
François Hollande wollte es so. Doch das 250-seitige Dokument, das Didier Migaud, Chef des französischen Rechnungshofes, am Montag der Regierung Hollande präsentierte, dürfte gar nicht nach dem Geschmack des Präsidenten gewesen sein. Denn darin wird bis ins letzte Detail aufgeführt, in welch verheerender Situation der französische Haushalt ist. Um die auf europäischer Ebene vereinbarten Defizitziele zu erreichen, muss Frankreich demnach bis zum Ende kommenden Jahres rund 47 Milliarden Euro auftreiben.
Hollande hatte die Untersuchung kurz nach seiner Wahl angeordnet, um mit der Vorgängerregierung Sarkozy „reinen Tisch“ zu machen, wie er sagte. Viele Beobachter vermuteten darin ein Manöver, das Hollande erlaube würde, seine Wahlversprechen zurückzunehmen. Frei nach dem Motto: „Liebe Wähler, ich habe Euch viel versprochen, aber angesichts der Situation, werde ich meine Versprechen leider nicht halten können.“
Die Beobachter, so zeigen die ersten Reaktion aus dem Élysée-Palast und des Premierministers Jean-Marc Ayrault, haben sich – wieder einmal – in Hollande getäuscht.
Düstere Wachstumsprognosen
Zwar hat der Rechnungshof den Scherbenhaufen, den die Vorgängerregierung hinterlassen hat, in seinem ganzen Ausmaß aufgezeigt. Aber seine teuren Wahlversprechen aufzugeben, daran denkt Hollande keinesfalls. Das scheint umso paradoxer, wenn man die Defizitziele bedenkt, die Hollande für dieses und das kommende Jahr vorgegeben hat. Demnach will der Präsident im Jahr 2012 das Defizit auf 4,5 Prozent und in 2013 auf drei Prozent reduzieren. Um das zu erreichen, fehlen der Regierung in diesem Jahr bis zu zehn Milliarden Euro und 2013 dann rund 33 Milliarden im Haushalt.
Die Kalkulation des Rechnungshofes fiel deshalb so überraschend verheerend aus, weil sich die Wachstumsprognosen für Frankreich in den vergangenen Wochen verdüsterten. So ging Hollande noch während des Wahlkampfes von einem Wachstum für 2012 von 0,7 Prozent aus und für 2013 von 1,75 Prozent. Die Untersuchung des Rechnungshofes legt jetzt ein Wachstum von 0,4 Prozent für dieses Jahr und von einem einem Prozent für das kommende Jahr zu Grunde.
Eingeschlossen in den rund 43 Milliarden Euro sind aber noch nicht einmal die Kosten der Wahlkampfmaßnahmen, die Hollande bisher umgesetzt hat. So kostet die Erhöhung des Mindestlohns die Regierung für ihre Angestellten beinahe 700 Millionen Euro jährlich. Die Senkung des Rentenalters für lang arbeitende Franzosen von 62 auf 60 Jahre wird noch einmal pro Jahr mit rund einer Milliarde Euro zu Buche schlagen. Hinzu kommt 2013 noch eine Strafzahlung aus Brüssel für ältere Steuerverfahren von rund fünf Milliarden Euro. Insgesamt steigt das Haushaltsminus damit auf knapp 50 Milliarden Euro Ende 2013.
Die französische Regierung will nicht sparen
Hollande und die französische Regierung stehen also vor einer Mammutaufgabe. Und was machen sie? Sparen auf jeden Fall nicht, glaubt man dem Premier Jean-Marc Ayrault, der gestern seine erste Regierungserklärung vor der Nationalversammlung hielt. „Ich lehne Austerität ab“, sagt er vor dem gerade neu gewählten Parlament und bewegte sich damit genau auf der Linie, die Hollande im Wahlkampf vorgegeben hatte.
Auch davon, die Ausgaben im öffentlichen Sektor zu reduzieren, wie es der Rechnungshof vorgeschlagen hat, wollte Ayrault nichts wissen. Stattdessen hält er weiter an Hollandes Plan fest, in den kommenden fünf Jahren 60.000 neue Lehrer einzustellen. Dafür sollen in anderen Bereichen zwar Beamtenstellen gestrichen werden, aber am Ende reduzieren sich die Ausgaben nicht.