Neuer Tory-Chef Boris Johnsons Gegner bringen sich in Stellung

Boris Johnson ist neuer Tory-Chef: Seine Gegner haben sich schon in Stellung gebracht Quelle: dpa

Boris Johnson ist von den Parteimitgliedern zum neuen Tory-Parteichef gewählt worden und wird noch diese Woche Premier werden. Seine Kritiker in den eigenen Reihen waren schon vor der Entscheidung auf Konfrontationskurs.

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Großbritanniens neuer Premierminister Boris Johnson ist noch nicht einmal im Amt, da organisiert sich schon der Widerstand. Am Dienstagmittag hat die konservative Partei bekanntgeben, dass ihn die 160.000 Parteimitglieder zum neuen Parteichef gewählt haben. Am Mittwoch soll er als Nachfolger von Theresa May zum neuen Premierminister ernannt werden. Doch noch am Montag stahl ein führender Minister Johnson die Show. Alan Duncan, Staatsminister für Europa und Amerika, reichte seinen Rücktritt ein. Nicht nur das: Duncan startete auch gleich einen Umsturzversuch. Er machte sich für eine Abstimmung im Unterhaus stark, die klären sollte, ob das Parlament den neuen Premier unterstützt. Der „Speaker“ des Unterhauses, John Bercow, lehnte dieses Gesuch allerdings ab.

Erst am Sonntag hatten auch Schatzkanzler Philip Hammond und Justizminister David Gauke ihre Rücktritte für den Fall, dass Johnson Premier werden sollte, in Aussicht gestellt. Sie werden nun wohl beide noch am Mittwoch ihre Ämter niederlegen. Auch Entwicklungsminister Rory Stewart kündigte am Montag seinen Rücktritt an, sollte Johnson Großbritanniens neuer Premierminister werden.

Staatsminister Duncan äußerte in seinem Rücktrittsschreiben sein Bedauern über den Brexit-Prozess: „Es ist tragisch, dass wir genau dann, wenn wir die dominierende intellektuelle und politische Kraft in Europa hätten sein können, jeden Arbeitstag unter der dunklen Wolke des Brexits verbringen müssen.“

Duncan und Johnson hatten offenbar schon häufiger Meinungsverschiedenheiten als Johnson noch Außenminister war. Kürzlich kritisierte Duncan seinen ehemaligen Chef scharf, nachdem sich Johnson geweigert hatte, sich hinter den britischen Botschafter in Washington, Kim Darroch, zu stellen. Das Boulevardblatt „Mail on Sunday“ hatte Anfang Juli geheime diplomatische Korrespondenzen Darrochs veröffentlicht, in denen dieser US-Präsident Donald Trump scharf kritisierte. Trump ging daraufhin in die Offensive und erklärte, dass sich das Weiße Haus fortan weigern werde, mit Darroch zusammenzuarbeiten. Als Johnson Darroch in einer TV-Debatte seine Unterstützung versagte, trat dieser von seinem Posten zurück. Kritiker warfen Johnson daraufhin Feigheit und Prinzipienlosigkeit vor.

Großbritannien droht eine Verfassungskrise

Mehrere weitere hochrangige konservative Politiker hatten sich Berichten zufolge schon vor der Bekanntgabe darüber abgestimmt, wie sie auf Boris Johnsons Ernennung zum Premierminister reagieren wollen. Die moderaten „Rebellen“ bei den Tories lehnen Johnsons Vorhaben ab, Großbritannien am kommenden Brexit-Termin, dem 31. Oktober, aus der EU zu führen, ganz gleich, ob sich London bis dahin mit Brüssel auf ein Brexit-Abkommen verständigt hat oder nicht. Einige EU-Befürworter spielen dabei laut dem „Guardian“ offenbar mit dem Gedanken, Johnson noch vor seiner Vereidigung zu stürzen. Andere wollen wohl erst noch abwarten und sehen, wen Johnson alles in sein Kabinett berufen wird.

Wie viel Gegenwind Johnson aus den eigenen Reihen entgegenschlagen könnte, zeigte sich am vergangenen Donnerstag. Da stimmte das Unterhaus mit einer überraschend deutlichen Mehrheit von 41 Stimmen dafür, einen möglichen Versuch der Regierung zu verhindern, durch eine Suspendierung des Parlaments einen No-Deal-Brexit gegen den Willen der Abgeordneten durchzudrücken. 17 konservative Abgeordnete schlugen sich dabei offen auf die Seite der Opposition, vier Minister enthielten sich. Das waren überraschend viele. Dass diese Möglichkeit überhaupt ernsthaft diskutiert wird, verdeutlicht, auf was für eine gewaltige Verfassungskrise das Land unter Umständen zusteuert.

Philipp Hammond, der ausgehende Schatzkanzler, sprach dabei eine unumwundene Warnung an die kommende Regierung aus. „Wenn die aufrichtig ein Abkommen anstreben, dann haben sie meine volle Unterstützung. Falls nicht, dann werde ich ‚No Deal‘ jeden Zentimeter des Weges bekämpfen.“ Ein weiterer Rebell, Philip Lee, bezweifelte, ob Johnson überhaupt in der Lage sein werde, zu regieren. „Ich sehe nicht, wie er eine Mehrheit haben soll. Es ist eine sehr, sehr fragile Situation mit einer nur winzigen Mehrheit.“

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