In der zweiten Aprilwoche erreichten die Baufinanzierungszinsen in Deutschland ein neues Rekordtief. Dabei hatten Anfang des Jahres noch viele Experten damit gerechnet, dass die Zinsen allmählich wieder steigen würden. Zypern-Krise, die schwache Konjunkturentwicklung in Europa und die expansive Geldpolitik Japans haben einen Zinsanstieg jedoch nochmals verzögert. „Interessenten, die eine Immobilie erwerben wollen oder Immobilienbesitzer, die eine Anschlussfinanzierung benötigen, sehen sich derzeit extrem günstigen Baufinanzierungszinsen gegenüber“, bestätigt Stephan Gawarecki, Vorstandschef des Immobilienfinanzierers Dr. Klein & Co..
Langfristig, so Gawarecki, sei dennoch mit deutlich höheren Zinsen zu rechnen. „Bei Abschluss eines Darlehens ist daher auf eine lange Zinsbindung in Kombination mit einer erhöhten Tilgung zu achten“, rät der Finanzierungsexperte. „So lässt sich das Anschlussfinanzierungsrisiko einer deutlich höheren monatlichen Rate für das Eigenheim ausschließen.“ Wer also für eine Hypothek mit festem Zins für zehn Jahre abschließt und gleichzeitig die niedrige Zinslast nutzt, um mehr von seinen Schulden abzutragen, muss bei der Anschlussfinanzierung nur noch eine deutlich geringere Kreditsumme finanzieren.
Die zehn häufigsten Fehler bei der Baufinanzierung
Vielen Bauherren wird zum Verhängnis, dass sie zu wenig eigenes Kapital für den Immobilienkauf angespart haben. 20 bis 30 Prozent Eigenkapital in der Baufinanzierung sollten es mindestens sein. Wer vermieteten Wohnraum kauft, sollte sich nicht von Finanzberatern überreden lassen, möglichst viel über Kredit zu finanzieren, um Steuern zu sparen. Das ist unsinnig, denn das Finanzamt zahlt maximal die Hälfte der Zinsen zurück.
Baugeld über 15 Jahre kostet derzeit etwa 3,0 Prozent pro Jahr. Wer baut oder kauft, sollte die Niedrigzinsen nutzen, um mehr zu tilgen. Ein Beispiel: Ein Bauherr nimmt 200.000 Euro zu 3,0 Prozent über 15 Jahre auf. Nach Ende der Zinsbindung steigt der Zins auf 5,0 Prozent. Tilgt er 2,0 Prozent pro Jahr ist er nach 28 Jahren und zehn Monaten schuldenfrei. Bei einer Tilgung von 1,0 Prozent pro Jahr dauert es 40 Jahre und acht Monate. Je länger die Baufinanzierung läuft, desto mehr Zinsen zahlt der Kreditnehmer.
Nicht alle Kosten, die die Bank für einen Baukredit berechnet, sind im effektiven Jahreszins enthalten. Einige Banken berechnen beispielsweise Bereitstellungszinsen, wenn das Darlehen bewilligt ist, aber nicht abgerufen wird, andere verzichten darauf. Diese Nebenkosten verteuern den Kredit. Wer diese Extras übersieht, schließt möglicherweise ein schlechteres Angebot ab.
Wer ein Haus baut oder eine gekaufte Immobilie saniert, muss immer mit bösen Überraschungen rechnen. Meist liegen die Baukosten höher als ursprünglich veranschlagt. Wenn das Ersparte und der Kredit nicht ausreichen, steht das Projekt auf der Kippe. Baufinanzierer sollten daher Mehrkosten von zehn bis 15 Prozent einplanen.
Viele Bauherren wollen selbst anpacken, um Geld zu sparen. Sie überschätzen oft ihre Fähigkeiten oder ihr Zeitbudget. Wenn dann doch Handwerker ranmüssen, stimmt die Kalkulation nicht mehr. Besser ist es, den Wert der Eigenleistung konservativ anzusetzen.
