
Im Kampf gegen Islamisten treffen europäische Geheimdienste und Polizei auf neue Probleme. Dschihadisten greifen in Europa mittlerweile mit richtigen militärischen Kriegswaffen an, berichtet die „Welt“. Das beweisen Vorfälle in Paris und Kopenhagen, darunter auch der überraschende Fund von militärischen Kriegswaffen nach dem Sturm einer Terrorzelle in dem belgischen Ort Verviers vor etwa einem Monat. Dabei haben belgische Polizisten nicht nur belgische Polizeiuniformen, professionelle Kameras, gefälschte Ausweise und Stadtpläne entdeckt, sondern auch schwere Maschinengewehre, Chemikalien für die Herstellung von Sprengstoff TATP, Pistolen und Granaten.
Einsatz gegen Terrorverdächtige: Islamisten-Szene verstärkt im Visier
Seit den Attentaten in Frankreich schauen sich auch die deutschen Sicherheitsbehörden die islamistische Szene besonders genau an. Die rund 260 „Gefährder“, denen Polizei und Geheimdienste grundsätzlich einen Terrorakt zutrauen, werden seitdem noch intensiver beobachtet. Schon in den Wochen vor den Anschlägen in Frankreich gab es aber eine Vielzahl von Durchsuchungen und Festnahmen: Beim Bundeskriminalamt (BKA) laufen bereits rund 500 Ermittlungsverfahren gegen etwa 800 Beschuldigte aus dem islamistischen Spektrum. Solche Aktionen bekommen nun eine größere Aufmerksamkeit. Aus Sicherheitskreisen ist aber auch zu hören, der Druck auf die Szene werde nach Paris erhöht. Mancher Zugriff werde wegen die aktuelle Lage vorgezogen, um die Szene zu stören und die Botschaft zu senden: Wir haben euch im Blick.
Deutschland ist seit langem im Visier von islamistischen Terroristen. Über Monate lautete die Sprachregelung, es gebe eine „abstrakt hohe“ Gefährdung, aber keine konkreten Hinweise auf Anschlagsplanungen. Auch kurz nach den Attentaten von Paris benutzte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) noch diese Wendung. Der Zusatz, es gebe keine konkreten Hinweise, ist inzwischen aber nicht mehr zu hören. Der Grund: Seit Paris häufen sich auch die Drohungen gegen Deutschland. Die Behörden müssen in jedem einzelnen Fall prüfen, ob etwas dahinter steckt oder es sich nur um Wichtigtuerei handelt. „Die Lage ist ernst, es besteht Grund zur Sorge und Vorsorge, jedoch nicht zu Panik und Alarmismus“, sagt de Maizière inzwischen. Doch auch er räumt ein, dass ein Anschlag in Deutschland nicht komplett auszuschließen sei. Große Angst gibt es vor möglichen Einzeltätern, die zuvor überhaupt nicht aufgefallen sind.
In Frankreich gilt seit dem Pariser Anschlag die höchste Terrorwarnstufe. Soldaten sind vor Schulen und auf öffentlichen Plätzen postiert. Die belgischen Behörden riefen nach dem tödlichen Anti-Terror-Einsatz die zweithöchste Alarmstufe aus. Polizeiwachen wurden verbarrikadiert, jüdische Schulen vorerst geschlossen. Solche Warnstufen hat Deutschland nicht. Bislang gibt es hier auch nur wenige sichtbare Sicherheitsvorkehrungen wie ein wenig mehr Polizei an einigen Stellen, zum Beispiel rund um bestimmte Medienhäuser. Auf eine deutliche Verstärkung der Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit verzichten Bund und Länder bislang. Hinter den Kulissen sind Polizei und Geheimdienste aber verstärkt im Einsatz: „Die deutschen Sicherheitsbehörden unternehmen alles, um die Bevölkerung wirksam zu schützen“, betont de Maizière. Aber es sei doch auch klar, dass man nicht jede Maßnahme sehe oder offen darüber spreche.
Die Regierung findet ein starres und grobes Raster nicht geeignet, um die Sicherheitslage vernünftig zu beschreiben. Schließlich könne sich die Situation je nach Region unterschiedlich gestalten, sogar innerhalb einer Stadt, lautet die Argumentation des Innenressorts. Der Vielschichtigkeit von Bedrohungen werde das nicht gerecht.
Terroristen erlangen militärische Waffen in Europa nahezu problemlos
Nach Angaben der Welt soll es bis zu 67 Millionen illegale Waffen in Europa geben. Die Waffen sollen aus Nordafrika und den ehemaligen Ostblockstaaten nach der Auflösung von hochgerüsteten Armeen gekommen sein, etwa nach dem Krieg in Jugoslawien. Zukünftig werden sie auch aus der Ukraine erwartet.
Der Europol-Stabschef, Brian Donald vermutet, dass sich viele straffällig gewordene Muslime in der Haft radikalisieren und bereits während der Haft kriminelle Netzwerke bilden, über die sie später Waffen beschaffen können. Offenbar sind es Rockerbanden, Drogendealer und die Mafia, die den Extremisten Waffen verkaufen, wie ein Staatsschützer nach Angaben der „Welt“ vermutet.
Im Fall eines Terroranschlags von der islamistischen Seite wäre die deutsche Polizei nicht genügend aufgerüstet. Weder die Schutzwesten, noch Polizeifahrzeuge bieten Schutz gegen Beschuss mit einer Kalaschnikow. Laut Bericht der Welt wird die Bundespolizei bis Sommer zehn schwere Panzerwagen des Typs „Eagle IV“ erhalten. In Extremfällen würde auch die Bundeswehr helfen. Nichtdestotrotz besteht das Risiko, dass eine große Terrorbedrohung auch die Bundeswehr überfordern könnte.