Hälfte der britischen Firmen nicht gerüstet Vorbereitung auf den harten Brexit? Wegen Corona kaum möglich

Etwa die Hälfte der britischen Unternehmen ist schlechter auf den Brexit vorbereitet als noch vor einem Jahr. Quelle: imago images

Corona und Brexit: Wie bereiten sich Unternehmen auf zwei existenzbedrohende Herausforderungen gleichzeitig vor? Der Hälfte der britischen Firmen gelingt das laut einer Studie nicht. Die Deutschen sind da optimistischer.

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Als wäre eine Baustelle nicht schon genug. Etwa die Hälfte der britischen Unternehmen ist schlechter auf den Brexit vorbereitet als noch vor einem Jahr. Das geht aus einer Umfrage des Chartered Institute of Procurement & Supply (CIPS) unter 557 britischen Managern hervor. Der Grund für die schlechte Vorbereitung: Die Auswirkungen der Coronapandemie haben finanzielle Reserven aufgefressen und Lagerbestände ausgedünnt. Zuerst hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg über die Studie berichtet. Die Ergebnisse zeigen die Anfälligkeit des Vereinigten Königreichs, wenn es Ende des Jahres tatsächlich aus dem Binnenmarkt und der Zollunion der EU austreten würde. Wenn es also zu einem harten Brexit kommen sollte. Dann wären Unternehmen mit neuen Bürokratien wie Zollanmeldungen konfrontiert, um den Warenfluss mit der EU als größtem Handelspartner aufrechtzuerhalten.

Und selbst wenn ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien doch noch zustande kommt – was angesichts stockender Verhandlungen immer unwahrscheinlicher wird: Die jetzt schon unvorbereiteten Unternehmen müssten sich auch dann an neue Vorschriften für den Handel anpassen. „Die Übergangszeit sollte den Unternehmen mehr Zeit geben, sich auf den Brexit vorzubereiten, aber die Covid-19-Pandemie hat einen Großteil dieser harten Arbeit zunichte gemacht“, sagt John Glen, Ökonom bei CIPS.

Immerhin: Im Poker um ein neues Handelsabkommen könnte es einem Medienbericht zufolge auch im Falle eines harten Brexits noch zu einem Handelsvertrag kommen. Auf EU-Ebene werde derzeit eine Notfallvariante geprüft: Der Handelsvertrag müsste demzufolge nicht unbedingt schon zum Jahresende unter Dach und Fach sein – notfalls würde nach einer kurzen ungeregelten Phase Anfang Januar ein Vertrag mit Verspätung in Kraft treten. Das berichten die Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ unter Berufung auf EU-Ratskreise am Mittwoch. „Es wird jetzt diskutiert, dass man für den Fall, dass eine Einigung etwa bis zum 10. November nicht gelingt, für ein paar Wochen zu Jahresanfang Chaos beim Brexit in Kauf nimmt und einfach weiter verhandelt“, sagte ein mit den Gesprächen vertrauter hochrangiger EU-Diplomat. Eine wünschenswerte Lösung sei dies jedoch nicht, weil für einen gewissen Zeitraum doch so etwas wie ein harter Brexit zugelassen würde.

Premierministers Boris Johnson hält eine Rückkehr an den Verhandlungstisch nach einem harten Brexit ohnehin für ausgeschlossen. „Wir haben wiederholt klargestellt, dass eine Vereinbarung vor dem Ende der Übergangszeit getroffen werden muss, und wir werden nächstes Jahr nicht mehr weiter verhandeln“, sagte ein Sprecher Johnsons. Die Regierung müsse den britischen Bürgern und Unternehmen Sicherheit geben, und mit „endlose Verhandlungen“ erreiche man dies nicht.

Der harte Bruch mit der EU droht nach bisheriger Erwartung, wenn in den nächsten zwei bis drei Wochen kein Vertrag zustande kommt. Dann dürfte eine Ratifizierung durch die Parlamente in Brüssel und London und die technische Umsetzung nicht mehr rechtzeitig bis zum Auslaufen der bisherigen Brexit-Übergangsphase zum Jahresende gelingen.

Deutlich zuversichtlicher sieht die Situation übrigens derweil bei den deutschen Unternehmen aus: Ob Coronakrise oder Unsicherheiten durch den Brexit – trotz globaler Hindernisse für die Wirtschaft blicken viele Unternehmen hierzulande optimistisch in die Zukunft. Das ergab eine am Mittwoch veröffentlichte Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, an der 601 Entscheider wie Vorstandschefs, Vorstände oder Strategie-Leiter zwischen April und Juni teilnahmen. 60 Prozent der Befragten sehen ihre Unternehmen demnach mittelfristig gut aufgestellt. Dabei wurden die Antworten von Managern aus zwölf Schlüsselbranchen zu ihrer Einschätzung für die Zukunft, ihrer aktuellen Selbsteinschätzung und den heutigen Aktivitäts- und Investitionsschwerpunkte ausgewertet.


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Der Optimismus nach dem ersten Lockdown lasse vermuten, dass viele Unternehmen erkannt hätten, wie belastbar sie sind, sagte KPMG-Vorstandsmitglied Mattias Schmelzer. Doch das Stimmungsbild der jeweiligen Branchen unterscheidet sich teils stark: Sind Banken und Versicherungen sowie Unternehmen aus der Energiewirtschaft und der Konsumgüterindustrie demnach deutlich positiver eingestellt als im vergangenen Jahr, sieht es bei Telekommunikation und Medien, dem Handel und allen voran der Autoindustrie düster aus. In letzterer Branche sank die Stimmung seit der ersten Erhebung 2018 mit 68 Prozent kontinuierlich auf nun 44 Prozent.

Mehr zum Thema: Kein Wunder, dass sich die Brexit-Verhandlungen am Fischfang verhaken. Ein Protokoll.

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