
Diesmal traf es Manchester, Großbritanniens drittgrößte Stadt. Die traurige Bilanz des Montagabends: mindestens 22 Tote und rund 60 Verletzte, darunter viele Kinder und Teenager. Es war ein grausamer Terroranschlag auf unschuldige Opfer. Viel zu viele Fragen sind noch offen. Was war das Motiv des bei der Explosion getöteten Selbstmordattentäters? Handelte er allein? Gibt es einen islamistischen Hintergrund?
Die Antworten auf diese Fragen und die Suche nach ihnen werden die Zukunft des Landes beeinflussen.
In zweieinhalb Wochen wird in Großbritannien gewählt. Der Zeitpunkt des Anschlags ist daher brisant. Noch nie zuvor ist das Inselreich mitten im Wahlkampf von einem Terroranschlag erschüttert worden. Er wurde nun – wie es der Respekt vor den Opfern gebietet – erst einmal ausgesetzt. Manche Kommentatoren rechnen damit, dass er sogar bis zum Wochenende ruhen dürfte, auf jeden Fall werde damit der Ton der politischen Debatte in den letzten Wochen vor dem Urnengang nüchterner und weniger aggressiv, erwarten sie.
„Stark und stabil“
An sich ist es erfreulich, wenn persönliche Angriffe durch eine sachliche Auseinandersetzung ersetzt werden. Und doch kann man nicht umhin festzustellen, dass die Unterbrechung des Wahlkampfes und der Schock des Anschlags im Wahlkampfendspurt vor allem der Favoritin, nämlich Premierministerin Theresa May, zu Gute kommen dürften.
In Schottland, wo die Konservativen gerade dabei sind, der SNP-Partei von Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon Stimmen abspenstig zu machen, wird heute die Vorstellung des Wahlprogramms der SNP gestrichen. Und die ehemalige Innenministerin May, die wie kein anderer britischer Politiker für Law and Order steht, hat nun die Gelegenheit, sich wieder einmal mit starker politischer Führung zu profilieren.
Ihr Wahlkampf-Motto „strong and stable leadership“ mag inzwischen abgedroschen klingen, doch nach einem Terroranschlag und in einer Phase, in der sich die Briten nach Stabilität und Führung sehnen, gewinnt es angesichts einer verunsicherten Öffentlichkeit wieder neue Attraktivität. Im Gegensatz zu Labour-Chef Jeremy Corbyn betrachten die meisten Briten May als kompetente Führungspersönlichkeit, während der schwache Oppositionspolitiker selbst von vielen in seiner eigenen Partei als Versager angesehen wird.
Große Terroranschläge in Europa
Ein Lieferwagen rast auf der Flaniermeile "Las Ramblas" im Zentrum Barcelonas in eine Menschenmenge. Nach offiziellen Angaben soll es mindestens einen Toten und 32 Verletzte gegeben haben, Medien berichten von zwölf Toten. Die Polizei bestätigt, dass es sich um einen Terroranschlag handelt. Die Hintergründe der Tat sind zunächst unklar.
Auf der London Bridge überfahren drei Attentäter mehrere Fußgänger, dann greifen sie eine beliebte Markthalle an. Mindestens sechs Menschen kommen ums Leben, die Angreifer werden getötet.
Bei dem Selbstmordanschlag in Manchester auf Gäste eines Pop-Konzerts hatte Salman Abedi, ein Brite libyscher Abstammung, 22 Menschen ermordet. Außerdem wurden 116 Menschen zur Behandlung von Verletzungen in Krankenhäuser gebracht. Die Polizei geht davon aus, dass Abedi kein Einzeltäter war, sondern dass ein ganzes Terrornetzwerk hinter der Tat steckt.
Auf dem Pariser Boulevard Champs-Élysées schießt ein Islamist mit einem Sturmgewehr in einen Polizeiwagen. Ein Beamter wird getötet, zwei weitere Polizisten und eine deutsche Passantin werden verletzt. Die Polizei erschießt den Angreifer, die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert die Attacke für sich.
