Das Interesse vieler Banken, nach verschollenen Kunden zu suchen, hält sich in Grenzen. Schließlich ziehen vor allem Erben wie Gutmann das Geld meist ab. Doch Schweizer Banken müssen, das ist Vorschrift, Kunden auftreiben. Sie haben daher eigene Abteilungen, die recherchieren. Aufwand und Kosten für die Suche sollen sich an der Höhe der Vermögenswerte ausrichten. Wer viel hat, wird gründlicher gesucht. Banken beauftragen deswegen immer wieder Anwälte oder Erbenermittler, Kunden oder ihre Erben zu finden.
Den Fall Aiple hätte die UBS lösen können: Denn Elisabeth Aiple war von 1945 bis 1974 gemeinsam mit ihrer Schwester Johanna Wirtin im Gasthaus „Aiple“ in Haslach. So steht es bis heute in der Chronik des Gasthauses auf deren Internetseite – die Google-Suche „Elisabeth Aiple Haslach“ führt direkt dorthin. Und wer in der Gaststätte anruft, bekommt freundliche Auskunft vom neuen Besitzer. Er kennt Gutmann und verweist im Fall Aiple direkt auf ihn. Dennoch trieb die UBS ihre Kundin oder deren Erben nie auf.
Die UBS sagt, dass sie „unmittelbar vor der Publikation“ nochmals sämtliche Daten der betroffenen Kundenverbindung prüfe. Im Fall Aiple habe die „UBS Fachstelle“ Informationen zu Frau Aiple gefunden, welche bis 1974 gemeinsam mit ihrer Schwester Johanna Aiple ein Gasthaus führte. Doch: Das Gasthaus sei Anfang der 80er Jahre verkauft worden und „im deutschen Telefonbuch war kein Eintrag zu Elisabeth Aiple oder ihrer Schwester auffindbar“. Da der Bank lediglich Name, Ort und Sparheftnummer bekannt waren, „konnte kein eindeutiger Zusammenhang zwischen den gefundenen Personen und der Kontoinhaberin hergestellt werden“.
Das ist allerdings auch kein Wunder, denn die UBS sagt selber, dass Elisabeth Aiple im Jahr 1991 verstorben ist. Und für gewöhnlich stehen Tote eben nicht im Telefonbuch. Die Kundenbeziehung, so die UBS, habe „erst ab 1995 aufgrund der Übernahme der Regiobank beider Basel“ bestanden. Die Bank habe den Kontakt zu Aiple daher zu Lebzeiten „faktisch gar nicht“ herstellen können.
Bislang durften Banken in der Schweiz herrenlose Konten weiterführen und Gebühren kassieren. Im Fall von der verstorbenen Aiple lagen diese Kosten bei 24 Franken im Jahr. Aufgrund der zuletzt niedrigen Zinsen haben die Gebühren die Zinseinnahmen aufgefressen, die Gebühren haben das Guthaben auf dem Sparbuch in den vergangenen zehn Jahren gar um rund 170 Franken geschmälert. Für Banken, die viele solcher Kunden haben, macht Kleinvieh Mist. Die UBS sagt, dass die Gebühren im Fall Aiple erst ab dem Jahr 2002 abgezogen worden seien.
Für Gutmann endete die Schatzsuche mit Ernüchterung. Am Ende blieben der Erbengemeinschaft umgerechnet nur noch 1055 Euro. Wehrmutstropfen: Das Geld hat die UBS jetzt schnell und problemlos ausgezahlt. Gutmann muss es nun mit den übrigen 15 Erben teilen. Für ein sparsames Abendessen mit seiner Frau reicht das unverhoffte Erbe aber gerade noch.
Steuerlich gesehen hat die Erbengemeinschaft Glück: Da sowohl Aiple als auch die Schwester vor über zehn Jahren verstorben sind, müssen die Erben die Steuererklärungen der alten Damen nicht mehr nachträglich korrigieren – die Sache ist für das Finanzamt verjährt. Ebenso ist es heute egal, ob das ursprünglich auf dem Sparbuch deponierte Geld Schwarzgeld war oder nicht. Interessieren könnten das Finanzamt allerdings die Erträge. „Nach dem Tod werden die Erträge den Erben zugerechnet – ob die davon wissen oder nicht“, sagt Anke Brinkhus von der Kanzlei Schindhelm aus Hannover. Da die Erben nichts von dem Vermögen und den damit verbundenen Erträgen wussten, verjähre die Steuer auf die Zinsen aber schon nach vier statt wie bei einer Steuerhinterziehung nach zehn Jahren, sagt die Anwältin.
Doch Achtung: Die Frist beginnt erst mit Ablauf des Jahres der Abgabe der Steuererklärung. Wer seine Steuererklärung für das Jahr 2011 also 2013 abgegeben hat, muss die Erklärung für 2011 nun nachträglich berichtigen.
Im Fall Gutmann ist das allerdings unerheblich: Im Jahr 2015 lagen die Zinsen für das Guthaben auf dem Sparbuch bei 0,15 Franken – macht also nicht mal einen Cent Zinsen für jeden der 16 Erben.