
Es sieht so aus, als hätten die Finanzmärkte die Wahlen in Italien abgehakt. Trotz der neuerlichen Abstufung durch die Ratingagentur Fitch verlief am Dienstag eine Geldmarktauktion reibungslos. Die drittgrößte Wirtschaftsmacht im Euroraum sammelte mit der Ausgabe von Papieren mit zwölfmonatiger Laufzeit wie geplant 7,75 Milliarden Euro bei Anlegern ein. Investoren verlangten Zinsen in Höhe von 1,28 Prozent, nur wenig mehr als vor der Wahl. Auch die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen sind auf das Vorwahlniveau gefallen und signalisieren augenscheinlich Entwarnung. Das aber könnte sich als gefährlicher Trugschluss erweisen. Noch setzen die Investoren zwar auf die Bildung einer tragfähigen Koalitionsregierung in Rom. Doch dazu wird es kaum kommen. Zu unterschiedlich sind die politischen Positionen und die persönlichen Abneigungen. Hinzu kommt, dass die Amtszeit des italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano am 15. Mai endet.





Laut italienischer Verfassung dürfen Staatspräsidenten in den letzten sechs Monaten ihrer Amtszeit keine Neuwahlen ausrufen. Erst ein neuer Präsident hätte diese Befugnis. Doch dieser neue Präsident muss zuvor von beiden Kammern des Parlaments gewählt werden. Realistisch wären Neuwahlen frühestens im September zu erwarten. Das bedeutet für Italien mindestens sechs Monate politische und ökonomische Lähmung.
Mehr Schwierigkeiten als erwartet
EZB-Präsident Mario Draghi und das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi ahnen, was sich in ihrer Heimat zusammenbraut. Bini Smaghi fürchtet, dass die politische Situation weit mehr ökonomische Schwierigkeiten bringen könnte als derzeit an den Finanzmärkten erwartet wird. Die jahrelange Stagnation der italienischen Wirtschaft und der Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens auf das Niveau von 1992 führt er auf unterlassene Reformen zurück. Diese unterlassenen Reformen könnten die Märkte bald einfordern und Italien unter den Rettungsschirm zwingen.
Nur würde ein damit fälliges Sparprogramm der Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU- Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) in Italien auf heftigen Widerstand stoßen. Unabhängig davon, wie sich die zukünftige italienische Regierung zusammensetzt, sie wird gegen die Sparpolitik antreten und auf Kollisionskurs zur Troika gehen.
An ein solches Programm aber knüpfte die EZB ihre Bereitschaft, im Rahmen ihres OMT-Programms italienische Staatsanleihen aufzukaufen. Und genau deshalb bereitet die EZB offenbar ihren Rückzug aus der Troika vor, mag das ihr italienischer Präsident auch dementieren. Die EZB muss Handlungsfreiheit gewinnen. Eine Absetzbewegung von der Troika wäre die Vorbereitung für ein Notfallprogramm: Der Aufkauf italienischer Staatsanleihen ohne Reformauflagen.