Ein gekaperter Lastwagen rast in einer Einkaufsstraße erst in Stockholm in eine Menschenmenge und dann in ein Kaufhaus. Fünf Menschen werden getötet, 15 verletzt. Noch am selben Tag nimmt die Polizei einen 39-jährigen Usbeken unter Terrorverdacht fest.
Ein Attentäter steuert ein Auto absichtlich in Fußgänger auf einer Brücke im Zentrum Londons und ersticht anschließend einen Polizisten. Von den Opfern auf der Brücke erliegen vier ihren Verletzungen. Sicherheitskräfte erschießen den Täter.
Auf dem Pariser Flughafen Orly verhindern Soldaten nur knapp einen möglichen Terroranschlag. Ein Mann will einer dort patrouillierenden Soldatin das Gewehr entreißen und wird von anderen Soldaten erschossen. Erst Anfang Februar war nahe dem Louvre-Museum ein Ägypter niedergeschossen worden, der sich mit Macheten auf eine Militärpatrouille gestürzt hatte.
Am Abend des 19. Dezember 2016 rast ein LKW in einen Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche. Das Attentat fordert 12 Tote und viele teils Schwerverletzte.
In Nordfrankreich ermorden zwei Angreifer einen katholischen Priester in einer Kirche und verletzen eine weitere Person schwer. Beide Attentäter werden von den Sicherheitskräften erschossen.
In Ansbach in Bayern sprengt sich ein 27-jähriger syrischer Flüchtling vor dem Eingang zu einem Musikfestival mit einer Rucksackbombe in die Luft. Der Attentäter stirbt. 15 Menschen werden verletzt. Auf dem Handy des Mannes findet die Polizei später ein Bekennervideo. Das IS-Sprachrohr Amak behauptet einen Tag später, der Attentäter sei „Soldat des Islamischen Staates“.
In einem Vorort von Würzburg greift ein 17-jähriger Flüchtling aus Afghanistan in einem Regionalzug Fahrgäste mit einer Axt an. Er verletzt mehrere Menschen teils schwer. Auf seiner Flucht wird er von der Polizei erschossen. Einen Tag später veröffentlichte das IS-Sprachrohr Amak im Internet ein Video des Attentäters. Darin spricht er davon, dass er im Auftrag des IS gehandelt habe und sich an Nicht-Muslimen rächen wollte, die seinen Glaubensbrüdern Leid angetan hätten.
In Nizza fährt ein schwer bewaffneter Franzose tunesischer Herkunft mit einem Lastwagen in die Menge, die den französischen Nationalfeiertag feiert. Er tötet 84 Menschen.
Am Flughafen Istanbul-Atatürk schoss am 28. Juni 2016 ein Attentäter in der Eingangshalle mit einem Sturmgewehr um sich, warf Handgranaten in die Menge und zündete einen Sprengsatz. Zeitgleich sprengte sich ein weiterer Attentäter in einem Parkhaus in die Luft. Ein dritter Täter zündete offenbar einen Bombe in U-Bahn-Nähe. Die türkische Regierung ordnet den Anschlag dem Islamischen Staat zu. Insgesamt kamen 44 Menschen ums Leben (darunter die drei Attentäter); 239 weitere wurden verletzt. (Stand: 29.06.2016, 14:30 Uhr)
Ein Franzose marokkanischer Herkunft ermordet in einem Pariser Vorort einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin, die ebenfalls bei der Polizei arbeitet.
Am Morgen des 22. März 2016 sprengten sich zwei Terroristen am Flughafen Brüssel-Zaventem in die Luft sowie ein weiterer im U-Bahnhof Maalbeek/Maelbeek in der Brüsseler Innenstadt nahe der EU-Behörden. Nach offiziellen Angaben kamen 35 Menschen ums Leben, darunter drei der Attentäter. Mehr als 300 Personen wurden verletzt.
Zwei Attentäter brachten ihr gestohlenes Auto an der Bushaltestelle einer Metrostation im Stadtzentrum von Ankara zur Explosion – 38 Menschen kamen ums Leben, darunter waren auch die Attentäter. Mehr als 120 Menschen wurden verletzt. Zu dem Anschlag, der sich am 13. März 2016 ereignete, bekannte sich eine Splittergruppe der Terrororganisation PKK.
