Inflation Steigen die Preise – oder steigen sie nicht?

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Sind die Deutschen zu ängstlich?

Wie viele Arbeitsstunden ein Kotelett kostet
Das Institut für Wirtschaft Köln kam in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass Löhne und Preise proportional gestiegen seien. 2011 bekam ein Arbeitnehmer für die geleistete Arbeitsstunde netto 45 Prozent mehr Lohn als vor 20 Jahren. Die Warenpreise seien im selben Zeitraum um 43 Prozent geklettert. Arbeitnehmer müssen dementsprechend für einen identischen Warenkorb heute genauso lange arbeiten wie zu Beginn der 1990er Jahre. Quelle: dpa/dpaweb
Anders verhält es sich für ostdeutsche Arbeitnehmer. Bei ihnen sei die Kaufkraft in den vergangenen zwei Jahrzehnten um 21 Prozent gestiegen, sagte ein Institutssprecher. Seit der Wiedervereinigung hätten sich die Entgelte in Ostdeutschland fast verdoppelt, die Preise für Waren und Dienste seien um knapp 70 Prozent gestiegen - und damit weniger stark. Die Löhne und Gehälter seien im Osten aber immer noch deutlich niedriger als im Westen. Quelle: dpa/dpaweb
Lebensmittel hat der teils als „Teuro“ verschriene Euro laut der Studie nicht teurer gemacht. Eine Flasche Kölsch erfordere damals wie heute den Gegenwert von drei Arbeitsminuten an der Werkbank oder im Büro. Quelle: dpa/dpaweb
Je nach Konsumverhalten seien Produkte auch günstiger geworden: Für ein Schweinekotelett reichten pro Kilo Fleisch statt 36 Minuten bereits 30 Minuten Arbeit. Quelle: dpa/dpaweb
Auch Alltagsgüter wie Kleidung seien durch einen vergleichsweise geringeren Preisanstieg schneller verdient als im Jahr 1991. "Für einen Herrenanzug beträgt die Arbeitszeitersparnis immerhin mehr als fünf Stunden, für Damenpumps eindreiviertel Stunden", betonte das IW. Quelle: dpa/dpaweb
Auch viele Elektronikprodukte sind erschwinglicher geworden. "Der Arbeitszeiteinsatz für einen Fernseher ist von über 76 auf nur noch 30 Stunden gesunken - obwohl man für den selben Preis heute ein Flachbildgerät mit Full-HD-Auflösung bekommt." Quelle: dpa/dpaweb
Allein mit dem Benzinpreis konnten die Löhne und Gehälter nicht mithalten, wie das IW einräumt: Für eine Tankfüllung musste 2011 fast zwei Stunden länger gearbeitet werden als zwanzig Jahre zuvor. Quelle: dapd

Wie entsteht Inflation - und warum ist sie schädlich?

Inflation entsteht, wenn zu viel Geld im Umlauf ist. Schon der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman wusste, dass „Inflation immer und überall ein monetäres Phänomen ist“. Ein Übermaß an Geld erhöht zunächst die Kaufkraft und die Nachfrage der Konsumenten. Die Unternehmen weiten daraufhin ihre Produktion aus. Sobald ihre Kapazitäten ausgelastet sind, erhöhen sie ihre Preise. Wegen der gestiegenen Nachfrage können sie die teureren Güter absetzen.

Die Verbraucher erkennen, dass sie für ihr Geld auf ihrem Gehaltszettel immer weniger kaufen können. Ihr Vertrauen in die Stabilität der Währung bröckelt, ihre Inflationserwartungen steigen. Die Gewerkschaften setzen kräftige Lohnerhöhungen durch, denn den Unternehmen geht es ja prächtig. Die gestiegenen Lohnkosten geben die Betriebe weiter, indem sie erneut die Preise erhöhen. Da nicht alle Preise gleichzeitig und gleich stark steigen, verzerrt die Inflation das Preisgefüge. Das erschwert das Investitionskalkül der Unternehmen. Es kommt zu Fehlinvestitionen, die das langfristige Wachstum bremsen.

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Weil die Unternehmer wegen der Geldentwertung den realen Ertrag von Investitionsprojekten über längere Zeiträume kaum noch kalkulieren können, stecken sie ihr Geld lieber in Immobilien und Gold. Die Preise für Vermögensgüter beginnen ebenfalls zu steigen.

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Woher rührt die Angst vor Inflation?

Die EZB druckt zu viel Geld. Seit Beginn der Währungsunion ist die Geldmenge M3, zu der unter anderem täglich verfügbare Bankeinlagen und Bankforderungen mit Laufzeiten bis zu zwei Jahren zählen, deutlich stärker gestiegen als die Wertschöpfung: Das Bruttoinlandsprodukt der Euro-Zone wuchs im Schnitt jährlich um 1,4 Prozent, dagegen legte M3 um 6,2 Prozent zu. Solch ein Auseinanderklaffen von Geld und Gütermenge hat historisch fast immer zu Geldentwertung geführt.

Noch bedrohlicher ist die Entwicklung des Basisgelds, also der Summe aus Bargeld und Bankeinlagen bei der EZB: Es hat sich seit 2008 auf 1,8 Billionen Euro verdoppelt. Seit Beginn der Schuldenkrise pumpt die Zentralbank unvorstellbar viel Geld ins System: Sie vergibt unbegrenzt Kredite an Geschäftsbanken und hat so Forderungen von 1,5 Billionen Euro angehäuft. Zusätzlich haben die Währungshüter Anleihen im Wert von mehr als 280 Milliarden Euro aufgekauft.

Und das könnte nach den jüngsten Beschlüssen der EZB zur Euro-Rettung erst der Anfang sein. Michael Schubert, Analyst bei der Commerzbank, rechnet damit, dass die EZB noch mal mindestens so viele Anleihen kauft wie bisher. Thorsten Polleit, Chefvolkswirt bei Degussa-Goldhandel, erwartet sogar, dass sie an die Billionengrenze stößt. Die Zentralbanken würden dann auch Anleihen von Privatleuten kaufen. „Die Anleger werden das Geld vor allem für Immobilien ausgeben – und die Vermögenspreisinflation anheizen.“

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