Handelskonflikt „Niemand gewinnt einen Handelskrieg, alle verlieren“

„Niemand gewinnt einen Handelskrieg, alle verlieren“ Quelle: imago images

Donald Trump verhängt Strafzölle, auch gegen die EU. Die kündigt Gegenmaßnahmen an. Warum das nicht zielführend und was zu befürchten ist, erklärt der Außenhandelsexperte Rolf Langhammer.

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Herr Langhammer, wie sehr gefährden Importe von Stahl, Aluminium und möglicherweise auch Autos die nationale Sicherheit der USA?
Sie sind natürlich völlig ungefährlich. Mit einer Sicherheitsgefahr begründet Donald Trump zwar seine Strafzölle, aber das Argument ist an den Haaren herbeigezogen. Meine Kollegen vom Peterson Institute for International Economics bezeichneten das den Strafzöllen zugrundeliegende Gutachten des amerikanischen Handelsministeriums deswegen auch als „cooked“. Trump will letztlich den Anteil der Importe an der Marktversorgung für Stahl und Aluminium von zurzeit etwa 33 Prozent auf circa 20 Prozent zurückzuschrauben. Das hat absolut nichts mit Sicherheitsaspekten zu tun, zumal die Strafzölle ja Partner und Verbündete wie Mexiko, Kanada, die EU und Japan betreffen. 

Zur Person

Trotzdem steht die WTO dem Vorgehen der USA weitgehend machtlos gegenüber. Warum?
Das Problem ist: Das Sicherheits-Argument kann kaum widerlegt werden. Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), das 1948 in Kraft trat, bietet mit Artikel 21 die Möglichkeit, zur Wahrung der eigenen Sicherheit protektionistische Maßnahmen zu ergreifen. Der Artikel ist so vage formuliert, dass kein anderes WTO-Mitglied die Sicherheitsrelevanz bestreiten kann. 

Mit der Einführung der Strafzölle hat Trump vor allem seine Wiederwahl im Blick, eineinhalb Jahre nach Amtsantritt. Wird sein Kalkül aufgehen und seine Wählerschaft vor dem Verlust ihrer Arbeitsplätze schützen?
Zahlreiche Untersuchungen deuten darauf hin, dass es nicht aufgehen wird. Wenn überhaupt schützen die Strafzölle Jobs in der Stahlbranche nur kurzfristig. Der Verlust der Arbeitsplätze in der weiterverarbeitenden Stahlindustrie als Folge steigender Stahlpreise und sinkender Wettbewerbsfähigkeit fällt wahrscheinlich doppelt so groß aus. Vor 15 Jahren hat George Bush Junior Ähnliches versucht. Er erhob Strafzölle auf Stahlimporte.

Und?
Die weiterverarbeitende Industrie konnte sich in Qualität und Quantität nicht auf die amerikanische Stahlindustrie verlassen und beantragte daher Ausnahmen von den Hemmnissen. Dadurch stiegen die Importe wieder stark an und Bush nahm die Strafzölle irgendwann vollständig zurück. Ein solcher Sinneswandel ist in der aktuellen Situation auch möglich, zumal die US-Stahlindustrie technologisch noch immer im Hintertreffen ist.

Trump zeigt sich überzeugt davon, die USA könnten einen Handelskrieg leicht gewinnen – das schrieb er bei Twitter. Nun handelt es sich um einen Handelskrieg mit gleich mehreren Fronten: China, Japan, die EU, Kanada und Mexiko. Wie gefährlich ist diese Konstellation für den Welthandel?
Die Maßnahmen und etwaige Gegenmaßnahmen führen zu viel Unsicherheit. Geht das so weiter, sinkt die Investitionsneigung und das Konjunkturklima wird beeinträchtigt, das betont der Internationale Währungsfonds immer wieder. 

