
„Ich klebe nicht an irgendeinem Stuhl“, sagte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou gestern Abend vor dem Parlament. Daher werde er nicht zurücktreten. Vielmehr wolle er die „Gespräche mit der Opposition“ fortsetzen und die Bildung einer Übergangsregierung forcieren. Griechenland könne es sich in dieser schwierigen Zeit nicht leisten, ohne Regierung dazustehen.
Es ist der letzte Versuch Papandreous, an der Macht zu bleiben. Dass er nicht an seinem Amt hängt, glauben ihm im Parlament die wenigsten. Dass er auch noch morgen im Amt ist, glaubt keiner.
Der Premier führt einen Kampf, den er aller Voraussicht nach schon verloren hat. Denn die eigene Partei hat genug von dem Zick-Zack-Kurs ihres Regierungschefs: Mindestens zwei Abgeordnete der regierenden „PASOK“-Partei haben öffentlich erklärt, Papandreou bei der Vertrauensfrage am Abend fallen zu lassen. Selbst wenn nur sie bei ihrem Nein bleiben, steht Papandreou ohne Mehrheit da.
Griechenland vor der Vertrauensfrage
Gegen Mitternacht wird Giorgos Papandreou die Vertrauensfrage stellen. Im griechischen Parlament sitzen 300 Abgeordnete. 152 Sitze kann die Regierung für sich beanspruchen. Bei der Vertrauensfrage braucht Papandreou 151 positive Stimmen. Mindestens zwei Abgeordnete erklärten bereits öffentlich, nicht für Papandreou stimmen zu wollen. Damit hätte der Regierungschef keine Mehrheit.
Stimmt die Mehrheit des Parlaments nicht pro Papandreou ist nicht nur der Regierungschef, sondern die gesamte Regierung gescheitert. Innerhalb von 30 Tagen müssten Neuwahlen stattfinden.
Die Auszahlung der sechsten Tranche über acht Milliarden Euro ist derzeit eingefroren. Die Eurogruppe will erst „Taten sehen“, ehe sie die Zahlungen freigibt. Bis zum 15. Dezember braucht Griechenland laut Finanzminister Evangelos Venizelos das Geld. Sonst ist Griechenland pleite.
Nach nur drei Jahren und einem Monat im Amt wäre Papandreou gescheitert. Um das zu verhindern, spielt der Ministerpräsident auf Zeit. Papandreou forderte die Abgeordneten seiner sozialistischen Fraktion auf, ihm am Abend das Vertrauen auszusprechen, damit er weiter für die Bildung einer Übergangsregierung arbeiten könne. Der Noch-Regierungschef soll nach Informationen des griechischen TV-Senders NET eine große Koalition mit der oppositionellen „Nea Dimokratia“ anstreben. Diese „Regierung der nationalen Einheit“ solle etwa für ein halbes Jahr die Geschicke des Landes übernehmen. Danach stellte Papandreou Neuwahlen in Aussicht.
Opposition fordert den Rücktritt
Auf diese Spielchen will sich der politische Gegner aber nicht einlassen. Oppositionschef Antonis Samaras fordert weiterhin den Rücktritt Papandreous. Seine Partei sei bereit, die Sparprogramme mitzutragen – sollte Papandreou das Feld räumen.
Mit Papandreou, so scheint es, gibt es für Griechenland keinen Weg aus der Regierungskrise. Gegen Mitternacht aber könnte das Parlament Papandreou ablösen – und Griechenland erlösen.