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Italien Die Ruhe an den Börsen trügt

Italien steht möglicherweise vor einer monatelangen Periode politischer Unsicherheit. Steigt in dieser Phase der Druck der Märkte, dann steigt zwangsläufig auch der Druck auf die Europäische Zentralbank (EZB). Sie sucht bereits nach Wegen, notfalls auch ohne Reformauflagen italienische Staatsanleihen aufkaufen zu können.

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Trotz Italiens Herabstufung scheint der Finanzmarkt momentan stabil - Doch der Druck auf Märkte und EZB könnte durch die politische Situation schon bald ansteigen Quelle: dapd

Es sieht so aus, als hätten die Finanzmärkte die Wahlen in Italien abgehakt. Trotz der neuerlichen Abstufung durch die Ratingagentur Fitch verlief am Dienstag eine Geldmarktauktion reibungslos. Die drittgrößte Wirtschaftsmacht im Euroraum sammelte mit der Ausgabe von Papieren mit zwölfmonatiger Laufzeit wie geplant 7,75 Milliarden Euro bei Anlegern ein. Investoren verlangten Zinsen in Höhe von 1,28 Prozent, nur wenig mehr als vor der Wahl. Auch die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen sind auf das Vorwahlniveau gefallen und signalisieren augenscheinlich Entwarnung. Das aber könnte sich als gefährlicher Trugschluss erweisen. Noch setzen die Investoren zwar auf die Bildung einer tragfähigen Koalitionsregierung in Rom. Doch dazu wird es kaum kommen. Zu unterschiedlich sind die politischen Positionen und die persönlichen Abneigungen. Hinzu kommt, dass die Amtszeit des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano am 15. Mai endet.

Die größten Euro-Gegner
Hans-Olaf Henkel war Industrie-Chef und sieht Europa durch den Euro bedroht. Die aktuelle Krisenbewältigung schränke die Demokratie in den Eurostaaten erheblich ein. Henkel hofft auf ein Einlenken der Bundeskanzlerin. "Die Bereitschaft der Deutschen, weitere Griechenland-Rettungspakete und demnächst Portugal und Italien zu finanzieren, ist weniger verbreitet als die Bereitschaft, die Kernenergie zu unterstützen. Das heißt: Wenn Angela Merkel beim Euro eine Art Fukushima-Effekt erlebt, dann traue ich ihr zu, blitzschnell den Kurs zu ändern", sagte Henkel im Interview mit der WirtschaftsWoche. Quelle: AP
Der Ökonom und Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Hans-Werner Sinn hält viele Euro-Mitgliedsländer für nicht wettbewerbsfähig. Er plädiert für einen Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion und warnt eindringlich vor einer Bankenunion und Eurobonds. Im vergangenen Jahr hat er einen Brandbrief von rund 200 deutschen Ökonomen mitunterzeichnet. Innerhalb der Bundesregierung hat er sich damit keine Freunde gemacht. Doch das wird Sinn nicht stören. Einer, der den ifo-Chef gut kennt sagte, "Sinn würde zu seinen Thesen stehen, auch wenn andere daran zweifeln". Bevor Sinn sich und seine Thesen präsentiert, bereitet er sich stundenlang vor und feilt an seinen Formulierungen. Quelle: dapd
Alexis Tsipras ist Vorsitzender des griechischen Links-Bündnisses "Syriza" und der mächtigste Kritiker der griechischen Regierung. Er ist strikt gegen das Sparprogramm, das sein Land mit den internationalen Geldgebern verhandelt hat. Sein jüngster Vorschlag: Die griechische Regierung solle schlichtweg die Gespräche mit der Troika (IWF, Europäische Kommission und Europäische Zentralbank) verweigern. Die fortschreitende Privatisierung von Staatsbetrieben will Tsipras eigenen Worten zufolge "kriminalisieren". Die griechische Regierung soll im Eiltempo öffentliche Unternehmen verkaufen. Bei der Wahl im vergangenen Jahre erreichte seine Partei 17 Prozent der Stimmen und wurde zweitstärkste Kraft im Land. Umfragen sehen Tsipras inzwischen noch stärker. Quelle: dapd
Peter Gauweiler ist CSU-Politiker und profiliert sich vor allem als Euro-Skeptiker. Er stimmt gegen den Eurorettungsschirm und möchte die "Grenzüberschreitung" bei den europäischen Verträgen verhindern. Gauweiler war Mitkläger gegen die Euro-Hilfen, die vom Verfassungsgericht aber bestätigt wurden. Der CDU-Politiker befürchtet, dass sich die Ereignisse bei den Rettungsversuchen "überschlagen". Deshalb wisse er auch nicht, ob Angela Merkel selbst am Rettungsschirm weiterhin festhalten werde. Quelle: dpa/dpaweb
Silvio Berlusconi ist Unternehmer und ehemaliger italienischer Ministerpräsident. Bei den Parlamentswahlen in Italien holte er fast 30 Prozent der Stimmen und konnte so eine linke Regierung verhindern. Berlusconi punktete im Wahlkampf mit dem Versprechen, die Sparprogramme seines Vorgängers Mario Monti rückgängig zumachen. Auch für seine populistischen Thesen gegen den Euro erhielt er Applaus. Den Euro zu verlassen, sei keine Blasphemie, sagt Berlusconi. Quelle: REUTERS
Timo Soini ist Mitglied des Europaparlaments und Präsident der Partei "Basisfinnen". Sie lehnt Finanzhilfen für Griechenland ab. Mit seiner Euro-skeptischen Haltung weiß Soini viele seiner Landsleute hinter sich. In Finnland wächst die Sorge, dass die wohlhabenden Länder Europas den Süden dauerhaft alimentieren müssen.
Der Chef der rechtspopulistischen niederländischen Partei für die Freiheit (PVV) Geert Wilders hat sich erfolglos am Euro abgearbeitet. Er geißelte die Sparregeln als "ein Diktat Brüssels", an denen sich jedes Land kaputtspare. Doch bei den Wahlen im September 2012 wurde Wilders von den Bürgern abgestraft und flog aus der Regierung. Quelle: REUTERS

