Schatzkanzler Kwasi Kwarteng ist seinen Job los. Genau drei Wochen, nachdem er mit der Veröffentlichung hochgradig umstrittener Steuersenkungspläne für schwere Verwerfungen an den britischen Finanzmärkten gesorgt hat, hat ihn Premierministerin Liz Truss am Freitag gefeuert. Zu seinem Nachfolger berief sie den ehemaligen Außen- und Gesundheitsminister Jeremy Hunt.
Hunt stammt aus der politischen Mitte der konservativen Partei, die seit Boris Johnsons Wahlsieg 2019 nach rechts gerückt ist. Mit der Absetzung ihres persönlichen Freundes Kwarteng und der Ernennung Hunts versuchte Truss offenbar, den Aufruhr innerhalb ihrer Partei zu besänftigen und sich Zeit zu erkaufen. Ob ihr das gelingen wird, ist unklar.
In einer kurzfristig angesetzten Erklärung am Freitagnachmittag räumte Truss ein, dass „Teile“ ihres und Kwartengs Mini-Haushalts „weiter gegangen seien, als es die Märkte erwartet“ hätten. Um Vertrauen zu schaffen, werde ihre Regierung daher im kommenden Frühjahr die Körperschaftssteuer von 19 auf 25 Prozent anheben, wie es die vorherige Regierung geplant hatte. Sie werde aber an ihren Plänen festhalten, im Land für hohes Wachstum bei niedrigen Steuern zu sorgen.
Truss sagte, es tue ihr „unglaublich leid, Kwarteng als Kanzler zu verlieren. „Er hat meine Vision geteilt, das Land auf den Weg in Richtung Wachstum zu bringen.“ Jeremy Hunt sei „sehr erfahren“ und werde sie bei ihren geplanten Reformen unterstützen.
Nach ihrer kurzen Erklärung nahm Truss nur einige wenige Fragen von Journalisten entgegen. Alle wollten von ihr wissen, wie sie sich weiter im Amt zu halten gedenke. Truss antwortete hölzern, dass sie für Stabilität sorgen wolle. Dann erklärte sie die Fragerunde für beendet und verließ eilig den Raum. Das dürfte kaum reichen, um Parteikollegen, Finanzmärkte und die britische Öffentlichkeit zu beschwichtigen.
Kwarteng hatte am 24. September ein Steuersenkungspaket veröffentlicht, das vollkommen aus der Zeit gefallen erschien: Inmitten der größten Lebenshaltungskostenkrise innerhalb einer Generation, die Menschen mit geringen Einkommen besonders hart trifft, kündigte Kwarteng Steuersenkungen an, von denen von allem Unternehmen und Reiche profitieren würden. Den Spitzensteuersatz in Höhe von 45 Prozent, der nur auf Einkommen fällig wird, die 150.000 Pfund im Jahr überschreiten, wollte Kwarteng gleich ganz abschaffen.
Die Idee dahinter: Die Steuergeschenke sollten wohl so etwas wie einen Wirtschaftsboom von oben auslösen. Der gestiegene Wohlstand in den oberen Einkommensrängen sollte im Lauf der Zeit auf den Rest der Gesellschaft „herabregnen“. Auch bekannt als: Trickle-down-Effekt. Dabei gilt diese Theorie seit langem als diskreditiert. Unzählige Studien belegen, dass der erhoffte Effekt in dieser Form nie eintritt.
Nur einige dubios finanzierte, rechtslibertäre Interessengruppen in London und Washington und eine Handvoll rebellischer Ökonomen halten noch an der Idee fest.
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Laut dem Thinktank Institute of Fiscal Studies (IFS) wäre der Großteil der Steuerentlastungen an die wohlhabendsten zehn Prozent des Landes gewandert. Finanziert werden sollte die einseitige Maßnahme durch neue Schulden, ebenso wie die Kosten des Energiepreisdeckels, den die Regierung bereits Anfang September angekündigt hat. Dieser Deckel sollte die Energiekosten eines durchschnittlichen Haushalts in den kommenden zwei Jahren bei rund 2500 Pfund im Jahr halten. Die astronomischen Zufallsgewinne im Erdgas- und Ölsektor wollte die ehemalige Shell-Mitarbeiterin Truss nicht anrühren. Eigentlich hätte der Schatzkanzler bei der Vorstellung seines Haushalts eine Einschätzung seiner Pläne durch die Ausgabenwächter vom Office for Budget Responsibility (OBR) veröffentlichen müssen. Das unterließ er nicht nur. Offenbar forderte Kwarteng die Haushaltswächtern auf, ihre Analyse ebenfalls nicht zu veröffentlichen. Und das bei einer erwarteten Neuverschuldung in dreistelliger Milliardenhöhe.