Während sich die meisten Ökonomen sicher sind, dass ein Grexit einen Kollaps für die griechische Wirtschaft zufolge hätte, herrscht über die möglichen Folgen für den Rest der Euro-Zone Uneinigkeit.
„Sollten die Südstaaten abermals Opfer von Spekulationen auf den Finanzmärkten werden, wird das zu einem schwächeren Wachstum in Deutschland führen“, sagt Fratzscher. Solche Spekulationen führten zu einem Vertrauensverlust bei Unternehmen und Konsumenten, und damit zu einer schwächeren Nachfrage. „Das ist der Mechanismus, der mir die größten Sorgen bereitet.“
Zwischen Streit und Einigung: Die Griechenland-Krise
Euroländer und der IWF sagen, dass sie nicht weiter Milliarden an Rettungsgelder in einen Staat pumpen können, der sich nicht modernisieren will.
Griechenlands Problem wurde ursprünglich dadurch ausgelöst, dass sich das Land vor einem Jahrzehnt - in den guten Zeiten - sozusagen mit billigen Krediten vollfraß. Folglich sollte es sich jetzt darauf konzentrieren, Kosten zu senken. Die bisherigen Hilfen für Griechenland liegen bei 240 Milliarden Euro. Seit die Zahlung der Rettungsgelder 2010 begann, hat Athen Einschnitte bei Pensionen, staatlichen Jobs und Sozialausgaben vorgenommen, staatliche Vermögenswerte veräußert und Steuern erhöht.
Weitere Hilfen machen die Gläubiger von Reformen für effizientere Staatsverwaltung und Unternehmensregeln abhängig. So soll Athen unter anderem zahlreiche Steuerfreibeträge abschaffen, Massenentlassungen bei in Schwierigkeiten steckenden Unternehmen leichter machen und ein umfassendes Privatisierungsprogramm neu auflegen.
Um sicher zu sein, dass Athen die Kredite auch zurückzahlen kann, wollen die Gläubiger Zusagen, dass diese Extra-Reformen auch durchgeführt werden.
Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras kam hauptsächlich mit einem Versprechen an die Macht: Die Sparmaßnahmen zu beenden, auf die sich vorherige Regierungen eingelassen hatten. Tsipras argumentiert, dass die Maßnahmen umgestaltet werden müssten, um das Wachstum zu stimulieren. Es dürfe nicht nur um Schuldenabbau gehen. Er macht die Einschnitte für eine humanitäre Krise im Land verantwortlich: Die Wirtschaft ist um ein Viertel geschrumpft, mehr als 25 Prozent der Menschen sind arbeitslos und sogar noch mehr ohne Krankenversicherung.
Bei den neuen Reformvorschlägen konzentriert sich Tsipras hauptsächlich auf die Bekämpfung von Steuerflucht der Reichen. Dem Staat wird das aber nur begrenzt mehr Geld einbringen, denn der größte Teil der massiven Steuerschulden entfällt auf normale Haushalte und bankrotte Unternehmen. Andere Maßnahmen wie weitere Privatisierungen oder eine Lockerung von Arbeitsschutzregeln lehnt die Tsipras-Regierung ab.
Um eine drohende Pleite abzuwenden, muss ein Kompromiss her. Volkswirtschaftlern zufolge ist die Eurozone besser vor finanzieller Instabilität geschützt, wenn Griechenland den Euroverbund verlässt. Herabstufungen der Bonitätsnote und ein Anstieg der Kreditzinsen in den vergangenen Wochen haben an den Märkten außerhalb Griechenlands wenig Panik ausgelöst. Für Griechenland würde ein Ausstieg aus der Eurozone zumindest kurzfristig großes wirtschaftliches Chaos bedeuten.
Um einen Deal zu erreichen, hat die Regierung in Athen einigen vordem von ihr abgelehnten Maßnahmen zugestimmt, beispielsweise einer andauernden Aufsicht von außen über die Staatsfinanzen.
Der Schlüssel könnte am Ende in Tsipras' Popularität liegen, meint Gianis Palaiologos, ein angesehener griechischer Finanzkommentator. Demnach könnte der Regierungschef einen Kompromiss eingehen, einige kostensparende Reformen im Gegenzug zu bescheideneren Haushaltszielen akzeptieren.
Solche Auswirkungen sieht Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer dagegen nicht. „Es würden kurzfristig Turbulenzen auf den Finanzmärkten auftreten“, sagt er. „Auf die deutsche Konjunktur dürfte das allerdings nicht durchschlagen, weil die Währungsunion stabil bleiben wird. Und Griechenland selbst ist wirtschaftlich zu klein, als es durch eine einbrechende Nachfrage die deutsche Wirtschaft nach unten ziehen könnte.“
Als Exportland ist Griechenland für deutsche Unternehmen in der Tat kaum noch relevant. Laut Auswärtigem Amt ist Griechenland aktuell nur auf Rang 40 der Importeure deutscher Waren. Im Jahr 2014 exportierten deutsche Unternehmen gerade einmal Waren im Wert von 4,96 Milliarden Euro dorthin.
