
Von der Staatspleite bedroht und im Streit mit den Europartnern gefangen ist Griechenland erneut in die Rezession gerutscht. Zum Jahresauftakt ging die Wirtschaftsleistung im Vergleich zu den drei Monaten zuvor um 0,2 Prozent zurück, wie die Statistikbehörde Elstat am Mittwoch in Athen mitteilte. Bereits im Schlussquartal des Vorjahres war das Bruttoinlandsprodukt um 0,4 Prozent geschrumpft.
Im Euroland ist Athen unter der neuen Links-Rechts-Regierung, die seit Januar im Amt ist, wirtschaftlich noch stärker ins Abseits geraten. Vom allmählich breiteren Aufschwung im Euroraum bekommt Griechenland nichts ab.
Was droht Griechenland und seinen Banken?
Die EZB verleiht Geld nur an Geschäftsbanken, die als Sicherheiten Wertpapiere hinterlegen, denen Ratingagenturen gute Noten geben. Das ist bei Griechenland-Anleihen nicht der Fall. Bislang machten die Währungshüter eine Ausnahme, weil Athen ein EU-Sanierungsprogramm mit harten Reformauflagen durchlief. Diese Grundlage ist nun weggefallen: Die Regierung des linksgerichteten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras lehnt das EU-Rettungsprogramm ab. Die EZB begründete ihre Entscheidung damit, dass man im Moment nicht davon ausgehen könne, dass Hellas sein Reformprogramm erfolgreich abschließen wird.
Ende Dezember 2014 hatten sich die griechischen Banken rund 56 Milliarden Euro bei der EZB beschafft. Davon entfielen nach Angaben der Commerzbank 47 Milliarden Euro auf kurzfristige Geschäfte, die inzwischen ausgelaufen sein dürften - und die nur wiederholt werden können, wenn die Institute andere Sicherheiten haben als griechische Staatsanleihen. Die übrigen neun Milliarden Euro steckten in Langfristgeschäften. „Das Geld muss zurückbezahlt werden, wenn es in diesem Umfang keine anderen Sicherheiten gibt“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nein. Die Institute können vorerst bei der griechischen Zentralbank ELA-Notkredite nachfragen. Der EZB-Rat hat dafür ein Volumen von bis zu rund 60 Milliarden Euro bewilligt. Damit könnte das Refinanzierungsvolumen griechischer Banken bei der EZB vollständig in eine ELA-Finanzierung überführt werden, schreiben Ökonomen der BayernLB: „Es wäre aber nur wenig Raum vorhanden, um einen weiteren Abfluss von Einlagen zu kompensieren.“ Ein weiterer Haken für die Banken: EZB-Kredite kosten aktuell 0,05 Prozent, ELA-Notkredite 1,55 Prozent. Der Vorteil für die EZB und Europas Steuerzahler: Sie müssen nicht geradestehen, wenn die Kredite ausfallen. Das Risiko liegt bei der Zentralbank in Athen und damit beim Steuerzahler Griechenlands.