Baufinanzierungen laufen über 30, 35 Jahre. In dieser Zeit fallen weitere Kosten für die Instandhaltung und Sanierung der Immobilie an. Wer nach Zins und Tilgung sein Budget ausgeschöpft hat, kann die Substanz seiner Immobilie nicht erhalten. Immobilieneigentümer sollten daher pro Jahr mindestens ein Prozent des Immobilienwerts als Rücklage ansparen.
Eine Baufinanzierung ist ein Projekt mit vielen Unbekannten. Schicksalsschläge lassen sich weder einplanen noch vermeiden. Tod oder Berufsunfähigkeit des Hauptverdieners können die Angehörigen in finanzielle Not bringen. Ohne ausreichenden Versicherungsschutz, muss die Immobilie unter Umständen zwangsversteigert werden. Sinnvoll sind Risikolebensversicherungen und Berufsunfähigkeitsversicherungen.
Banken haben kein Interesse daran, bei sinkenden Marktzinsen, ihre eigenen Konditionen nach unten anzupassen. Wer nicht rechtzeitig umschuldet, zahlt für die Anschlussfinanzierung wahrscheinlich zu hohe Zinsen. Baufinanzierer sollten sich spätestens sechs Monate vor Auslaufen der Zinsbindung nach einer Anschlussfinanzierung umschauen. Dabei sollten sie auch Angebote von anderen Banken als nur von der Hausbank einholen.
Viele Kinder bekommen schon bei der Geburt einen Bausparvertrag. Sie sollen sich damit später ein eigenes Heim finanzieren. Wer allein auf Bausparen setzt, zahlt jedoch am Ende zu viel für seine Baufinanzierung. Meist sind Bankkredite günstiger. Das liegt an der ungünstigen Kombination aus unattraktivem Sparzins und niedrigem Bauzins. Besser ist es, in Eigenregie anzusparen und damit den Eigenkapitalanteil erhöhen.
Wer eine Immobilie finanziert, kann neben der klassischen Finanzierung über Bankkredit oder Bauspardarlehen auch eine Lebensversicherung zur Tilgung einsetzen. Der Bauherr spart dabei in eine Lebensversicherung und zahlt Zinsen für das Baudarlehen. Später tilgt das Guthaben aus der Lebensversicherung den Kredit. Risiko: Oft ist das Guthaben aus der Police zu klein. Es bleibt eine Restschuld, die der Immobilieneigentümer abstottern muss. Besser ist es, auf tilgungsfreie Darlehen ganz zu verzichten.
Dänemarks Immobilienboom
In Dänemark sahen Banken und Hauskäufer das während des vergangenen Jahrzehnts offenbar deutlich anders. Dort wurde bereits 2003 die Möglichkeit geschaffen, einen Hauskauf in den ersten zehn Jahren ganz ohne Schuldentilgung zu finanzieren. Damit sollte der Kauf eines Eigenheims auch Familien ermöglicht werden, die sich die Monatsraten inklusive Tilgung nicht leisten konnten. Die tilgungsfreie Hausfinanzierung löste in Dänemark einen Boom aus. Die Immobilienpreise stiegen. Heute schätzt die dänische Bankenvereinigung, dass 56 Prozent aller Immobilieneigentümer eine tilgungsfreie Finanzierung gewählt haben. Erst nach zehn Jahren beginnen sie, die Schulden abzutragen. Die Banken vergeben bei solchen Baufinanzierungen maximal 80 Prozent des Immobilienwerts als Kredit. Viele Dänen verließen sich auf die Versprechen der Politik, das Risiko dieser Immobilienkredite sei gleich null, denn wenn die Tilgungsfreiheit nach zehn Jahren ablaufe, sei der Wert des Hauses so gestiegen, dass man innerhalb der 80-Prozent-Beleihungsgrenze einfach ein neues Darlehen aufnehmen könne.
