
Seit den Terroranschlägen im November 2015 herrscht in Frankreich der Ausnahmezustand. Fünfmal schon wurde er verlängert, zuletzt bis zum Juli dieses Jahres. Die französische Regierung glaubt, so den islamistischen Terrorismus besser bekämpfen zu können.
Ausgangssperren, Durchsuchungen und Hausarreste bleiben so auch ohne richterlichen Beschluss erlaubt. Das Attentat von Nizza, bei dem ein Mann mit einem Lastwagen 86 Menschen tötete – ausgerechnet am Nationalfeiertag, am 14. Juli 2016, wurde dennoch nicht verhindert.
Den tieferen Ursachen des Terrorismus ist mit dem Ausnahmezustand allerdings nicht beizukommen. Man hat in Frankreich erkannt, dass es notwendig ist, Muslime und den Islam besser ins Land zu integrieren, um so eine Radikalisierung zu verhindern.
Dazu sollen etwa die Imame Französisch sprechen und in Frankreich ausgebildet werden, außerdem hat der jetzige Premier- und frühere Innenminister Bernard Cazeneuve eine religiöse Vereinigung angekündigt, die neue Geldquellen erschließen soll, etwa für den Bau von Moscheen, dabei aber auch Geld vom Staat erhalten soll. So soll der Einfluss ausländischer Geldgeber verringert werden. Ob das allerdings den gewünschten Erfolg bringt, ist fraglich.
Frankreichs Antwort auf den Terror
Der Ausnahmezustand wurde in der Pariser Terrornacht vom 13. November verhängt und im Sommer bis Anfang 2017 verlängert. Er gibt den Sicherheitsbehörden teils umstrittene Sonderrechte. So wurden bereits mehr als 4000 Hausdurchsuchungen ohne Richterbeschluss durchgeführt. Der Innenminister kann auch Hausarreste anordnen.
Die bereits im September 2014 begonnenen Luftangriffe gegen IS-Stellungen erst im Irak, dann auch in Syrien wurden ausgeweitet. Mehr als 1600 Bomben und Raketen haben französische Kampfjets bereits abgefeuert. Die Armee berät zudem irakische Kräfte und hat auch Artillerie geschickt.
Gleich mehrfach haben die Pariser Abgeordneten die Anti-Terror-Gesetze verschärft. Rückkehrer aus Kampfgebieten von Terrorgruppen können einen Monat unter Hausarrest gestellt werden, Ermittler leichter Abhörmaßnahmen nutzen, der regelmäßige Besuch terroristischer Webseiten ist strafbar. Menschen können bei Identitätskontrollen bis zu vier Stunden festgehalten werden, wenn ihr Verhalten einen Terrorverdacht nahelegt.
Die Regierung hat 5000 neue Stellen bei der Polizei zugesagt. Die Anti-Terror-Spezialeinheiten wurden neu aufgestellt. Eigentlich auf Kriminalitätsbekämpfung ausgerichtete Einheiten erhielten schwerere Waffen - auch deutsche G36-Sturmgewehre -, um bei Terror abseits der großen Zentren schneller eingreifen zu können.
Als Teil des Anti-Terror-Plans Vigipirate patrouillieren bis zu 10.000 Soldaten an gefährdeten Orten, etwa Pariser Touristenattraktionen und Bahnhöfen. Um die Sicherheitskräfte zu entlasten, wird eine Nationalgarde aufgebaut.
Für Großveranstaltungen gibt es oft strengere Auflagen etwa zu Taschenkontrollen.
Die Ursachen liegen vermutlich an ganz anderer Stelle: „Die soziale Exklusion und häufig soziale Missstände wie Armut sind ein idealer Nährboden für die Radikalisierung – und dieser ist leider in vielen französischen Vorstädten vorhanden“, sagt Jens Althoff, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Paris. Die Regierung tue zu wenig dagegen, setze nach den Terroranschlägen vor allem einseitig auf Repression.
„Sowohl in Deutschland als auch in Frankreich müssen Vereine und Initiativen unterstützt und gestärkt werden, die vor Ort Prävention betreiben und gegen Radikalisierung vorgehen“, so Althoff. Das sollte am besten mit einem gemeinsamen Programm auf europäischer Ebene gelöst werden. Gleichzeitig muss aber, und das vor allem in Frankreich, die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werden, denn die liegt bei muslimischen Jugendlichen in den „Banlieue“ genannten Vorstädten bei über 40 Prozent. Die Attentäter von Paris und Nizza sind ebenso wie der Berliner Attentäter Anis Amri zuvor als Kleinkriminelle aufgefallen. Sie wuchsen in belgischen und französischen Vororten auf.