich durch Tsipras' Rücktritt nichts geändert. „Natürlich erwartet die Bundesregierung - wie auch andere europäische Partner - die Umsetzung der Reformen, die in diesem Programm drinstehen.“ Die Linke versprach Tsipras Unterstützung, auch nach der Abspaltung des radikal-linken Flügels der Syriza-Partei.





Die SPD sieht nach den Worten von Fraktionsvize Carsten Schneider durch die Neuwahlen keine negativen Auswirkungen. Er gehe davon aus, dass Tsipras „im Endeffekt“ gestärkt werde und Griechenland besser durch die nächsten drei Jahre bringen könne, sagte Schneider im Radiosender MDR Info. FDP-Chef Christian Lindner warnte hingegen: „Wer weiß, ob sich eine nächste Regierung in Athen an die Zusagen der alten erinnert.“
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zeigte sich angesichts der bevorstehenden Neuwahlen gelassen. Eine breite Mehrheit im jetzigen Parlament stehe hinter dem Rettungspaket, sagte der niederländische Finanzminister. Dijsselbloem äußerte die Hoffnung auf schnelle Wahlen und dass „die pro-europäischen Kräfte den jetzigen Kurs fortsetzen können“. Tsipras hatte Dijsselbloem nach dessen Angaben am Donnerstag über den möglichen Rücktritt seines Kabinetts telefonisch informiert.
Am Freitag begannen in Athen die von der Verfassung vorgesehenen Sondierungen. Der Chef der stärksten Oppositionspartei, Evangelos Meimarakis von der Nea Dimokratia (ND), soll prüfen, ob seine Partei eine Regierungsmehrheit im Parlament findet. Die Erfolgschancen sind nach Einschätzung vieler Analysten gering. Wenn dieser Versuch einer Regierungsbildung scheitert, erhält die drittstärkste Partei ein weiteres dreitägiges Sondierungsmandat.
Solange die Sondierung andauert, bleibt Tsipras im Amt. Bleibt dieses Verfahren ohne Ergebnis, werden sofort vorgezogene Parlamentswahlen ausgerufen. Von diesem Tag an bis zu den Wahlen muss laut Verfassung einer der höchsten Richter des Landes eine Interimsregierung führen.
Tsipras hatte bereits am Donnerstagabend erklärt, er sehe derzeit keine Möglichkeit, eine eigene Mehrheit zu finden. Damit gab er nach Auffassung von Verfassungsexperten das Sondierungsmandat bereits zurück.