Hilfspaket für Griechenland Zustimmung aus Finnland, Zweifel in Brüssel

Die Finnen haben dem dritten griechischen Hilfspaket zugestimmt. Dabei wurde heute bekannt, dass dessen Umfang vermutlich doch höher liegt als bislang erwartet und in Brüssel ist die Rede von neuen großen Bedenken.

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Was Sie über Griechenland wissen sollten
Für die griechische Nationalmannschaft gab es lange keinen Spitznamen. Erst, nachdem die Griechen die EM 2004 gewannen, erhielten sie den Spitznamen „To Piratiko “, zu deutsch: das Piratenschiff. Der Name ist eine Anspielung auf die Seefahrernation Portugal, der die Griechen die Trophäe abluchsten. Quelle: dapd
Dem berühmten antiken Mathematiker, Physiker und Ingenieur Archimedes wird das Zitat zugeschrieben: „Gib mir einen Punkt, auf dem ich stehen kann, und ich werde dir die Welt aus den Angeln heben“. Doch auch mit einem festen Punkt und mithilfe eines Flaschenzugs hätte Archimedes das nicht vollbringen können: Selbst mit der Geschwindigkeit eines galoppierenden Pferdes hätte er 45 Billionen Jahre lang ziehen müssen, um die Erde auch nur einen Daumen breit verschieben zu können. Quelle: dpa
Griechenland, damit verbinden viele vor allem Sonnenschein und warme Temperaturen. Und tatsächlich hat das Land einen Rekord zu bieten: In Iraklio auf der Insel Kreta wurde noch nie eine Temperatur unter 0 Grad Celsius gemessen. Quelle: dapd
Ob Vicky Leandros oder Nana Mouskouri: Der griechische Schlager ist in Deutschland beliebt, „Weiße Rosen aus Athen“ oder „Theo, wir fahr‘n nach Lodz“ klingen im Ohr. Was aber viele nicht wissen: Vicky Leandros war auch als Politikerin aktiv. 2006 errang sie ein Mandat bei den Kommunalwahlen in Piräus für die sozialdemokratische Pasok-Partei. Sie wurde Stadträtin für Kultur und Vizebürgermeisterin. 2001 und 2006 war sie sogar in Deutschland als Kultursenatorin im Gespräch, zuerst für Hamburg und fünf Jahre später für Berlin. Leandros lehnte das Angebot aber ab. Quelle: AP
2008 schaffte es die größte Bougatsa der Welt ins Guinness-Buch der Rekorde. Dabei handelt es sich um ein Blätterteig-Gebäck, das süß oder herzhaft gefüllt wird und besonders in Nordgriechenland verbreitet ist. Die Rekord-Bougatsa wog 182,2 Kilogramm und war 19,97 Meter mal 58,5 Zentimeter groß und 2 Zentimeter dick. Sie wurde im ostmakedonischen Serres in einem 20 Meter großen Ofen zubereitet.Foto: Konstantinos Stampoulis, GNU-Lizenz 1.2
Für die Zeit zwischen 1200 vor Christus bis etwa 750 vor Christus gibt es kaum historische Belege wie Schriftstücke oder archäologische Funde. Die Zeit wird daher auch als die „Dunklen Jahrhunderte“ bezeichnet. Quelle: REUTERS
Eine Geschichte, die Schlagzeilen machte: Im Juli 2011 fiel auf der griechischen Urlaubsinsel Samos der Strom aus – auch in einem Krankenhaus. Eine Frau, die gerade in den Wehen lag, musste ihr Baby im schwachen Schein von Handydisplays gebären. Das Kind kam trotz allem gesund zur Welt. Quelle: dapd

Finnland will ein drittes Hilfspaket für Griechenland genehmigen. Der zuständige Parlamentsausschuss gab dem finnischen Finanzminister Alexander Stubb dafür am Donnerstag grünes Licht. „Es ist ein starkes Mandat“, sagte Stubb nach der Entscheidung vor Journalisten. Von 25 Mitgliedern des sogenannten Grand Committee hatten zuvor 18 für das neue Paket gestimmt und vier dagegen. Dazu gab es eine Enthaltung, zwei Mitglieder waren nicht zur Abstimmung erschienen. Finnland gehört zu den größten Kritikern der Finanzhilfen an Griechenland. Der rechtspopulistische Außenminister Timo Soini setzt sich seit langem für einen Austritt der Griechen aus der Eurozone ein.