Und wie steht es um Trumps Chancen zu „gewinnen“?
Die USA haben durchaus Vorteile gegenüber anderen Staaten: Sie stellen weiterhin die Leitwährung, das schützt sie, genauso wie ihr riesiger Binnenmarkt. Aber die besten Zeiten hat die US-Wirtschaft im Konjunkturzyklus bereits hinter sich – die Zinsentwicklung am kurzen Ende steigt rapide an. Das deutet nach allen Erfahrungen auf eine Abschwächung hin. Zudem bleiben auch die USA abhängig vom Geschehen auf dem Weltmarkt. Der Dollar legt aktuell zu, und das dürfte sich noch verstärken, denn der Dollar dient als Fluchtwährung, der Kurs steigt also in unsicheren Zeiten an. Das wiederum würde die Importe preislich stärken und die Exportchancen schwächen: alles also, was Trump bekämpfen möchte. Letztlich gewinnt niemand einen Handelskrieg. Alle Beteiligten verlieren und am Ende kommen sie hoffentlich wieder zur Vernunft. Handelskriege sind ja nichts Neues, die gibt es seit Jahrhunderten.

Wenn es nichts zu gewinnen gibt, was treibt die Amerikaner dann?
Trump deutet die Zeichen der Zeit völlig falsch. Amerika ist in der digitalen Industrie noch immer ein Vorreiter und ein starker Exporteur von Dienstleistungen aller Art. Das ignoriert Trump aber vollkommen und setzt stattdessen auf im internationalen Wettbewerb schwächelnde Industriezweige. Solange seine Wähler aber nicht unter diesen Maßnahmen leiden, sondern sich von den kurzfristigen Steuerentlastungsimpulsen blenden lassen, wird er stur bleiben. Trump scheint nur pathologisch lernen zu können.

Ökonomen warnen seit Beginn des Handelsstreits vor einer Spirale protektionistischer Maßnahmen, die enden könnte wie in den 1930ern.
Das ist überzogen. In den Dreißigern waren die technologischen Verhältnisse völlig anders. Ein Großteil des Handels wird bald digital ablaufen, in diesem Bereich gibt es noch keine WTO-Verpflichtungen und auch keine Zölle. Die aktuelle Auseinandersetzung kann die konjunkturelle Stimmungslage zwar dramatisch verschlechtern, aber aufgrund der veränderten Vorzeichen glaube ich nicht, dass wir vor einem Schreckensszenario wie in den Dreißigern stehen.

"Vergeltungsmaßnahmen sind lediglich Symbolpolitik"

Als die EU Gegenmaßnahmen ankündigte, drohte Trump mit Strafzöllen auf Autos. Bis zu fünf Milliarden Euro könnte das die deutsche Wirtschaft kosten, befürchtet das Ifo-Institut. Was würde das für Deutschland bedeuten?
Das wäre ein ganz anderes Kaliber als Strafzölle auf Aluminium und Stahl. Zölle auf Autos beträfen die ganze Wertschöpfungskette in Europa und gingen sogar noch weit darüber hinaus. Ein Auto, das in Deutschland montiert wird, besteht zu 40 bis 50 Prozent aus Vorleistungen, die importiert werden. Sinken die Autoexporte, sinken auch die Vorleistungsimporte Deutschlands zum Beispiel aus vielen mittel- und osteuropäischen Ländern. Dies würde diese Länder härter treffen als das hoch entwickelte Deutschland und vielleicht dazu führen, dass sie ihre vergleichsweise  amerikafreundliche Haltung überdenken. Allerdings hat Trump gerade im Automobilbereich ein gutes Argument auf seiner Seite. 

Welches?
Wir Europäer erheben Zölle auf Autoimporte von zehn Prozent. Die stammen noch aus den frühen Neunzigern und wurden beschlossen während der Uruguay-Runde, der achten Welthandelsrunde. Einzelne EU-Partner wie Frankreich, Italien, Spanien oder Portugal hatten Importkontingente, um sich vor dem Import japanischer Autos zu schützen. Diese Kontingente sollten allmählich abgeschafft werden, da sie ja unvereinbar mit dem europäischen Binnenmarkt waren. Also haben die Europäer während der Übergangszeit im Rahmen der Uruguay-Runde Zölle von zehn Prozent durchgesetzt, die sich de facto nur gegen Japan richteten.

