Herfried Münkler "Wir sind die Gegenstimme des Leichtsinns"

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Erster Diener des Staates

Angela Merkel trinkt Sekt Quelle: dpa

Wir sind also mit Friedrich noch nicht fertig?

In einer Republik, in der Korruption ein drängendes Thema geworden und die Unzufriedenheit der Bürger mit ihren Politikern groß ist, bleibt Friedrich eine Herausforderung. Er legt nahe, von unseren Politikern zu erwarten, dass sie Diener ihres Staates sind – und dass sie kein glamouröses Bühnenleben aufführen, in dessen Abglanz wir uns sonnen.

Er stellt uns die Frage, ob wir es mit der Integrität von Bundeskanzlerin Angela Merkel halten oder mit den Geltungsbedürfnissen von Bundespräsident Christian Wulff?

Vergessen Sie nicht den Freiherrn zu Guttenberg, dessen Rückkehr auf die politische Bühne droht.

Angela Merkel hat sich jedenfalls, als sie Kanzlerkandidatin wurde, ausdrücklich auf den „Alten Fritz“ bezogen: Sie wolle Deutschland dienen als Kanzlerin.

Das war eine Distinktion gegenüber dem Regierungsstil Gerhard Schröders, den Zigarren im Kanzleramt, dem Rotwein, den Brioni-Anzügen. Die Deutschen können sich nicht recht entscheiden. Sie wünschen sich auf der einen Seite Staatsdiener, wie sie preußischer nicht sein können – und auf der anderen Seite Glanz und Glamour.

Friedrich selbst war sich da offenbar auch nicht so sicher. Wer in den ersten Schlesischen Krieg zieht mit den Worten: „Ich habe ein Rendezvous mit dem Ruhm!“…

… der setzt den Staat aufs Spiel für seine persönlichen Interessen, gewiss. Aber im weiteren Verlauf seiner 46 Regierungsjahre hat Friedrich sich tatsächlich als erster Diener seines Staates begriffen. Wenn Helmut Schmidt später gesagt hat, er sei der erste Angestellte der Bundesrepublik, dann war das eine sozialdemokratische Friedrich-Variation, die Merkel mit dem Dienstgedanken wieder auf konservative Füße gestellt hat.

Ist der politische Dienstgedanke original Friedrich?

Nein, aber Friedrich ist derjenige, der gegen den barocken Absolutismus des Südens, gegen die vielen Duodezfürsten in Deutschland, die sich damals ihr eigenes Miniatur-Versailles schaffen, das nordöstlich-protestantische Deutschland ins Spiel bringt – und dabei den Dienstgedanken in den Mittelpunkt stellt. Friedrich steht für das Nicht-Süddeutsche, das Nicht-Barocke, für die klassizistische, strenge Form. Das Leben, das er führt, ist – zumal in der Stilisierung durch seine Zeitgenossen – ein Leben, das nicht Selbstgenuss und Vergnügen zum Ziel hat, sondern die Umsetzung einer politischen Idee: Preußen muss Großmacht werden.

So expansiv und vaterländisch geht es heute nicht mehr zu. Was meint Merkel mit dem Satz: „Ich will Deutschland dienen“?

Dienen – das ist heute ein Statement gegen die Auflösung von Politik im Medienzauber und gegen das Verschwinden von Programmatik in Selbstinszenierung. Insofern ist Friedrich vor allem ein Jungbrunnen für bewusste Selbstbescheidung. Und für eine politische Identität, die nicht dadurch begründet ist, öffentlich möglichst prächtig in Erscheinung zu treten.

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