Derweil scheint es von Seiten der europäischen Institutionen ernsthafte Bedenken geben hinsichtlich der Fähigkeit Griechenlands, seine Schulden zurückzuzahlen. Dies geht aus Dokumenten hervor, die Bloomberg und der Deutschen-Presse-Agentur vorliegen.

Was droht Griechenland und seinen Banken?

Laut Basisszenario wird die griechische Verschuldung im kommenden Jahr mit 201 Prozent des Bruttosozialprodukts ihren Höhepunkt erreichen, um bis 2022 auf 160 Prozent zu sinken.

Der Internationale Währungsfonds hat in der Vergangenheit einen Schuldenstand in Richtung 120 Prozent für eigene Hilfen vorausgesetzt. Bei den Verhandlungen über das dritte Hilfsprogramm für Griechenland hat der IWF mit der Forderung nach einem weiteren Schuldenerlass bei Deutschland für Verärgerung gesorgt.

Die europäischen Schätzungen deuten den Dokumenten zufolge zwar auf ernste Bedenken zur Tragfähigkeit der griechischen Schulden hin. Das Problem könne jedoch ohne einen nominalen Schuldenschnitt gelöst werden, hieß es.

Die Schuldenlast Griechenlands ist eines der schwierigsten Themen beim Treffen der Finanzminister am Freitag in Brüssel, wenn es um das neue, rund 85 Mrd. Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland geht.

Vom Pressebüro der Europäischen Kommission war auf Anfrage unmittelbar keine Stellungnahme zu der Studie zu erhalten.

von Andreas Macho, Melanie Bergermann, Mark Fehr, Silke Wettach

Aber laut der Schuldentragfähigkeitsanalyse könnte das neue Hilfsprogramm dennoch beschlossen werden. „Eine angemessene Kombination aus Laufzeitverlängerungen und tilgungsfreien Zeiten für Kapital und Zinsen würde es möglich machen, Griechenlands Schulden in Bezug auf den Bruttofinanzierungsbedarf auf ein tragfähiges Niveau zu bringen - ohne klassischen „Haircut“ (Schuldenschnitt)“, heißt es in dem Papier für die Sondersitzung der Finanzminister der Euro-Staaten an diesem Freitag in Brüssel.

Griechenland-Rettung ohne Schuldenschnitt geplant

Griechenland soll mit einem riesigen Hilfspaket und ohne einen Schuldenschnitt wirtschaftlich wieder auf die Beine kommen. Das auf drei Jahre angelegte Rettungsprogramm soll einen Umfang von 91,7 Milliarden Euro haben, einschließlich Erlösen aus dem Verkauf von Staatsvermögen, wie Reuters am Donnerstag erfuhr. In einer ersten Rate sollen noch im August 23 Milliarden Euro nach Athen fließen. Mit den neuen Darlehen steigt der Schuldenberg des Landes 2016 auf einen Rekord von 201 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Damit es nicht daran erstickt, sind punktuell Schuldenerleichterungen vorgesehen. In der Nacht wollte das Parlament in Athen über das im Gegenzug fällige Reformprogramm abstimmen - der radikal-linken Regierungspartei Syriza droht allerdings eine Spaltung, was Neuwahlen nötig machen könnte.

Mit dem frischen Geld des Euro-Rettungsfonds ESM könnte die Regierung eine Rückzahlung an die Europäische Zentralbank (EZB) von 3,2 Milliarden Euro leisten, die am 20. August fällig wird. Die akute Gefahr einer Staatspleite wäre damit vorerst gebannt. In einer Reuters vorliegenden Analyse äußern die von den Geldgebern beauftragten Institutionen allerdings Zweifel, ob das Land seine Schulden mit Zinsen auf Dauer verlässlich zurückzahlen kann. Deshalb sollen die Laufzeiten früherer Kredite gestreckt werden.