Die EU täte gut daran, einseitig diese Zölle zu senken. Das wäre in unserem eigenen Interesse, denn unsere Produktionen sind montagelastig, das heißt, die Vorleistungen sind nur niedrig bezollt, die Endprodukte dafür relativ hoch. Das schützt die letzte Stufe der Verarbeitung. Im Zuge des Strukturwandels in den Autoindustrien weltweit hin zum Elektroauto ist das für die EU eine Hypothek, weil Elektroautos nicht so montageintensiv sind wie herkömmliche Autos.

Wie die EU auf die neuen US-Zölle reagieren könnte

Stattdessen verhängt die EU in Reaktion auf Trumps Strafzölle ihrerseits Strafzölle auf Orangensaft, Whiskey und Motorrädern von Harley-Davidson gegen die USA. Ist das aus Ihrer Sicht zielführend?
Das ist eine typische Vergeltungsmaßnahme, zielführend ist das nicht. Das ist lediglich Symbolpolitik. Mit der Produktauswahl will man natürlich Trumps Wähler in den betreffenden Bundesstaaten wirtschaftlich treffen.

Glauben Sie nicht, dass das hilft?
Ich schätze, wir erreichen damit das Gegenteil dessen, was wir wollen. Es wird zu einer Trotzreaktion des US-Präsidenten kommen – vielleicht sogar zu Strafzöllen auf Fahrzeuge. Auch seine Wählerschaft dürfte sich dann eher mit ihm gegen die EU solidarisieren, als nachzugeben.

Als Reaktion auf Trumps Angriffe treibt die restliche Welt den freien Handel voran – allerdings zunehmend auf Basis bilateraler Abkommen. Davon profitieren vor allem starke Volkswirtschaften. Sehen Sie darin ein Problem?
Die Idee des Multilateralismus stammt aus den Vierzigern und Fünfzigern und wird schon lange nicht mehr beherzigt. Wir haben mittlerweile mehr als 500 bei der WTO notifizierte bilaterale Abkommen und sie verstoßen streng genommen allesamt gegen den Artikel 24 des GATT, der diese Abkommen unter strengen Auflagen als Ausnahme akzeptiert. Viele dieser Abkommen haben Schwellen- und Entwicklungsländer geschlossen. Aber auch strategisch große Abkommen – TTIP hätte ein solches werden können – bestimmen mehr und mehr den Welthandel. Die Gründung der EWG war auch nichts anderes als eine Verletzung der GATT-Regularien. Allerdings überprüft das niemand – und damit zerfällt der Multilateralismus. Letztlich ist der Bilateralismus genau im Sinne Trumps. 

Weil der Multilateralismus gerade die schwächeren Wirtschaften schützt?
Genau, Trump möchte immer direkt mit schwächeren Partnern verhandeln, weil er dann seine Deals durchsetzen kann. Gerade Mechanismen wie die WTO-Streitschlichtung haben kleineren Volkswirtschaften gegen solche Übervorteilungen geschützt, zumindest teilweise. Die Regeldisziplin lässt immer weiter nach, darüber bin ich in großer Sorge. Je mehr bilaterale Abkommen mit überlappenden Mitgliedschaften abgeschlossen werden, desto komplizierter und verworrener werden auch die Regeln. Der berühmte Ökonom Jagdish Bhagwati hat dafür das Bild der „Spaghetti-Schüssel“ geprägt. Für Unternehmen und Länder bedeutet das einen gigantischen Bürokratieaufwand – und damit verbunden große Kosten. Eine Besserung ist aktuell nicht in Sicht, ganz im Gegenteil.

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