Italien vor der Wahl Das Berlusconi-Prinzip

Ehemaliger Italienischer Ministerpräsident Silvio Berlusconi Quelle: Bloomberg

Italien wählt am Sonntag ein neues Parlament – und Silvio Berlusconi gilt schon jetzt als Gewinner. Über einen Mann, der Politik wie ein Unternehmen versteht – und sich das ganze System untertan macht.

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Was eine gruselige Szene. Hier die Moderatorin, die gleiche wie vor zwei Jahrzehnten, nur etwas gealtert. Dort der leicht schmierige Herr, der gleiche wie vor zwei Jahrzehnten nur im Gesicht auf fremde Art verjüngt. So präsentierte sich Silvio Berlusconi im Fernsehen, um ein Gelübde zu erneuern. Wie am Anfang seiner politischen Karriere schlug Berlusconi auch jetzt den italienischen Wählern wieder einen Vertrag vor. Er sparte nicht mit großen Worten.

"Was die Versprechen angeht: Ich habe meine immer alle gehalten. 46 Reformen, die wir trotz der Schwierigkeiten mit den Verbündeten alle durchgesetzt haben. Sprich, für mich ist das oberste Gebot der Politik: Die Versprechen, die die Parteien während des Wahlkampfes machen, werden eingehalten. Für mich sind das mehr Verpflichtungen als Versprechen."

Er ist wieder da. Berlusconi, mittlerweile 81, steht unmittelbar davor, die vielen absurden Wendungen seiner unternehmerischen wie politischen Karriere noch einmal zu übertrumpfen – und in Europas mittlerweile so schillernden politischen Landschaft einen neuen Farbton zuzufügen: Obwohl er nicht einmal gewählt werden kann – wegen einer Verurteilung ob Steuerhinterziehung ist er für öffentliche Ämter bis Ende 2019 gesperrt –, steht Berlusconi schon als einer der Gewinner der italienischen Parlamentswahlen vom kommenden Sonntag fest. Mit seiner Partei Forza Italia ist es ihm gelungen, Allianzen zu schmieden, die die Zukunft von Italien bestimmen werden.

Der Mann, der wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten vor Gericht stand, dessen wichtigster Gehilfe wegen Mafiageschäften verurteilt wurde, der sein Land mit Anzüglichkeiten gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel blamierte und der schließlich im November 2011 kurz vor dem Bankrott Italiens zum letzten Mal als Regierungschef zurücktreten musste, steht vor einem erneuten politischen Triumph. Schon jetzt ist er der Mann, der Italien nach dem zweiten Weltkrieg am längsten regiert, aber auch am heftigsten blamiert hat.

Und dennoch: Man darf diesen Mann nicht als schrulliges altes Maskengesicht mit Hang zu Potenzprotzerei und seine Wähler nicht als Wahnsinnige abtun. Wer nach zig Urteilen, Skandalen und im hohen Alter noch einen Wahlkampf hinlegt, an dessen Ende er um die 30 Prozent der Wähler für sein Mitte-Rechts-Bündnis begeistern dürfte, ist mehr als nur eine schrullige Erscheinung. Vielmehr zeigt der abermalige Triumphzug Berlusconis, wo auch immer er enden wird, wie ein Selfmade-Milliardär sich mit den Erfolgsrezepten seines unternehmerischen Werdegangs auch ein ganzes politisches System untertan machen kann.

1. Bilder sind die besten Botschaften

Nun sind es also Tiere. Berlusconi hat sich vor diesem Wahlkampf nicht nur ein neues Gesicht zugelegt, das ihn nicht zwingend jünger aber irgendwie straffer aussehen lässt, sondern auch ein neues Faible: Vierbeiner. Mal herzte er vor laufender Kamera einen wolligen, kleinen Hund, mal ließ er sich dabei filmen, wie er fünf Lämmer mit der Milchflasche päppelte. Ob ihm die Vierbeiner wirklich so am Herzen liegen, sei dahingestellt. Aber die Inszenierung folgt einem klaren Schema seiner bisherigen Kampagnen.

Als Berlusconi Anfang der 1990er Jahre, Italiens Parteiensystem war gerade unter einem gigantischen Korruptionsskandal kollabiert, die politische Bühne betrat, achtete der Bau- und Medienmilliardär aus der norditalienischen Metropole Mailand, schon auf die sorgsame bildliche Inszenierung. Seinerzeit kursierten zahlreiche Fotos und Videos, wie Berlusconi sich in jungen Jahren als Schmalz- und Schmachtsänger auf Kreuzfahrtschiffen verdingt hatte. „Seht her, ich bin einer von Euch“, sollte das zeigen. Was für Ausländer eher geschmacklos wirkte, überzeugte viele Italiener. In einem Land, in dem Politiker als abgeschottete Mitglieder eines Profi-Politsystems namens „La Casta“ („Die Kaste“) verschrien sind, hatten die Bilder eines angehenden Politikers, der sich sein erstes Geld noch selbst verdienen musste, betörende Wirkung.

Italiens große Baustellen

Und so war seitdem jeder von Berlusconis vielen politischen Schritten von sorgsamer bildnerischer Inszenierung begleitet. Da zeigt sich, wer als Unternehmer im Mediengeschäft, das von jeher von sorgsam gewählten Bildern lebt, Karriere gemacht hat. Zwar legte Berlusconi den Grundstein für sein auf etwa acht Milliarden Euro geschätztes Privatvermögen, mit bis heute nicht restlos aufgeklärten Baulandgeschäften in und um Mailand. Seitdem konzentrierte er sich unternehmerisch aber weitgehend auf sein Medienimperium Mediaset. Er wurde der Herr der Bilder.

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