Herrenlose Konten in der Schweiz Auf der Suche nach dem verlorenen Geld

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Meldet sich niemand, fließt das Geld an den Staat

Gutmann hatte Glück: Da er den Nachlass von Johanna Aiple abgewickelt hat, hatte er viele Unterlagen von Johanna noch daheim. Was ihm aber fehlte, waren die Dokumente zum Erbfall Elisabeth. Er musste beweisen, dass Johanna die Alleinerbin war und der Erbengemeinschaft Johanna Aiple folglich das Geld von Elisabeth zustünde.

Elisabeths Testament besorgte er also beim Notariat der Stadt. Zunächst dachte er, dass er es in Haslach bekäme, die Mitarbeiter schicken ihn aber nach Gegenbach – denn dort ist die alte Dame verstorben. Wer den letzten Willen des Verstorbenen einsehen will, sollte also am Sterbeort nachforschen. Gutmann schrieb einen freundlichen Brief. Als ehemaliger Kämmerer der Stadt Haslach kennt er bis heute viele Leute. „Die Antwort kam sehr schnell“, freut er sich. Bald hatte er das Testament und den Erbschein in Händen.

Die größten Steueroasen der Welt
Bei der Nichtregierungsorganisation Tax Justice Networks steht die Schweiz an erster Stelle der Steueroasen – trotz aller Abkommen zum Informationsaustausch. Grund für die Top-Platzierung ist für die NGO die nach wie vor hohe Geheimhaltung von Finanzdaten in der Alpenrepublik. Quelle: dpa
Hongkong steht wegen seiner Verschwiegenheit bei der NGO Tax Justice Networks auf Rang zwei der Schattenfinanzplätze. Auch hier spielt der britische Einfluss noch eine große Rolle, da HK über mehr als ein Jahrhundert eine Kronkolonie war, bevor es in den 90er Jahren wieder an China fiel, aber weiter getrennt verwaltet wird. Quelle: AP
Luxemburg hat sich seinen Wohlstand – das Pro-Kopf-Einkommen liegt doppelt so hoch wie in Deutschland – durch eine äußerst wohlwollende Besteuerung erarbeitet, bei dem die Finanzverwaltung in geheimen Vereinbarungen („tax rulings“) gern auch mal nur ein Prozent Steuern verlangt. Quelle: dpa
Der US-Bundesstaat Delaware profiliert sich durch extrem niedrige Unternehmenssteuern. Hunderttausende Firmen sind dort registriert, auch namhafte deutsche. Nicht nur das Steuerklima ist dort günstig; Firmen lassen sich binnen eines Tages gründen. Quelle: dpa
Karibikeilande wie die Cayman Inseln, die Britischen Jungferninseln und die Bermudas zählen zu den echten Paradiesen mit viel Sonne, Strand und keinen Steuern für Unternehmen, Werktätige und Privatiers. Quelle: dpa
Irland ist für Unternehmen ein interessantes Land. Allerdings ist der Klassiker, das Double Irish mit Dutch Sandwich, nicht mehr im Angebot. Statt dessen gibt es nun eine „Knowledge Box“, mit deren Hilfe Unternehmen nur 6,25 Prozent Steuern zahlen müssen. Quelle: dpa
Deutschland gilt ebenfalls für manche als Steueroase, vor allem für reiche Unternehmer, die vererben wollen. Dank großzügiger Verschonungsregeln können selbst Milliardäre steuerfrei übertragen, wenn sich das Vermögen in Unternehmen befindet. Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb eine Reform angemahnt. Quelle: dpa

Als nächstes musste er zum Standesamt. Dort besorgte er die Sterbeurkunde. Auch das war einfach – so heißt es auf der Internetseite der Stadt Haslach, dass man Urkunden „formlos“ beantragen könne: persönlich auf dem Standesamt des Sterbeortes oder telefonisch beziehungsweise schriftlich, etwa per Fax oder Mail. Viel Geld musste Gutmann auch nicht in die Hand nehmen: „Maximal ein paar Euro plus Porto – der größte Aufwand bestand darin, zu recherchieren, wo es welche Unterlagen gibt und sie dann zu beantragen“, sagt er.

Wer noch keinen Erbschein hat, bekommt ihn beim Nachlassgericht – unter Vorlage der Sterbeurkunde. Wer etwa in Düsseldorf einen Erbschein beantragen will, soll außerdem auch Personenstandsurkunden wie Geburts- und Eheurkunden oder das Familienstammbuch mitbringen.

Erst, als Gutmann alle Unterlagen zusammenhatte, konnte es im Frühjahr so richtig losgehen: Da er mit seinen 70 Jahren mit Computern nicht so bewandert ist, übergab er der WirtschaftsWoche die gesammelten Unterlagen und eine Vollmacht. Die Redaktion digitalisierte die Unterlagen am Scanner, benannte die Dokumente jeweils richtig und füllte den Antrag für Gutmann aus. Das dauerte etwa 30 Minuten. Dabei war es wichtig, alle Unterlagen griffbereit auf dem Computer zu haben -, denn wenn man beim Ausfüllen des Antrags länger als 30 Minuten nichts eingegeben hatte, musste man neu beginnen.

Ab jetzt konnte es Monate dauern.

Gutmann hatte Glück: Schon zwei Wochen später meldete sich die UBS. Treffer! Die Bank bestätigte in einem kurzen Brief, dass Gutmann als Erbe der Verstorbenen berechtigt sei, Auskünfte zu erlangen. Einen „aktuellen Vermögensausweis“ legte die UBS bei. Elisabeth Aiple hatte offenbar als junge Frau ein Sparbuch bei der Sparkasse Basel eingerichtet – eine Bank, die die UBS später übernommen hat. So wurde Elisabeth Aiple Kundin der UBS. Ob die Dame das Geld einfach vergessen hat oder es als eiserne Reserve halten wollte? Dieses Geheimnis hat sie mit ins Grab genommen.

Bevor die UBS das Geld auszahlen könne, schrieb die Bank an Gutmann, benötige sie eigentlich die Unterlagen im Original oder aktuelle, beglaubigte Kopie. „Um das weitere Vorgehen aber zu vereinfachen“, schrieb die UBS, sei die Bank bereit, die einfachen Kopien zu akzeptieren. „Im Gegenzug bitten wir Sie aber, die beiliegende Schadloserklärung“ zu unterschreiben und an die Bank zu senden. Außerdem sollte Gutmann eine Verlusterklärung für das „Original Sparheft Nr. 49932“ unterzeichnen.

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