Welche politische Konsequenzen hat ein Grexit?
Griechenland werde nach einem Austritt aus der Währungsunion eine „Phase des ökonomischen Chaos“ durchmachen, sagt Krämer. Viele ausländische Lieferanten dürften auf Vorkasse bestehen. Und viele griechische Unternehmen und Haushalte würden nach Einführung einer weichen Drachme nicht genügend harte Euro haben, um die teuer gewordenen Importe zu zahlen.
Ökonomen erwarten einen weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit, Kapitalflucht, einen Bankenkollaps. Um die beim IWF und den Euro-Partnern angesammelten Schulden zu tilgen, hat das Land in diesem Zustand nicht die notwendigen Ressourcen. Das wird die Regierungen in den Geberstaaten unter Druck setzen – allen voran die deutsche.
Diese Regierungen scheiterten wegen der Euro-Krise
Mit Steuererhöhungen wollte die Regierung des Sozialisten Elio Di Rupo den Haushalt stabilisieren. Nach der Wahlniederlage im Mai 2014 führte Charles Michel eine konservativ-liberale Regierung.
Im Februar 2013 löste der Konservative Nikos Anastasiades den linken Präsidenten Dimitris Christofias ab, der bei der Lösung der Finanzprobleme des pleitebedrohten Eurolandes erfolglos blieb.
Im November 2011 trat Silvio Berlusconi nach massivem Druck der Finanzmärkte zurück. Ex-EU-Kommissar Mario Monti führte die Übergangsregierung, bis auch er im Dezember 2012 zurücktrat.
Im Juni 2012 übernahmen die Sozialisten die Regierung, nachdem die UMP des im Mai abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy abgestürzt war. François Hollande löste den durch die Krise schwer belasteten Sarkozy ab.
In der Finanzkrise gab Premier Giorgios Papandreou von der linken Pasok-Partei Ende 2011 auf. Seine Nachfolge trat der parteilose Lucas Papademos an. Bei der Wahl im Mai 2012 verloren die Unterstützer des Sparprogramms die Mehrheit und Samaras übernahm das Steuer.
Im April 2012 kam die Regierung unter Mark Rutte im Streit um den Sparkurs zu Fall. Im September gewann er erneut die Wahl und schmiedete ein Bündnis mit neuen Koalitionspartnern.
Seit Februar 2012 ist eine Mitte-Rechts-Regierung unter Janez Jansa im Amt. Die vorige Regierung stürzte, weil sie die rasant steigende Verschuldung nicht eindämmen konnte.
Die Krise bestimmte maßgeblich den Ausgang der vorgezogenen Wahl im November 2011. Die Sozialisten erlebten ein Debakel, der konservative Mariano Rajoy folgte auf José Luis Rodríguez Zapatero.
Die christlich-liberale Premierministerin Iveta Radicova verknüpfte die Abstimmung im Oktober 2011 über eine Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF mit der Vertrauensfrage und verlor. Im März 2012 gewannen die Sozialdemokraten mit Robert Fico.
Die sozialistische Regierung von José Sócrates wurde angesichts der schweren Wirtschaftskrise im Juni 2011 abgewählt. Pedro Passos Coelho führte dann eine liberal-konservative Regierung.
Bei der Parlamentswahl im Februar 2011 wurde die wirtschaftsliberale Fianna Fail unter Premier Brian Cowen abgestraft. Premier wurde Enda Kenny von der konservativen Fine Gael.
Denn in diesem Fall müssten Angela Merkel und Sigmar Gabriel eingestehen, dass ein großer Teil der öffentlichen Forderungen gegenüber Griechenland nicht mehr beglichen wird – auch den anderen Geberländern ginge es so. Insgesamt 380 Milliarden Euro hat Griechenland an Subventionen, Hilfen und Krediten erhalten. „Die Rettungspolitik wäre damit gescheitert“, so Krämer.
Die Summe, um die es für die Bundesregierung geht, beziffert Fratzscher auf rund 70 Milliarden Euro. Sie umfasst Garantien die Deutschland im Rahmen der Rettungsschirme ESFS und ESM gegeben hat sowie bilaterale Kredite der KfW. Heinemann schätzt, dass die amtierende deutsche Regierung wegen des Kreditausfalls ein Haushaltsdefizit von zwei oder drei Prozent ausweisen müsste.
Das Ganze ist allerdings nur ein buchhalterischer Effekt. Die meisten Experten glaubten ohnehin nicht mehr daran, dass Griechenland noch zu einer Tilgung seiner Schulden fähig ist, die Gelder sind wohl auch ohne Grexit verloren.