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Griechenland Wirtschaft rutscht erneut in die Rezession

Kaum noch Geld in den Kassen, hohe Schulden - und statt Wachstum der Wirtschaft jetzt auch noch Talfahrt. Für Griechenland könnte es kaum schlimmer kommen.

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Finanzminister Gianis Varoufakis Quelle: dpa

Von der Staatspleite bedroht und im Streit mit den Europartnern gefangen ist Griechenland erneut in die Rezession gerutscht. Zum Jahresauftakt ging die Wirtschaftsleistung im Vergleich zu den drei Monaten zuvor um 0,2 Prozent zurück, wie die Statistikbehörde Elstat am Mittwoch in Athen mitteilte. Bereits im Schlussquartal des Vorjahres war das Bruttoinlandsprodukt um 0,4 Prozent geschrumpft.

Im Euroland ist Athen unter der neuen Links-Rechts-Regierung, die seit Januar im Amt ist, wirtschaftlich noch stärker ins Abseits geraten. Vom allmählich breiteren Aufschwung im Euroraum bekommt Griechenland nichts ab.

Was droht Griechenland und seinen Banken?

Vor einem Jahr hatte die griechische Wirtschaft im ersten Quartal noch mit plus 0,8 Prozent ihr erstes Wachstum seit fast fünf Jahren erreicht. Auch die darauffolgenden beiden Quartale waren noch positiv. Zuvor steckte das Land seit 2008 in der Rezession fest.

„Wie erwartet hat der desaströse Start der griechischen Regierung das Land von einer beginnenden Erholung zurück in die Rezession geführt“, unterstrich Ökonom Christian Schulz vom Bankhaus Berenberg. Dabei hatte die EU für das laufende Jahr noch im Winter 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum erwartet, nach jüngster Schätzung sollen es 2015 nur noch 0,5 Prozent werden.

Das sind Griechenlands führende Köpfe
Alexis TsiprasGeballte Faust, offener Hemdkragen, starke Worte: Der neue griechische Ministerpräsident präsentierte sich im Wahlkampf kämpferisch und als Mann des Volkes. Der 40-Jährige ist redegewandt; er gibt sich freundlich und umgänglich. Viele Griechen, die ihren Job verloren haben und sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen, versprechen sich von ihm echte Verbesserungen im Alltag. Unmittelbar nach dem Wahlsieg signalisierte „O Alexis“ (Der Alexis), wie er von seinen Anhängern genannt wird,  den internationalen Geldgebern Gesprächsbereitschaft. „Es wird keinen katastrophalen Streit geben“, sagte er vor jubelnden Anhängern. Doch schickte er auch eine Warnung hinterher: Griechenland werde sich den internationalen Kreditgebern nicht länger unterwerfen. Tsipras kündigte im Wahlkampf an, eine Allianz gegen Deutschland schmieden zu wollen. Spanier, Portugiesen, Italiener, Franzosen und Griechen sollen sich erheben und gegen das Spardiktat aus Berlin kämpfen, betonte er immer wieder. Quelle: AP
Giannis VaroufakisDer 53-Jährige neue Finanzminister soll den Kampf für die Rettung Griechenlands in der Eurogruppe führen. Sein Vorteil: Er ist vom Fach. Als Wirtschaftsprofessor hat er unter anderem in Sydney und Glasgow gelehrt. Zuletzt war er an der Universität von Texas in Austin angestellt. Seit Jahren betreut er ein populäres englischsprachiges Blog. Ganz damit aufhören will er auch als Finanzminister nicht. Der kahlrasierte Varoufakis treibt viel Sport und präsentierte sich schon in der Vergangenheit oft als streitsüchtig. Eine seiner bekanntesten Aussagen: „Wenn es in Griechenland kein Wirtschaftswachstum gibt, werden die Kreditgeber keinen Cent sehen.“ Quelle: AP
Giannis DragasakisDer 1947 auf Kreta geborene Ökonom ist das genaue Gegenstück zu dem draufgängerischen Varoufakis. In seinen eher seltenen Interviews und Fernsehauftritten gibt sich Dragasakis überlegt und höflich. Seine politische Laufbahn startete der grauhaarige Wirtschaftsexperte vor rund 50 Jahren in der Kommunistischen Partei. Jahrzehntelang wirkte er dabei vor allem als Stratege. Dragasakis bringt als einziger im neuen griechischen Kabinett  Erfahrung als Regierungsmitglied mit. 1989 war er stellvertretender Wirtschaftsminister in einer überparteilichen Übergangsregierung des konservativen Ministerpräsidenten Xenophon Zolotas. Dragasakis engagierte sich über Jahre in verschiedenen Vorgängerbewegungen der heutigen Linkspartei Syriza. Dragasakis wird als stellvertretender Regierungschef die Aufsicht über den gesamten Bereich Finanzen und Wirtschaft haben und auch an den Verhandlungen mit den Geldgebern teilnehmen. Quelle: REUTERS
Panos KammenosDer Chef der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen, Panos Kammenos, ist auf den ersten Blick ein völlig unpassender Partner für Griechenlands neuen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras. Im Gegensatz zum Chef der linkspopulistischen Syriza fischte Kammenos seine Wähler am rechten Rand und schreckte dabei auch vor antisemitischer Stimmungsmache nicht zurück. Nun verhilft der 49-Jährige mit seiner Partei Anel „Syriza“ zur Macht. Im neuen Kabinett übernimmt er als Verteidigungsminister einen der Schlüsselposten. Was Tsipras und dem kräftigen, aufbrausenden Rechtspopulisten eint, ist die Ablehnung der Sparpolitik. Einst lief er  mit einem T-Shirt durchs Parlament auf dem stand: „Griechenland ist nicht zu verkaufen.“ Eine frühe Kampfansage an Brüssel und Berlin, wo Kammenos und Tsipras unisono die Hauptschuldigen für das „desaströse Spardiktat“ ausmachen. Kammenos ist von Haus aus Ökonom und einstiger Staatssekretär für die Handelsmarine. Schon mit 27 Jahren schaffte er den Sprung ins Parlament in seiner Geburtsstadt Athen. Fünf Mal wird er wiedergewählt, für die konservative Nea Dimokratia des gerade ausgeschiedenen Ministerpräsidenten Antonis Samaras. Als Samaras Anfang 2012 seine Unterschrift unter das "Memorandum" mit der Gläubiger-Troika setzt, kehrt Kammenos dem Regierungschef den Rücken. Er gründet die rechtspopulistische Partei Unabhängige Griechen (Anel). Quelle: REUTERS
Nikos KotziasNeuer griechischer Außenminister wird ein Technokrat, der Politik-Professor der Universität Piräus, Nikos Kotzias. Damit wolle Tsipras signalisieren, dass er einen ruhigen Kurs in außenpolitischen Themen fahren wolle, erklärten Analysten in Athen. Quelle: AP

