




"So süß wie dieser war noch kein Wahlsieg für mich", schwärmte der britische Premier David Cameron, als er sich am Freitag bei Mitarbeitern der konservativen Partei für den gelungenen Wahlkampf bedankte. Anders als 2010, als Cameron nur mit Hilfe der Liberaldemokraten in die 10 Downing Street einziehen konnte, werden er und seine Tories diesmal alleine regieren können: zwar nur mit einer hauchdünnen Mehrheit, aber immerhin.
Das nahm der alte und neue Regierungschef auch gleich zum Anlass, seinen Landsleuten zu versichern, dass er sein Wahlversprechen einlösen und spätestens in zwei Jahren ein Referendum über die künftige EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs anberaumen will. Bitter für Berlin und Brüssel. In den europäischen Hauptstädten wird man sich also darauf einstellen müssen, dass der Premier nun bald konkrete Forderungen für ein neues gelockertes Verhältnis Großbritanniens zur EU präsentieren wird. Quälende Verhandlungen dürften in den nächsten zwei Jahren folgen.
Wahl des Unterhauses
Wahllokale
Um 7:00 Uhr (Ortszeit) öffnen die etwa 50.000 Wahlbüros in ganz Großbritannien ihre Pforten. Eine Stimmabgabe ist bis 22 Uhr möglich. Dann schließen die Lokale und die Auszählung beginnt. Mit einem Ergebnis ist frühestens Freitagmittag zu rechnen.
Wahlsystem
In Großbritannien gilt das sogenannte Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet dass der Kandidat gewinnt, der die meisten Stimmen im Wahlkreis hat. Es finden 650 Einzelwahlen statt, aus denen jeweils ein Sieger hervorgeht. Die für die anderen Kandidaten abgegeben Stimmen verfallen.
Hochrechnungen
Im Mehrheitswahlrecht ist die Prozentzahl nicht konstitutiv für die Zahl der Sitze. Anstelle von Hochrechnungen wird mit Schließung der Wahlbüros eine Prognose abgegeben, bevor dann die Stimmen ausgezählt werden.
Stimmbezirke
England ist mit 533 Wahlkreisen am stärksten vertreten. Gefolgt von Schottland mit 59, Wales mit 40 und Nordirland mit 18 Wahlkreisen. Obwohl die geografische Größe der Nationen sich stark voneinander unterscheidet, erreichen alle vertretenen Wahlkreise etwa 70.000 Wähler.
Mehrheit
Rein rechnerisch wird mit 326 Stimmen bei insgesamt 650 Abgeordneten im Unterhaus eine Mehrheit erreicht. Experten gehen jedoch davon aus, dass der zukünftige Premierminister nur 323 Stimmen benötigen wird. Der sogenannte Speaker (Parlamentssprecher) ist nicht stimmberechtigt.
Wahlbeteiligung
Bei der Unterhauswahl im Jahr 2010 haben 29,7 von insgesamt 45,6 Millionen Registrierten ihre Stimme abgegeben. Wie die Wahlbeteiligung in diesem Jahr ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Etwa 30 von 64 Millionen Bürgern sind zur Wahl berechtigt.
Regierungsbildung
Im Normalfall bildet die stärkste Partei mit der absoluten Mehrheit die Regierung. Dass bedeutet, dass auch die Partei, die nach Wählerstimmen nur zweite oder dritte geworden ist, die Regierung stellen kann. Sollte der amtierende Premier nicht mehr kandidieren wollen, muss er bei der Queen höchstpersönlich seinen Rücktritt einreichen.
Bitter ging die Wahl auch für UKIP-Chef Nigel Farage aus. Farage schien den Tränen nahe, als der Wahlleiter im Bezirk South Thanet den Sieg des Tory-Kandidaten und ehemaligen UKIP-Politikers Craig Mackinlay bekanntgab. Denn Farage verpasste damit den heiß ersehnten Einzug ins Parlament um satte 2000 Stimmen und will nun - wie angekündigt - die Parteiführung abgegeben. Alles in allem hat UKIP schlechter abgeschnitten als erwartet. Von bisher zwei Sitzen im Unterhaus blieb nur einer übrig, und auch der wird von einem abtrünnigen Tory gehalten, der in seinem Wahlkreis große persönliche Popularität genießt.
Cameron wird es freuen: nicht nur wird er mit Farage einen lästigen Widersacher los. Er kann auch darauf hoffen, dass die gesamte UKIP-Partei nun in eine tiefe Krise trudelt und möglicherweise sogar zerfällt: Schließlich war Farage bisher der Dreh- und Angelpunkt einer Partei, in der es nur sehr wenige ernstzunehmende Mitglieder gibt. Allerdings dürften Cameron nun die Euroskeptiker in der eigenen Partei wieder mehr unter Druck setzen. Denn angesichts der knappen Mehrheit im Parlament ist der Premier stärker erpressbar, was die Forderung der Tory-Hinterbänkler angeht, als bisher. Aus diesem Grunde ist wohl damit zu rechnen, dass sich der Premier - zumindest inoffiziell - die Unterstützung der acht nordirischen Democratic Unionists (DUP) sichern wird, um größere Spielräume für seine Gesetzesvorhaben zu gewinnen.
Einer seiner Vorgänger, der ehemalige Premierminister John Major, der 1992 ebenfalls überraschend einen Wahlsieg erzielt hatte, gilt nämlich als abschreckendes Beispiel dafür, wie rasch sich ein Wahl-Triumpf in einen Pyrrhus-Sieg verwandeln kann: Major wurde in einer Tour von den Euroskeptikern unter den Tories gepiesackt und musste dann 1997 eine vernichtende Wahlniederlage einstecken. Er schaffte es einfach nicht, den Graben zu schließen, den die Europapolitik bei den Tories aufgerissen hat.