Nein. Der EZB-Rat kann diesen Geldhahn mit Zwei-Drittel-Mehrheit zudrehen. ELA darf nur an Institute vergeben werden, die zwar vorübergehende Liquiditätsengpässe haben, aber solvent sind. Das wird ohne ein Hilfsprogramm oder zumindest die begründete Erwartung, dass ein neues Programm schnell in Kraft tritt, unwahrscheinlicher. Die Experten der BayernLB sind daher überzeugt: „Sollte sich Griechenland mit seinen Gläubigern bis Ende Februar nicht zumindest auf eine Brückenfinanzierung einigen, ist damit zu rechnen, dass die EZB griechische Banken von der ELA-Finanzierung ausschließt.“
Dann dürfte den Banken sehr schnell das Geld ausgehen. „Wenn die EZB ELA abklemmt, haben die Institute keinen Zugriff mehr aus EZB-Liquidität. Das wäre der Rausschmiss, Griechenland würde die Währungsunion faktisch verlassen“, sagt Commerzbank-Experte Krämer. Daher sei die Entscheidung auch eine politische. Experten der UBS sehen das ähnlich: „In dem Moment, in dem die EZB das ELA-Fenster schließt, müssen die Verhandlungspartner entweder sofort Kompromisse finden, oder Griechenlands Banken kommen nicht mehr an Geld.“ Um einen Bankenkollaps zu verhindern, müsse Athen dann umgehend eine eigene Währung einführen: „Das wäre das Ende Griechenlands im Euroraum und könnte eine gefährliche Kettenreaktion in Gang setzen.“
Denkbar wäre, die Laufzeit der Hilfskredite zu verlängern oder den Schuldendienst vorrübergehend auszusetzen. Krämer erwartet, dass am Ende auch die Bundesregierung einem „faulen Kompromiss“ zustimmen würde: „Denn bei einem Austritt Griechenlands schlitterte das Land ins Chaos und die Bundesregierung müsste ihren Wählern erklären, dass die direkt und indirekt auf Deutschland entfallenen Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 61 Milliarden Euro verloren wären.“
Vor einem Jahr hatte die griechische Wirtschaft im ersten Quartal noch mit plus 0,8 Prozent ihr erstes Wachstum seit fast fünf Jahren erreicht. Auch die darauffolgenden beiden Quartale waren noch positiv. Zuvor steckte das Land seit 2008 in der Rezession fest.
„Wie erwartet hat der desaströse Start der griechischen Regierung das Land von einer beginnenden Erholung zurück in die Rezession geführt“, unterstrich Ökonom Christian Schulz vom Bankhaus Berenberg. Dabei hatte die EU für das laufende Jahr noch im Winter 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum erwartet, nach jüngster Schätzung sollen es 2015 nur noch 0,5 Prozent werden.





Vor allem wird die Unsicherheit im Land beklagt, ob Athen in eine Staatspleite rutscht und ein Euro-Austritt folgen könnte. Der neuen Regierung, die gegen den bisherigen Spar- und Reformkurs antrat, gelang es bislang nicht, die Wirtschaft anzukurbeln. Sie ist im Schuldenstreit mit den Geldgebern verstrickt.
Die Verhandlungen mit den Europartnern über noch blockierte Gelder aus dem schon mehrfach verlängerten Rettungspaket kommen nicht von der Stelle. Bis Anfang Juni soll nun eine Lösung gefunden werden. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem äußerte sich am Mittwoch im niederländischen Fernsehen zu den Verhandlungen aber skeptisch: „Wir zerren und wir ziehen.“ Eile sei geboten. „Die Zeit läuft echt ab.“ Die Meinungen zwischen Griechenland und anderen Euro-Ländern über die notwendigen Reformen lägen noch weit auseinander.
Athen zapft inzwischen die letzten Geldreserven an, um die Staatsbediensteten bezahlen und seinen Verpflichtungen auch international nachkommen zu können. Nur kurzfristig kann sich das Land noch Gelder am Kapitalmarkt leihen. Am Mittwoch nahm es insgesamt 1,138 Milliarden Euro in Form kurzlaufender Staatspapiere auf. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,7 Prozent. Am 15. Mai muss Athen 1,4 Milliarden Euro Schulden refinanzieren, was gelingen dürfte, weil nach Finanzkreisen das restliche Geld am Donnerstag aufgenommen werden dürfte.
Spekulationen über die mögliche Einführung einer Parallelwährung zum Euro wies Finanzminister Gianis Varoufakis am Mittwoch zurück. Darauf bereite sich die Regierung nicht vor, sagte er vor Reportern in Athen. „Es gibt keine Lösung mit zwei Währungen. Für die Regierung gibt es nur eine politische Lösung“, erklärte Varoufakis.
In den vergangenen Tagen waren vor allem in der internationalen Presse Berichte erschienen, wonach Athen sich angesichts einer drohenden Staatspleite angeblich auf die Einführung einer Parallel-Währung vorbereite.