Großbritannien Die Insel der Superreichen

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Geheimtipp: ein Grab im Ausland

Wer angibt, dass er – etwa weil er aus dem Ausland stammt, weil er dort Angehörige hat oder er irgendwann dorthin zurückkehren möchte – eine starke „Verbindung“ zu einem anderen Land verspürt, kann steuerrechtlich festlegen lassen, seinen festen Wohnsitz im Ausland zu haben, obwohl der in Wirklichkeit in Großbritannien liegt. Auch ein aus dem Ausland stammender Vater reicht als Begründung in aller Regel aus (eine aus dem Ausland stammende Mutter kurioserweise nicht). Die Folge: Anerkannte „Non-domiciles“, kurz „Non-doms“, müssen nur Einkommensteuer auf Gewinne entrichten, die sie in Großbritannien erwirtschaftet haben. Alle anderen – etwa Kapitalerträge oder Gewinne aus Aktien- oder Immobilienverkäufen im Ausland – müssen nicht in Großbritannien versteuert werden. Um den offensichtlich lukrativen Steuerstatus zu erlangen, ist lediglich eine jährliche „Gebühr“ in Höhe von 50.000 Pfund fällig.

Im Steuerjahr 2014/15 waren in Großbritannien 116 100 „Non-doms“ registriert. Auch Briten, die dauerhaft in Großbritannien leben, können den Status eines „Non-doms“ erlangen. Hierfür ist nur ein wenig Kreativität beim Ausfüllen der Formulare notwendig. Als Geheimtipp gilt es, ein Grab im Ausland zu kaufen. Das reicht den britischen Finanzbehörden in der Regel als Beleg dafür aus, dass der Antragsteller eine „Verbundenheit“ zum Ausland verspüre. Eine ähnlich auf Privatpersonen zugeschnittene Regelung gibt es sonst nur in Monaco und einigen Schweizer Kantonen.

Auch mehrere Labour-Regierungen haben offenbar keinen Anlass gesehen, daran etwas zu ändern. 2015 schließlich wollte der damalige Schatzkanzler George Osborne die Sonderregelung einschränken. Er schlug eine Gesetzesänderung vor, laut der „Non-doms“, die in den vergangenen 20 Jahren mindestens 15 Jahre lang in Großbritannien gelebt haben, fortan ihre volles Einkommen versteuern müssten.

Bleibt oft Menschenleer: Apartmentkomplex The Mellier. Quelle: Rhodium

Die Politik schaut lieber weg

Osborne sagte damals, es sei „nicht gerecht“, dass Menschen „über lange Zeiträume in diesem Land leben, von unseren öffentlichen Dienstleistungen profitieren und trotzdem unter anderen Steuerregelungen operieren als alle anderen“. Dem lässt sich kaum widersprechen. Dennoch entfernte Osbornes Nachfolger Philipp Hammond die Neuregelung aus dem Gesetzentwurf. Er erklärte, die Regierung werde sich nach den vorgezogenen Neuwahlen im Juni wieder mit dem Thema beschäftigen.

Aber wird das passieren? Premier May gelobte nach ihrer Wahlschlappe, sie wolle jetzt wirklich für alle Briten regieren. Was man halt so sagt, wenn man weiß, dass die Mehrheit gegen einen war. Viel ändern wird sich wohl nicht. Im Gegenteil, das Buhlen um die Superreichen dürfte sogar noch extremer ausfallen – schon weil das isolierte Großbritannien nach einem Brexit keine andere Wahl hat. Ökonomen vermuten, das Land könnte schon aus Mangel an alternativen Strategien eine Steueroase vor den Toren der EU werden und Unternehmen sowie wohlhabende EU-Bürger mit steuerlichen Anreizen ins Land locken.

Das Nobelkaufhaus Harrods bietet Catering für Megavermögende. Quelle: dpa

Auch Makler Dean Main glaubt keineswegs, dass Superreiche irgendwann nicht mehr nach London und zu ihm kommen könnten. Dafür sei die Stellung der Stadt als Reichenmetropole zu etabliert. „Ab einem gewissen Vermögensniveau ist es den Leuten egal, wie viel etwas kostet“, sagt Main. „Diese Leute sagen sich: Ich muss eine Wohnung in London haben.“ Wie auch immer es weitergeht, Verleger William Cash ist auf jeden Fall vorbereitet: Bald soll es eine Sonderausgabe von „Spear’s 500“ geben, das Heft soll auf andere Länder und Städte ausgedehnt werden. Da soll noch mal jemand sagen, Großbritannien ziehe sich aus der Welt zurück.

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