Braucht Griechenland einen zweiten Schuldenschnitt?
Die Euro-Länder sind sich einig: Athen komme bei den nötigen Reformfortschritten voran. Griechenland habe verstanden und versuche alles, um Mitglied der Euro-Zone zu bleiben. „There will be no Staatsbankrott“, erklärte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jüngst. Wird tatsächlich alles gut in Griechenland? Ist das Land auf dem Weg der Besserung?
Die nackten Fakten sprechen eine andere Sprache: Nach Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Union (Eurostat) lag das tatsächliche Defizit Griechenlands 2011 bei einem Minus von 9,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes – und damit noch einmal deutlich über der vorläufigen Frühjahrsschätzung von 9,1 Prozent.
Griechenlands Schuldenberg wird laut dem Internationalen Währungsfonds bis zum Ende des Jahres wieder auf 343,8 Milliarden Euro, das sind 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), anwachsen. Das Land – daran gibt es keinen Zweifel – ist massiv überschuldet.
Zukunftsszenarien für Griechenland
Die Eurogruppe billigt einen Schuldenschnitt, die Banken erlassen dem Land daraufhin 100 Milliarden Euro. Somit gibt es auch grünes Licht für weitere Hilfen der Eurozone in Höhe von insgesamt 130 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank (EZB) füllt eine Finanzlücke, damit Griechenlands Schuldenstand bis 2020 wie angepeilt sinken kann. Im Gegenzug unterwirft sich Griechenland einer strikten Überwachung der EU und gibt Kompetenzen in der Haushaltspolitik ab. Das Land leidet noch jahrelang unter Einsparungen, innenpolitischer Unruhe und Rückschlägen. Der Weg zu einer Erholung ist lang und mühsam.
Die Eurozone will zunächst keine weitere Hilfe zusagen. Problem ist der für 2020 trotz Hilfspaket und Gläubigerverzicht erwartete Schuldenstand von 129 Prozent der Wirtschaftskraft, anstatt der angestrebten 120 Prozent. Der Rettungsplan muss also überdacht werden. Zudem wählen die Griechen im April. Die Euro-Länder wollen das Votum abwarten und mit den dann regierenden Parteien Vereinbarungen über Einsparungen und Reformen treffen, bevor sie weiteres Geld überweisen. Mit restlichen Mitteln aus dem ersten Hilfsprogramm wird ein im März drohender Bankrott vorerst verhindert.
Nach zwei Jahren Schuldenkrise nimmt die Eurozone einen Kurswechsel vor: Griechenland soll kontrolliert in die Pleite geführt werden, jedoch in der Eurozone bleiben. Nun kommen Milliardenkosten nicht nur auf die privaten Gläubiger, sondern auch auf die EZB zu: Athen ändert per Gesetzesänderung die Haftungsklauseln für seine Staatsanleihen - und erzwingt einen Verzicht. Die EU arbeitet an einem finanziellen und wirtschaftlichen Neustart des Landes, der ebenfalls viel Geld kostet.
Der Rettungsplan scheitert, die Griechen haben zudem Vorschriften und Kontrolle der Euro-Länder satt. Das Land erklärt seinen Bankrott und die Rückkehr zur Drachme. Wirtschaft und Finanzbranche werden über das Land hinaus erschüttert, Firmen und Banken gehen pleite. Die Kaufkraft der Griechen nimmt massiv ab, soziale Unruhen sind die Folge. Mit der Drachme sind griechische Produkte auf dem Weltmarkt zwar billiger, ein positiver Effekt auf die marode Wirtschaft zeigt sich jedoch nur sehr langsam. Die Europäische Union bemüht sich mit Konjunkturprogrammen, den weiteren Absturz des Landes zu mildern.
Private Geldgeber werden dem Land noch auf Jahre keinen einzigen Cent leihen, Griechenland wird noch Jahre auf die Geduld und das Geld der europäischen Partner angewiesen sein. 380 Milliarden Euro sind bislang als Hilfen an die Regierung in Athen geflossen. Umgerechnet sind das 33.000 Euro für jeden einzelnen Griechen. Doch selbst immer neue Milliardentranchen werden nicht helfen, Griechenland wieder auf die Beine zu bringen.
Das Land steckt in einer Abwärtsspirale. Der Staat fällt als Investor und Arbeitgeber aus, die Unternehmen leiden unter der Rezession. Die Wirtschaft ist seit dem Ausbruch der Krise um fast 20 Prozent eingebrochen, rund jeder vierte Grieche ist arbeitslos. Das Geld, das Deutschland und die anderen Euro-Partner nach Athen senden, kommt weder bei den Bürgern, noch bei den Unternehmen an. Ein großer Teil der Summe fließt über die Regierung in Athen direkt weiter an ihre Gläubiger.
Können die Griechen ihre Schulden zurückzahlen?
Im März 2012 haben sich die Gläubiger des Landes nach langem Zögern auf einen Schuldenschnitt Griechenlands geeinigt. Dieser folgte über eine Neubewertung der hellenischen Staatsanleihen, die privaten Anleihegläubiger verloren nominal 53,5 Prozent ihrer Forderungen. Griechenland konnte auf einen Schlag Schulden über 107 Milliarden Euro loswerden.