Gefährlicher Bumerang
Aber das beliebte dänische Finanzierungsmodell erweist sich jetzt, da die ersten Baufinanzierungen nach zehn Jahren auslaufen und die Hausbesitzer eine Anschlussfinanzierung benötigen, als gefährlicher Bumerang. Denn seit 2008, so kritisieren Internationaler Währungsfonds und die Ratingagentur Standard & Poor‘s, sind die Immobilienpreise um rund ein Viertel gefallen. Für Dänen, die jetzt oder in Kürze eine Anschlussfinanzierung benötigen, ist das eine Katastrophe. Denn unter Umständen sind nach den zehn tilgungsfreien Jahren ihre Schulden deutlich höher als der Wert ihrer Immobilie. Dann wird es für die Hauskäufer nicht nur wegen der einsetzenden Tilgung teurer, sondern eventuell sogar schwierig, eine Bank zu finden, die überhaupt bereit ist, die Hypothek weiter zu finanzieren. Und sollte sich doch eine finden, wird sie sicherlich einen zusätzlichen Risikoaufschlag beim Kreditzins verlangen. Für dänische Hauskäufer, der vor zehn Jahren gekauft, aber bis heute keine Schulden getilgt hat und die höheren Kreditraten nicht stemmen kann, bedeutet das den Zwangsverkauf der Immobilie. Statt im eigenen Haus sitzt er dann der Restschuld, die nicht durch den Verkaufserlös gedeckt ist.
Berechnungen der Universität Odense gehen davon aus, dass in drei bis vier Jahren rund 100.000 dänische Haushalte davon betroffen sein dürften. Sie stünden dann kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, sollten die Immobilienpreise bis dahin nicht wieder deutlich ansteigen.
Steigende Verschuldung der Privathaushalte
Bei den aktuell auslaufenden Krediten ohne Tilgung stehen Dänemarks Zentralbank zufolge nur sehr wenige Hauskäufer vor Zahlungsengpässen. Aber die Notenbanker rechnen damit, dass ihre Anzahl in den kommenden Jahren deutlich ansteigt. Weil so viele Dänen von der Möglichkeit gebraucht gemacht haben und weiter machen, ist die Verschuldung der Privathaushalte nach einer Schätzung von S&P auf 322 Prozent der verfügbaren Einkommen gestiegen. Zum Vergleich: Trotz Immobilienbooms in Deutschland beträgt die Schuldenquote der hiesigen Haushalte im Durchschnitt nur 80 Prozent der verfügbaren Einkommen. Die zuständige IWF-Expertin Yingbin Xiao forderte gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg in einem Interview, diese „in vielen Ländern verbotene“ Darlehensform müsse stufenweise abgeschafft werden. Angesichts eines Kreditvolumens von 1,3 Billionen Kronen (175 Milliarden Euro) sei eine sofortige die Abschaffung der tilgungsfreien Kreditfinanzierung keine Option, doch man möge erwägen, die Beleihung von 80 auf 60 Prozent des Immobilienwerts zurückzufahren, so der IWF.
Noch läuft die Schuldenparty, die Kredite ohne Rückzahlung werden weiter vergeben. Allerdings stiegen laut Finanzaufsicht FSA die Abschreibungen der Hypotheken-Branche in nur sechs Monaten bereits um mehr als die Hälfte. Immerhin haben die Immobilienfinanzier – auf Druck der Zentralbank – erkannt, dass sie die Billigkredite deutlich restriktiver vergeben müssen. Dennoch könnte ein Platzen der dänischen Immobilienblase auch für die Banken ein übles Nachspiel haben, wenn sie von vielen Hauskäufern wegen Falschberatung bei der Immobilienfinanzierung verklagen. Beim großen dänischen Immobilienfinanzierer Realkredit heißt es zumindest, man sei in letzter Zeit deutlich vorsichtiger geworden.
Schließlich würde ein Platzen der Immobilienblase mit vielen unbedienten Hypothekenkrediten auf die gesamte Wirtschaft ausstrahlen. Das hat das Beispiel USA gezeigt, wo die geplatzte Immobilienblase nach allzu generöser Kreditvergabe letztlich die internationale Finanzkrise auslöste.