Vor allem wird die Unsicherheit im Land beklagt, ob Athen in eine Staatspleite rutscht und ein Euro-Austritt folgen könnte. Der neuen Regierung, die gegen den bisherigen Spar- und Reformkurs antrat, gelang es bislang nicht, die Wirtschaft anzukurbeln. Sie ist im Schuldenstreit mit den Geldgebern verstrickt.

Die Verhandlungen mit den Europartnern über noch blockierte Gelder aus dem schon mehrfach verlängerten Rettungspaket kommen nicht von der Stelle. Bis Anfang Juni soll nun eine Lösung gefunden werden. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem äußerte sich am Mittwoch im niederländischen Fernsehen zu den Verhandlungen aber skeptisch: „Wir zerren und wir ziehen.“ Eile sei geboten. „Die Zeit läuft echt ab.“ Die Meinungen zwischen Griechenland und anderen Euro-Ländern über die notwendigen Reformen lägen noch weit auseinander.

Athen zapft inzwischen die letzten Geldreserven an, um die Staatsbediensteten bezahlen und seinen Verpflichtungen auch international nachkommen zu können. Nur kurzfristig kann sich das Land noch Gelder am Kapitalmarkt leihen. Am Mittwoch nahm es insgesamt 1,138 Milliarden Euro in Form kurzlaufender Staatspapiere auf. Die Rendite der versteigerten Papiere lag - wie bei einer vergleichbaren Auktion im Vormonat - bei 2,7 Prozent. Am 15. Mai muss Athen 1,4 Milliarden Euro Schulden refinanzieren, was gelingen dürfte, weil nach Finanzkreisen das restliche Geld am Donnerstag aufgenommen werden dürfte.

Spekulationen über die mögliche Einführung einer Parallelwährung zum Euro wies Finanzminister Gianis Varoufakis am Mittwoch zurück. Darauf bereite sich die Regierung nicht vor, sagte er vor Reportern in Athen. „Es gibt keine Lösung mit zwei Währungen. Für die Regierung gibt es nur eine politische Lösung“, erklärte Varoufakis.

In den vergangenen Tagen waren vor allem in der internationalen Presse Berichte erschienen, wonach Athen sich angesichts einer drohenden Staatspleite angeblich auf die Einführung einer Parallel-Währung vorbereite.

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