Großbritannien Brexit-Verhandlungen starten wie geplant

Raus aus der EU, den Neustart wagen - so haben sich das viele britische Wähler beim Referendum gedacht. Doch ein knappes Jahr später haben nicht einmal die Austrittsgespräche begonnen. Das soll sich nun ändern.

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Trotz der Wahlniederlage beginnt Premierministerin Theresa May am Montag die Brexit-Gespräche. Quelle: AP

Die EU und Großbritannien haben sich offiziell auf einen Auftakt der Brexit-Verhandlungen am Montag festgelegt. Dies teilten der EU-Unterhändler Michel Barnier und der zuständige britische Minister David Davis am Donnerstag mit. Damit bleibt es bei dem schon vor Wochen angepeilten Termin, trotz des Wahldebakels der britischen Konservativen.

Fast genau ein Jahr nach dem Votum der Briten für den EU-Austritt beraten beide Seiten nun erstmals offiziell über die Bedingungen der Trennung. Schon für die erste Verhandlungsrunde haben sich Barnier und Davis den ganzen Montag freigehalten. Denn die Zeit drängt. Bis März 2019 muss man einen Vertrag unter Dach und Fach haben - genau zwei Jahre nach dem Austrittsgesuch von Premierministerin Theresa May.

Die EU will zunächst über Garantien für die EU-Bürger in Großbritannien, über die Schlussrechnung nach mehr als 40 Jahren EU-Mitgliedschaft und über die künftige Grenze zwischen Irland und Nordirland sprechen. Großbritannien will sofort auch über die künftigen Beziehungen und ein ambitioniertes Freihandelsabkommen reden - so hatte es May im März in ihrem Scheidungsantrag angekündigt.

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von Stefan Bielmeier

Die Konservative hatte aber bei der Wahl ihre absolute Mehrheit im Parlament verloren und ringt derzeit um die Bildung einer Minderheitsregierung. Die erste Regierungserklärung, die Königin Elizabeth II. im Parlament verlesen soll, ist für Mittwoch kommender Woche geplant. Zuletzt wurde darüber spekuliert, dass die Konservative ihre Linie beim Brexit etwas aufweichen könnte.

So deutete sich an, dass sie der EU-Seite zum Beginn der Verhandlungen in einem wichtigen Punkt entgegenkommen könnte. Nach einem Bericht der Zeitung „Telegraph“ (Donnerstag) erwägt sie, EU-Bürgern in Großbritannien auch nach dem Austritt des Landes weitreichende Rechte zu gewähren. Sie könnten demnach zum Beispiel Ehepartner aus Nicht-EU-Staaten ins Land bringen.

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Für beide Seiten stehen die Rechte der 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien sowie der 1,2 Millionen Briten auf dem Kontinent an erster Stelle. Eigentlich wollte Großbritannien mit dem EU-Austritt auch die Einwanderung begrenzen. Dafür nahm May in Kauf, aus dem EU-Binnenmarkt auszutreten.

Denn Bedingung für den Zugang ist die Freizügigkeit der Bürger. Insbesondere Großbritannien steht bei den Gesprächen unter starkem Zeitdruck. Eine Verlängerung der Verhandlungen ist nur möglich, wenn alle EU-Staaten zustimmen. Gibt es keine Vereinbarung, kommt es zu einem ungeordneten Austritt mit große Risiken vor allem für Handel und Wirtschaft.

Die Aufgabe für die Unterhändler ist riesig. Schließlich muss eine neue Grundlage für die Beziehungen zwischen dem Kontinent und dem bislang eng mit ihm verflochtenen Großbritannien geschaffen werden. Erwartet werden hochkomplizierte rechtliche Debatten über Tausende von Einzelfragen.

Der liberale Abgeordnete Alistair Carmichael zweifelt daran, dass die britische Regierung für die Brexit-Gespräche bereit ist. Die Regierung schaffe es ja noch nicht einmal, eine Vereinbarung mit ihrem gewünschten Regierungspartner DUP zu treffen. „Wie soll sie dann einen Deal mit der EU machen“, fragte Carmichael. Er forderte ein parteiübergreifendes Komitee für die Austrittsverhandlungen.

Ein wichtiger Streitpunkt dürfte die Schlussrechnung werden, die Brüssel London präsentiert. Die EU verlangt den britischen Anteil für Finanzentscheidungen, die man gemeinsam getroffen hat, vor allem für den EU-Haushalt, gemeinsame Fonds und Pensionslasten. Inoffizielle Berechnungen gehen von 100 Milliarden Euro oder mehr aus. Die britische Regierung hält derlei Beträge für völlig überzogen.

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