Griechenland Schäuble: "Einvernehmen" zwischen Athen und Gläubigern

Das Treffen der Euro-Finanzminister auf Malta startet unter positiven Vorzeichen. Griechenland und seine Geldgeber haben sich im zähen Ringen um weitere Hilfsmilliarden auf einen Kompromiss geeinigt.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) Quelle: dpa

Auf dem Weg zu weiteren Hilfen für das überschuldete Griechenland haben Athen und die internationalen Geldgeber eine wichtige Hürde genommen. Nach langem Streit über weitere Reformen und Sparmaßnahmen erreichten beide Seiten am Freitagmorgen einen Durchbruch, wie Verhandlungskreise der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte vor einem Treffen mit seinen Kollegen aus der Eurogruppe auf Malta, ihm sei berichtet worden, es gebe „zwischen den Institutionen einschließlich der griechischen Regierung über die politischen Maßnahmen ein Einvernehmen. Deshalb glaube ich, der größte Teil der Wegstrecke ist zurückgelegt, und jetzt müsste es eigentlich auch gehen.“ Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem bestätigte, man habe „Ergebnisse erzielt“. Zunächst werde er jedoch die Finanzminister unterrichten.

Erreicht wurde nach Angaben aus Verhandlungskreisen ein Kompromiss über zusätzliche Sparmaßnahmen und Reformen. Dabei ging es um Einschnitte im Rentensystem und eine Senkung des Steuerfreibetrags in den Jahren ab 2019. Nun seien die Voraussetzungen gegeben, dass Vertreter der Geldgeber nach Athen zurückreisen und dort die Überprüfung der griechischen Reformen offiziell abschließen, hieß es. Das wiederum ist Bedingung für die Auszahlung weiterer Milliarden aus dem 2015 beschlossenen dritten Hilfsprogramm an Athen.

Der Kompromiss vom Freitag ist nur ein Zwischenschritt, aber ein politisch bedeutsamer. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte zuletzt damit gedroht, einen EU-Sondergipfel zu beantragen, wenn es am Freitag kein Einigung gebe.

Griechenland ist seit 2010 von Unterstützung der europäischen Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) abhängig. Diese verlangten dafür tiefe Einschnitte in die Sozialsysteme, höhere Steuern, einen Umbau des Arbeitsmarkts und Privatisierungen. Die Hilfen kommen in Raten. Vor neuen Auszahlungen wird überprüft, ob Athen seine Zusagen gehalten hat und auf dem Weg zur Sanierung der Staatsfinanzen wie gewünscht vorankommt.

Dies schätzten die europäischen Partner - die EU-Kommission, der Rettungsschirm ESM und die Europäische Zentralbank - zuletzt positiver ein als der IWF. Schäuble sagte aber: „Wir sehen, dass Griechenland im vergangenen Jahr eine gute Entwicklung gemacht hat, dass es in der Entwicklung seiner Nettoverschuldung sehr viel besser sich entwickelt hat, als etwa der IWF vorhergesehen hat.“ Der IWF sei in seinen Prognosen oft zu pessimistisch gewesen.