Ein IS-Attentäter sprengte sich am 12. Januar 2016 auf dem belebten Sultan-Ahmed-Platz in Istanbul in die Luft – und riss 12 Menschen mit in den Tod. Elf von ihnen gehörten einer deutschen Touristengruppe an. 13 weitere Personen wurden verletzt.
Extremisten mit Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat greifen die Konzerthalle Bataclan und andere Ziele in der französischen Hauptstadt Paris an. Dabei kommen 130 Menschen ums Leben. Ein Hauptverdächtiger im Zusammenhang mit den Angriffen ist der 26 Jahre alte Salah Abdeslam, der am 18. März 2016 in Brüssel festgenommen wird.
Ein 22-jähriger radikalislamischer Angreifer tötet den Filmemacher Finn Nørgaard und einen jüdischen Wachmann einer Synagoge in Kopenhagen. Bei einem Feuergefecht mit einer Spezialeinheit der Polizei wird er erschossen.
Drei Extremisten töten bei einer mehrere Tage dauernden Terrorwelle in Paris 17 Menschen, bevor sie selbst erschossen werden. Zunächst greifen zwei Brüder das Büro der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ an und erschießen zwölf Menschen. Für den den Angriff übernimmt Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel die Verantwortung. In den Tagen darauf tötet ein weiterer Extremist eine Polizistin und nimmt in einem koscheren Supermarkt Geiseln. Vier jüdische Kunden sterben.
Im Jüdischen Museum in Brüssel tötet ein Angreifer mit einer Kalaschnikow vier Menschen. Der mutmaßliche Täter ist ein ehemaliger französischer Kämpfer, der Verbindungen zur Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien haben soll.
Zwei von Al-Kaida inspirierte Extremisten greifen auf einer Londoner Straße den britischen Soldaten Lee Rigby an und töten ihn mit Messern und einem Fleischerbeil.
Ein Bewaffneter, der nach eigenen Angaben Verbindungen zur Al-Kaida hat, tötet in der südfranzösischen Stadt Toulouse drei jüdische Schulkinder, einen Rabbi sowie drei Fallschirmjäger.
Der muslimfeindliche Extremist Anders Behring Breivik legt eine Bombe im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt Oslo und greift anschließend ein Jugendlager auf der Insel Utøya an. 77 Menschen werden getötet, viele davon Teenager.
52 Pendler kommen ums Leben, als sich vier von Al-Kaida inspirierte Selbstmordattentäter in drei Zügen der Londoner U-Bahn und einem Bus in die Luft sprengen.
Bombenanschläge auf Züge zum Madrider Bahnhof Atocha töten 191 Menschen.
Vor allem aber lenken die schrecklichen Ereignisse in Manchester davon ab, dass May und ihre Tories in den letzten Tagen eine empfindliche Schlappe hinnehmen mussten: Denn seit der Veröffentlichung des konservativen Wahlkampfprogramms, in dem es heißt, dass sich ältere Bürger mehr an den Pflegekosten beteiligen sollen, ist der Vorsprung der Konservativen in der Wählergunst geschrumpft. Kurz nach Ostern, als May den vorgezogenen Wahltermin für den 8. Juni ankündigte, sagten Umfragen den Konservativen einen großen Vorsprung voraus. Das änderte sich nun, so dass sich die Regierungschefin am Montag zu einer hastigen Kehrtwende gezwungen sah. Davon spricht jetzt keiner mehr.
Auch der Brexit wird nicht thematisiert. Dabei wird die politische Zukunft Großbritanniens von den Ergebnissen der Austrittsverhandlungen mit der EU abhängen. Kritiker bemängeln ja ohnehin, dass May mit ihrem Leadership-Slogan jegliche inhaltliche Debatte über die Ziele ihrer Brexit-Verhandlungen abwürgt. Ihre Wahlkampfauftritte absolvierte sie schon bisher weitgehend abgeschirmt von der Öffentlichkeit vorwiegend vor konservativen Sympathisanten, die auf kritische Fragen verzichteten. Nun wird sie nach dem Terroranschlag schon aus Sicherheitsgründen noch weniger öffentliche Kontakte zu den Wählern zulassen.