Griechenland Noch eine Krise kann sich Europa nicht leisten

Griechenland muss sparen und Reformen durchsetzen. Beides klappt nicht besonders gut. Dennoch vermeiden Geldgeber derzeit jeden Ärger mit Athen. Das sind die Gründe.

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Alexis Tsipras Quelle: REUTERS

Das Ambiente sollte zur Botschaft passen, deshalb verkündete Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras seinen Gruß zum orthodoxen Osterfest an Bord der Fregatte Adrias. „Wir lassen die harten Zeiten hinter uns und schauen mit Optimismus in eine bessere Zukunft“, sagte Tsipras – hinter sich einen strahlend blauen Himmel und das noch blauere Ägäische Meer.
Würde sich Tsipras weniger auf schöne Bilder als auf harte Zahlen konzentrieren – jeglicher Optimismus wäre verflogen. Griechenlands Steuerzahler schulden dem Staat mittlerweile mehr als 87 Milliarden Euro. Ende 2012 lag diese Summe bei 55 Milliarden.
Die Ausstände im Sozialsystem betrugen Ende des ersten Quartals beinahe 16 Milliarden Euro. Von der angekündigten besseren Zukunft findet sich in den Staatsfinanzen keine Spur. Dennoch fühlt Tsipras sich in diesen Tagen sehr stark. Daher weigert sich die griechische Regierung nach wie vor, wichtige Teile der im August 2015 vereinbarten Auflagen umzusetzen – und verlangt dennoch die Auszahlung der nächsten Kredittranche in Höhe von 4,9 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfspaket.

Tsipras kommt nicht nur zugute, dass sich die Geldgeber untereinander um die Notwendigkeit eines Schuldenschnitts streiten. Entscheidender ist vielmehr, dass die Briten am 23. Juni über ihren Verbleib in der EU abstimmen wollen. Vor diesem Termin soll die Griechenlandkrise keinesfalls erneut aufflackern, und eventuelle Neuwahlen, die regierungsnahe Medien ins Spiel gebracht haben, sollen schon gar nicht stattfinden. „Er hat einen gewissen Hebel“, heißt es bei den europäischen Geldgebern, „keiner will, dass es Ärger gibt.“
Also werden sich die Finanzminister der Euro-Zone bei ihrem Treffen am kommenden Montag auf alles konzentrieren, was sich als Fortschritt verkaufen lässt. Im Prinzip sei im vereinbarten Programm nur noch die Reform der Einkommensteuer strittig, heißt es in Brüssel. „Nachdem die Spielräume bei den Renten nahezu ausgeschöpft sind“, wie der Parlamentarische Staatssekretär Jens Spahn (CDU) Abgeordneten des Bundestags-Europaausschusses in einem Schreiben versichert hat, drängt auch die Bundesregierung auf höhere Steuereinnahmen.

Sechs Szenarien

Im griechischen Steuersystem bleiben Einkünfte bis 9545 Euro jährlich faktisch steuerfrei. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) fallen 55 Prozent der Haushalte unter diese Grenze, die höher liege als in besser situierten EU-Ländern. Das soll sich nun ändern. Darüber hinaus soll das griechische Parlament Vorratsbeschlüsse fassen für den Fall, dass der Haushaltsüberschuss ohne Schuldendienst bis 2018 nicht auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sinkt. So hatte es Griechenland 2015 mit den Geldgebern vereinbart. Doch Finanzminister Euclid Tsakalotos lehnt es ab, bestimmte Sparmaßnahmen zu benennen, das verstoße gegen die griechische Verfassung. „Wir werden auf die Bedenken Rücksicht nehmen“, heißt es bei der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und IWF. Spätestens am 20.

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Juli aber benötigt die Regierung Tsipras frisches Geld, denn dann muss sie der Europäischen Zentralbank Schulden von 2,3 Milliarden Euro plus Zinsen zurückzahlen (siehe Grafik). Bis dahin müssen sich die Geldgeber auch auf Schuldenerleichterungen geeinigt haben. Zu diesem Zweck werden die Finanzminister der Euro-Zone Excel-Tabellen studieren, in denen aufgeschlüsselt ist, wie die Laufzeiten der griechischen Kredite um 7, 12 oder 15 Jahre verlängert werden könnten. Der Kalkulation zugrunde liegen sechs verschiedene Szenarien mit unterschiedlich starken Wachstumsraten. Es ist eine Rechnung mit vielen Unbekannten, und die Verhandlungen könnten sich ziehen, schon weil Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Schuldenerleichterungen skeptisch sieht.

Bisher ist Tsipras mit seinem Wunsch nach einem Sondergipfel für Griechenland in Brüssel abgeblitzt, auf dem er die nächste Zahlung durchsetzen will. Aber niemand kann garantieren, dass den Finanzministern der Durchbruch bei den Schuldenerleichterungen gelingen wird. Von den Geldgebern ist zu vernehmen, dass Tsipras durchaus seinen Sondergipfel bekommen könne.

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