




Zu Beginn des Jahres, falls sich noch jemand erinnert, hatte sich Deutschland von der CSU eine erregt geführte Debatte aufzwingen lassen: Darüber, ob Rumänen und Bulgaren mit ihrer neu gewonnenen EU-Freizügigkeit nun in Scharen in Deutschland einfallen würden, nur um den deutschen Sozialstaat betrügerisch auszunehmen. Dass derlei Untergangsszenarien bisher noch mit jeder Erweiterungsrunde der Union ausgerufen wurden und sich bisher nie bewahrheitet haben – geschenkt. Die Debatte war da.
Sie wird, ein wenig ruhiger, bis heute geführt - nun eben im Europawahlkampf. Die Zahl der Bulgaren und Rumänen steigt in der Tat. Vor allem aber ziehen keine „Sozialtouristen“ oder „Schmarotzer“ über die Grenze, nein, es reisen ziemlich viele gut ausgebildete Ärzte, Krankenschwestern und Ingenieure ein. Die Freizügigkeit kommt uns deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit nicht teuer zu stehen, sie macht uns reicher – in jeder Hinsicht.
Nichtsdestotrotz machen im Wahlkampf von AfD bis NPD Parteien Stimmung mit Plakaten wie diesen: „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“ (NPD) oder „Wir sind nicht das Weltsozialamt“ (AfD). Dass es Missbrauch des deutschen Sozialstaats gibt (etwa mit Schein-Gewerbe), ist korrekt, vielfach dokumentiert und muss unterbunden werden. So zu tun, als sei dies die Regel und nicht die Ausnahme, ist hingegen populistisch und schlicht falsch.
Nun gab es einen Umstand, der erregungsinteressierten Politikern in die Hände spielte: Manch deutsches Sozialgericht entschied zuletzt, dass Zuwanderern ab dem ersten Tag Hartz IV zustünde, obwohl das deutsche Recht in den ersten drei Monaten des Aufenthalts dies eigentlich kategorisch ausschließt – eben um das hohe Gut der Freizügigkeit nicht zu einem Freibrief auf höhere Sozialleistungen verkommen zu lassen.
Ob nun die absolute Gleichberechtigung aller EU-Bürger Vorrang hat oder eben das deutsche Recht – darüber muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) bald auf Bitten des Bundessozialgerichts entscheiden. Der Generalanwalt beim EuGH, dem die Richter durchaus häufig in ihren Urteilen folgen, hat nun in seinem Schlussantrag vor Gericht einen klaren Fingerzeig gegeben: Der deutsche Drei-Monats-Ausschluss von der Grundsicherung ist absolut vereinbar mit EU-Recht. Freizügigkeit ist eben nicht zu verwechseln mit der anspruchslosen Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Wer Arbeit sucht und sie auch findet, hat hingegen ein Recht auf Unterstützung (etwa im Fall niedriger Löhne oder mit großer Familie).
So nüchtern kann die Realität sein. Für Scharfmacher und Populisten sind das keine guten Nachrichten.