Laut italienischer Verfassung dürfen Staatspräsidenten in den letzten sechs Monaten ihrer Amtszeit keine Neuwahlen ausrufen. Erst ein neuer Präsident hätte diese Befugnis. Doch dieser neue Präsident muss zuvor von beiden Kammern des Parlaments gewählt werden. Realistisch wären Neuwahlen frühestens im September zu erwarten. Das bedeutet für Italien mindestens sechs Monate politische und ökonomische Lähmung.

von Malte Fischer, Henning Krumrey, Silke Wettach

Mehr Schwierigkeiten als erwartet

EZB-Präsident Mario Draghi und das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi ahnen, was sich in ihrer Heimat zusammenbraut. Bini Smaghi fürchtet, dass die politische Situation weit mehr ökonomische Schwierigkeiten bringen könnte als derzeit an den Finanzmärkten erwartet wird. Die jahrelange Stagnation der italienischen Wirtschaft und der Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens auf das Niveau von 1992 führt er auf unterlassene Reformen zurück. Diese unterlassenen Reformen könnten die Märkte bald einfordern und Italien unter den Rettungsschirm zwingen.

Nur würde ein damit fälliges Sparprogramm der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU- Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) in Italien auf heftigen Widerstand stoßen. Unabhängig davon, wie sich die zukünftige italienische Regierung zusammensetzt, sie wird gegen die Sparpolitik antreten und auf Kollisionskurs zur Troika gehen.

An ein solches Programm aber knüpfte die EZB ihre Bereitschaft, im Rahmen ihres OMT-Programms italienische Staatsanleihen aufzukaufen. Und genau deshalb bereitet die EZB offenbar ihren Rückzug aus der Troika vor, mag das ihr italienischer Präsident auch dementieren. Die EZB muss Handlungsfreiheit gewinnen. Eine Absetzbewegung von der Troika wäre die Vorbereitung für ein Notfallprogramm: Der Aufkauf italienischer Staatsanleihen ohne Reformauflagen.

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