Entscheidende Hürde im griechischen Parlament

Eine Mitschuld an dem rasant gewachsenen Bedarf weisen die Institutionen der Regierung in Athen zu, die im Januar mit dem Versprechen angetreten war, den Spar- und Reformkurs zu beenden. Die Folge war eine drohende Staatspleite und vorübergehende Bankenschließungen. Dabei sah die Lage nach Angaben des Athener Statistikamtes bis zur Zuspitzung der Verhandlungen gar nicht so schlecht aus: Im zweiten Quartal wuchs die Wirtschaft um 0,8 Prozent. Experten zufolge liegt dies vor allem am Tourismus. Für das Gesamtjahr 2015 rechnen die Institutionen allerdings damit, dass die Wirtschaft um 2,3 Prozent schrumpft. Erst 2017 dürfte sie wieder um 2,7 Prozent wachsen.

Die Konjunkturschwäche und die neuen Darlehen führen zu einer weiteren Aufblähung des Schuldenberges: Er wird nach den Erwartungen der Geldgeber bis 2030 nur mäßig auf 143 Prozent des BIP schrumpfen. Beim letzten Hilfspaket hatte man noch eine Quote von unter 110 Prozent im Jahr 2022 angestrebt. Bisher hat sich allerdings noch keine solche Prognose seit 2010 erfüllt.

Eine erste entscheidende Hürde müssen die Pläne für das neue Hilfsprogramm im Parlament in Athen nehmen. Ministerpräsident Alexis Tsipras muss zwar erneut mit heftigem Widerstand aus den Reihen seiner Syriza-Partei rechnen. Der Flügel der Reformgegner um den Ex-Energieminister Panagiotis Lafazanis rief sogar zur Gründung einer neuen Bewegung auf, die gegen neue Programme kämpfen soll. Weil aber die bürgerliche Opposition Tsipras Unterstützung signalisiert hat, galt eine Parlamentsmehrheit als gesichert.

Am Freitag wollen sich dann die Euro-Finanzminister mit dem Hilfspaket befassen und letzte Hindernisse aus dem Weg räumen. Der deutsche Finanzstaatssekretär Jens Spahn nannte es im Deutschlandfunk vor allem wichtig, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) an Bord bleibe. Endgültig kann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem Rettungsprogramm nur zustimmen, wenn ihn der Bundestag dazu ermächtigt. Hier zeichnet sich vor allem in der Unions-Fraktion Widerstand ab. Eine Sondersitzung könnte am kommenden Dienstag angesetzt werden.

Die Aussichten haben sich stark verschlechtert

In den Verhandlungen hatte die Bundesregierung unter anderem darauf gedrungen, zu Beginn des Programms eine möglichst kleine Rate nach Athen zu überweisern, um den Reformdruck aufrecht zu erhalten. Damit konnte sie sich offenbar durchsetzen. Insidern zufolge sollen im August 23,0 Milliarden Euro fließen, davon zehn Milliarden zur Rekapitalisierung angeschlagener Hellas-Banken. Zeitweise war von einer weitaus höheren Rate die Rede.

Bei der Beurteilung der Schuldentragfähigkeit des Landes zogen die Institutionen nicht nur die Schuldenhöhe gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung in Betracht. Sie analysierten auch den jährlichen Finanzbedarf. Gemessen daran kamen sie zu dem Urteil, dass dieses Kriterium geschafft werden könne, wenn ein glaubwürdiges und ehrgeiziges Reformprogramm verfolgt werde. Dann könnte eine "angemessene Kombination" von Verlängerungen laufender Kredite sowie tilgungs- und zinsfreier Zeiten helfen. Ein Schuldenschnitt wäre so nicht erforderlich. Damit die Rechnung aufgeht, müsse sich die Regierung in Athen allerdings voll hinter das neue Reformprogramm stellen

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