Wie Europas Währungen ohne Euro auf- oder abwerten müssten
Das SzenarioDer US-Finanzriese Bank of America Merrill Lynch (BoA) wollte es genauer wissen: Analyst Athanasios Vamvakidis hat den Euro-Währungsraum unter der Maßgabe genauer unter die Lupe genommen, dass die Euro-Zone auseinanderbricht und der Euro abgeschafft wird. Hintergrund sind neben den hohen Staatsschulden einzelner Peripheriestaaten vor allem das absehbare Ende der massiven Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB), das sogenannte OMT-Programm, und in der Folge wieder steigende Zinsen. Nur die Geldpolitik der EZB hat 2012 eine Eskalation der Staatsschuldenkrise verhindert, in dem die Kreditkosten für die Peripheriestaaten auf ein historisches Tief gedrückt wurden. Was also passiert, wenn das OMT-Programm endet? Quelle: dpa
Schatten-WechselkurseDie BoA-Experten erwarten, dass die EZB das OMT-Programm im kommenden Jahr reduziert und schrittweise auslaufen lässt. Dadurch würden auch die Finanzierungskosten der Staaten wieder ansteigen, obwohl es länger dauern dürfte, die Leitzinsen wieder anzuheben. Insgesamt rechnet die BoA dann mit höheren Schuldenquoten in Italien, Spanien, Portugal und Griechenland als 2012 auf den Höhepunkt der Euro-Schuldenkrise. Ohne einschneidende Reformen steigt somit das Risiko, dass die Euro-Zone auseinanderbricht. Dies vor Augen hat BoA-Analyst Vamvakidis Schattenwechselkurse für die nationalen Nachfolgewährungen gegenüber dem heutigen Euro berechnet. Diese legen Währungsunterschiede zwischen den Euro-Staaten offen, die derzeit durch die Gemeinschaftswährung verborgen sind. Quelle: dpa
GriechenlandGriechenland bleibt das Sorgenkind der Euro-Zone. Trotz spürbarer Fortschritte liegt die Überbewertung Griechenlands zusammen mit der Spaniens an der Spitze. Die griechische Drachme müsste deshalb nach heutigem Stand um 7,5 Prozent abwerten. Immerhin: Vor der Krise lag der Abwertungsbedarf eher bei 30 Prozent, insofern war die Verbesserung deutlich. Nur ein Land der Euro-Zone ist aktuell so stark überbewertet wie Griechenland. Quelle: dpa
SpanienMüsste Spanien zur Peseta zurückkehren, wäre laut BoA eine Abwertung der spanischen Währung um 7,5 Prozent erforderlich. Gegenüber dem Abwertungsbedarf vor der Krise von rund 14 Prozent ist das schon eine Stabilisierung. Allerdings haben sich Spaniens Staatsschulden seit 2008 nahezu verdreifacht. Dank der Geldpolitik der EZB hat sich die Zinsbelastung des Staates jedoch nur um 80 Prozent erhöht. Quelle: Fotolia
FrankreichBräche der Euro heute auseinander, müsste der Franc um fünf Prozent abwerten – und damit deutlich mehr als zu Vorkrisenzeiten. Damals lag die Überbewertung bei nur zwei Prozent. Insgesamt, so Studienautor Vamvakidis, sei die Überbewertung jedoch zu gering, um die Forderungen der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach einem Frexit und einer anschließenden Abwertung des Franc zu rechtfertigen. Quelle: dpa
ItalienItalien bleibt etwas überbewertet, so dass die italienische Lire nur um drei Prozent abwerten müsste, um einen angemessenen Wechselkurs zu erreichen. Vor der Krise betrug die Überbewertung noch 7,5 Prozent. Seit 2012 ist die Zinsbelastung des Staates deutlich gesunken. Quelle: dpa
PortugalAuch in Portugal hat sich die wirtschaftliche Lage deutlich gebessert, so dass der Escudo nach heutigen Maßstäben nur noch leicht, nämlich um ein Prozent abwerten müsste, um im Gleichgewicht mit den übrigen Euro-Staaten zu notieren. Quelle: dpa

Eine gemeinsame Sicht der Gläubiger ist wichtig. Schäuble beharrt darauf, dass sich der IWF finanziell an dem bisher nur von Europa getragenen Griechenland-Programm beteiligt. Andernfalls könnten keine weiteren Gelder fließen, betonte Schäuble vor einigen Wochen. Jetzt sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“: „Ich erwarte, dass der IWF an Bord bleibt. Es ist dabei nicht so relevant, mit welcher Summe er sich beteiligt; entscheidend ist, dass er es tut.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier würdigte vor einem Besuch in Griechenland die Bemühungen des Landes, mahnte aber auch weitere Reformen an. Griechenland sei noch nicht am Ende des Weges angekommen, sagte Steinmeier der Tageszeitung „Kathimerini“. „Weitere Reformen werden erforderlich sein, selbst wenn die wirtschaftlichen Indikatoren sich verbessern“, betonte er. Zu wünschen sei, dass diese Reformen sowohl Wachstum als auch gesellschaftlichen Zusammenhalt förderten. Steinmeier wurde am Freitagnachmittag in Athen erwartet.

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