Diese Trennung in der EZB ist ohnehin nur Theorie: Was nützt die chinesische Mauer in den Stockwerken fünf bis zwölf, wenn sich Geldpolitiker und Bankenaufseher mittags in der Kantine treffen?
Ein Meinungsaustausch der Fachleute und die Bündelung von Know-how sind durchaus erwünscht. Deshalb ist die Bundesbank ja auch heute schon Teil der deutschen Bankenaufsicht. Das Problem entsteht potenziell erst, wenn ein Gremium für zwei Aufgabenbereiche bindende Entscheidungen fällt. Insofern hat das deutsche System seine Vorteile, in dem die Bundesbank die laufende Aufsicht sicherstellt und die BaFin in Bonn hoheitliche Entscheidungen trifft.
Sie wollen also nicht, dass die EZB über die Schließung einer Bank entscheidet.
Diese Aufgabenbündelung ist zunächst so beschlossen, nun müssen die Interessenkonflikte minimiert werden. Als funktionierende Organisation könnte die EZB für die Aufsicht eine Geburtshelfer-Rolle übernehmen. Ich würde mir aber wünschen, dass die jetzige Konstruktion mit der Letztverantwortung des EZB-Rats nur eine Übergangslösung ist. Die Bankenaufsicht sollte einem in seinen Entscheidungen völlig eigenständigen Gremium übertragen werden. Nur dann können keine Zweifel an der Unabhängigkeit des EZB-Rats in der Geldpolitik aufkommen.
Europäische Banken
Die Düsseldorfer Traditionsbank IKB importiert die internationale Finanzkrise nach Europa. Fatale Spekulationen am US-Häusermarkt kosten die staatliche Mutterbank KfW 3,5 Milliarden Euro.
Der Freistaat muss die Sachsen LB wegen hoher Verluste an die baden-württembergische
Landesbank LBBW notverkaufen. Sachsens Bürger verlieren 430 Millionen Euro Garantien.
Zockereien bei der irischen Tochter Depfa brechen der einst als solide geltenden Immobilienbank
Hypo Real Estate das Genick. Die HRE kassiert knapp 10 Milliarden Euro staatliche Kapitalspritzen
und beansprucht Bürgschaften von bis zu 124 Milliarden Euro.
Die Münchner Landesregierung steckt 10 Milliarden Euro in ihre von der Finanzkrise gebeutelte Landesbank BayernLB. Brüssel verlangt in der Folge eine Schrumpfung der Bilanz um die Hälfte.
Nach der Übernahme der maroden Dresdner Bank mitten in der Finanzkrise ruft die Commerzbank nach dem Staat. Der pumpt 18,2 Milliarden Euro Rettungskapital hinein.
Die platzende Immobilienblase auf der grünen Insel zwingt mit der Bank of Ireland nicht nur Irlands älteste Bank in die Knie. Auch alle anderen irischen Institute brauchen Staatsgeld – ein 67-Milliarden-Paket der Euro-Zone und des IWF verhindert den Staatsbankrott.
Die Alpha Bank, zweitgrößte griechische Bank, fusioniert mit einer Konkurrentin. Allein kann das Institut 608 Millionen Euro Verluste aus griechischen Anleihen nicht tragen.
Ratingagenturen senken die Bonitätsklasse der französischen Großbanken BNP Paribas, Société
Générale und Crédit Agricole. Europäische Institute reduzieren ihre Frankreich-Einlagen.
Kurz nachdem der Finanzier für die öffentliche Hand den EU-weiten Bankenstresstest bestanden hat, muss Dexia von Brüssel und Paris verstaatlicht und mit 55 Milliarden Euro öffentlichen Garantien
gestützt werden. Grund: notleidende Kredite an griechische Schuldner.
Madrid verstaatlicht den aus regionalen Sparkassen entstandenen Bankkonzern Bankia. Wegen der
spanischen Immobilienkrise braucht Bankia bis zu 24 Milliarden Euro. Spaniens Krisenbanken könnten bis zu 100 Milliarden Euro Kredite und Kapital benötigen.
Die WestLB, Landesbank Nordrhein-Westfalens, macht nach gigantischen Verlusten für immer dicht. Brüssel ordnet die Abwicklung an. Kosten für Staat und Sparkassen: 18 Milliarden Euro.
Hohe Abschreibungen bei Firmenkrediten reißen eine der ältesten Banken der Welt in den Abgrund.
Die Bonität der 1472 gegründeten Monte dei Paschi di Siena sinkt auf Ramschniveau. Viele italienische Banken leiden zudem unter Abschreibungen auf Staatspapiere.
Die Regierung des Inselstaats Zypern fordert EU-Hilfen für ihren Bankensektor. Das größte Institut,
die Bank of Cyprus, kann ihre Kapitallücke nicht allein aus privaten Geldquellen stopfen.
Die Franzosen wollten bereits Anfang nächsten Jahres loslegen. Nun hat man sich auf März 2014 geeinigt. Reicht das, um eine funktionierende Aufsicht mit genügend Personal aufzubauen?
Die praktischen Anforderungen an eine Aufsicht, selbst wenn sie zunächst nur für die großen, systemischen Institute gilt, sollte man nicht unterschätzen. Aufseher müssen die Sprache, die jeweiligen Rechtssysteme, die Unternehmensstrukturen und die Besonderheiten der nationalen Märkte kennen. Und sie sollten große Erfahrung in der Bankenaufsicht mitbringen. Deswegen kann auch die Aufsicht der systemischen Institute nur mit einer sehr starken Einbindung der bisherigen nationalen Aufseher gelingen.
Was passiert, wenn die europäischen Aufseher erkennen, dass eine Bank zusätzliches Kapital braucht?
Dann muss die Bank das Kapital beschaffen. Wenn ihr dies nicht gelingt, ist sie zu restrukturieren oder abzuwickeln. Für solche Fälle brauchen wir einen von den Banken finanzierten Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus auf europäischer Ebene. Er soll sicherstellen, dass zuerst die Eigenkapitalgeber der betroffenen Bank, dann sonstige Gläubiger, dann ein von den Banken finanzierter Fonds und erst zuletzt und damit in Ausnahmefällen der Steuerzahler haftet. Wir müssen diesen Mechanismus zügig schaffen, ohne ihn ist die Bankenunion unvollständig. Und auch dann darf die Bankenunion nicht der Deckmantel dafür sein, nationale Altlasten auf die europäische Ebene zu verschieben. Die Lasten, die derzeit in den Bankbilanzen stecken, gehen zurück auf nationale Fehlentwicklungen und Fehler der nationalen Aufseher und sollten deswegen von den Eigentümern und Gläubigern der jeweiligen Banken oder den nationalen Steuerzahlern getragen werden.