




Als guter Gastgeber stellte US-Präsident Barack Obama den britischen Premierminister David Cameron bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus nicht bloß: "Davids Argument, dass man in einer wichtigen Beziehung erst mal zusieht, ob man das, was nicht mehr funktioniert, reparieren kann, bevor man sie beendet, leuchtet mir ein", sagte er Montag voriger Woche. In Wahrheit aber hält er die von Cameron angestrebten Verhandlungen über die Rückverlagerung von Kompetenzen von Brüssel nach London für ebenso überflüssig wie das angekündigte Referendum über Großbritanniens Mitgliedschaft in der EU.
Eigentlich war Cameron nach Washington gereist, um über Syrien, den bevorstehenden G8-Gipfel und ein europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen zu reden. Doch die Revolte um die Europapolitik in seiner Heimat holte ihn auch in Washington ein: In seiner Partei häufen sich die Stimmen, die den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union fordern. Der liberaldemokratische Koalitionspartner lehnt dies strikt ab. Der Premier bekommt das alles nicht mehr in den Griff.
Um den EU-Gegnern in den eigenen Reihen den Wind aus den Segeln zu nehmen, ließ sich Cameron jetzt einen Gesetzentwurf aufdrängen, nach dem das Referendum über Verbleib oder Austritt bis spätestens Ende 2017 stattfinden muss. Der Text legt auch fest, welche Frage den Briten dann gestellt wird: "Sind Sie der Ansicht, dass das Vereinigte Königreich Mitglied der Europäischen Union bleiben sollte?" Stimmen die Briten mit Nein, würde dies die ohnehin arg gebeutelte EU in eine tiefe Krise stürzen.





Noch erscheinen die Erfolgsaussichten des Antrags gering, weil die Oppositionspartei Labour und die mitregierenden Liberaldemokraten dagegen sind. Der Widerstand der Liberaldemokraten führt außerdem dazu, dass der Gesetzentwurf von einem konservativen Abgeordneten als sogenannte Private Members Bill in das Parlament eingebracht werden kann, was seine Chancen auf Erfolg noch mehr einschränkt.
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Doch nicht nur in Amerika, auch in Deutschland wächst die Sorge, ob der geschwächte Premier Cameron sein Land in der EU halten kann. Obama braucht die Briten als Brücke zur EU, für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist er - allen Differenzen zum Trotz - ein wichtiger Verbündeter in Fragen des europäischen Binnenmarkts und in EU-Haushaltsfragen. Bei den Verhandlungen über die EU-Finanzplanung für die Jahre 2014 bis 2020 im Februar zogen Merkel und Cameron an einem Strang, um die Wünsche der EU-Kommission, des Europäischen Parlaments und vor allem auch Frankreichs nach einer deutlichen Erhöhung des EU-Budgets zurückzuweisen. Merkel betrachtet Cameron und sein marktwirtschaftliches, pragmatisches Denken zudem als wichtiges Gegengewicht zum sozialistischen französischen Präsidenten François Hollande. Wie sehr sie ihn schätzt, demonstrierte sie mit einer persönlichen Geste, als sie ihn im April samt Familie ins Gästehauses der Bundesregierung auf Schloss Meseberg einlud.