Italien Warum sich Italiens Krise weiter zuspitzen wird

Italiens junger Premier Matteo Renzi trat vor zwei Jahren an, sein Land endlich zu reformieren. Er hat seitdem vieles versucht, leider aber nur weniges erreicht. Nun braut sich ein perfekter ökonomischer Sturm über seinem Land zusammen. Diese fünf Hürden stehen echten Reform im Wege.

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Nehmen wir alleine die Nachrichten an diesem Dienstag, die dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi die Laune verhageln: Und das liegt nicht nur an dem tragischen Zusammenstoß zweier  Regionalzüge im Süden des Landes mit mindestens zwölf Toten. Auf Kollisionskurs ist ebenfalls die italienische Wirtschaft. Der Internationale Währungsfonds veröffentlichte einen Bericht, wonach die italienische Wirtschaft in diesem Jahr um weniger als ein Prozent wachse, bisher war der IWF von einem Plus von 1,1 Prozent ausgegangen. Und die italienische Notenbank gab bekannt, dass der Wert der faulen Kredite in Italiens Bankbilanzen im Mai um ein weiteres Prozent auf jetzt mehr als 200 Milliarden Euro gewachsen sei.

Matteo Renzi, der jugendlich strahlende Sozialdemokrat aus Florenz, war vor zwei Jahren angetreten, sein Land aus dem Jammertal der Eurozone zu führen. "Rottomare“, "verschrotten" wollte er die alten Eliten wie Probleme des Landes. Und er hat tatsächlich einiges geschafft: Der Arbeitsmarkt wurde liberalisiert, das Schulwesen reformiert, Staatsbetriebe privatisiert, der Haushalt im Vergleich zu berlusconischen Zeiten regelrecht seriös geführt. Allein: Es nutzt nichts.

Noch immer weist Italiens Wirtschaft – eigentlich mit einem starken Mittelstand gesegnet – eine der schwächsten Wachstumsraten der Eurozone aus. Noch immer liegt die Staatsverschuldung über den kritischen Grenzwerten der Währungsgemeinschaft. Und nun bricht auch die Bankenkrise wieder offen aus: Mindestens 40 Milliarden Euro braucht das brache Bankensystem des Landes kurzfristig, um weiter arbeiten zu können. Vor allem die Traditionsbank Monte dei Paschi die Siena lechzt nach Eigenkapital. Sie wurde von der EZB bereits aufgefordert, faule Kredite abzubauen.

Wissenswertes über Italien

Nun ist Renzi in einer Sackgasse: Im Oktober findet ein Referendum über eine Reform des Staatswesens statt. Verliert er, will er zurücktreten. Gleichzeitig müsste er einige Banken insolvent gehen lassen – Staatszuschüsse sind schließlich seit 2014 in der Eurozone verboten. Nur: Die größten Gläubiger der angeschlagenen italienischen Banken sind Privatanleger. Sie die Pleite siecher Banken zahlen zu lassen, wäre politischer Selbstmord.

Wie Renzi aus dieser Gemengelage herauskommen will? Ungewiss. Stattdessen baut sich ein Pfad mit fünf großen Stolpersteinen vor ihm auf:

1. Die Wirtschaft wächst nicht

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat nach dem Brexit-Votum der Briten seine Wachstumsprognose für  Italien gesenkt. Der Ausgang des Referendums habe die Schwankungsanfälligkeit der Finanzmärkte vergrößert und die Rückschlagsgefahr für das drittgrößte Land der Eurozone erhöht, teilte der Fonds nach einem Treffen mit italienischen Behörden mit. Das Land stehe vor "monumentalen Herausforderungen". Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone werde in diesem Jahr "etwas unter ein Prozent" und im kommenden Jahr ein Prozent wachsen, so der IWF. Zuvor hatte er 1,1 Prozent für 2016 und 1,25 Prozent für 2017 prognostiziert.

Die größten Pleitestaaten der Welt
Norwegische Insel Quelle: dpa
Reichstag Quelle: dpa
Gracht in Amsterdam Quelle: AP
Akropolis Quelle: AP
Brunnen am österreichischen Parlamentsgebäude Quelle: dpa
Schweizer Flagge Quelle: dpa
Big Ben und Westminster Abbey Quelle: REUTERS

2. Bei den Banken stapeln sich faule Kredite

Das schwache Wirtschaftswachstum befeuert das zweite Problem: die Krise der italienischen Banken. Anders als viele Krisenbanken aus anderen Ländern haben sich Italiens Geldhäuser nicht so sehr mit sonderbaren Produkten verzockt. Stattdessen hängt ihr Schicksal über Gebühr häufig an dem Zustand der mittelständischen Wirtschaft. Geht es der schlecht, drohen unverhältnismäßig viele Kredite in den Bankbilanzen auszufallen. 20 Prozent der Kredite sollen notleidend sein. Das entspricht 360 Milliarden Euro. Tendenziell steigt der Anteil je kleiner die Bank ist. Die Banken – von denen es pro Kopf in Italien so viele gibt, wie in keinem anderen Euro-Land - weisen offiziell 200 Milliarden Euro als  faule Kredite aus und geben an, dafür 120 Milliarden Euro Rückstellungen gebildet zu haben. Stimmt die höhere Summe, müssen sie auch höhere Rückstellungen bilden. Woher das Geld kommen soll?  Darum tobt gerade ein heftiger Streit zwischen Rom und Brüssel. Renzi will gerne 40 Milliarden Euro Staatsgeld in die Banken geben. Die EU-Kommission (und vor allem Deutschland) wollen das verhindern. Nie wieder soll wie in der Finanzkrise Steuergeld in Banken fließen. Nur: Jede Alternative ist für Renzi politischer Selbstmord.

Italien steht ein heißer Sommer bevor

3. Zu viele Kleinsparer hängen am Schicksal der Banken

Italiens Banken sind anders. Entgegen der Regularien, wonach nur institutionelle Anleger  Wandelanleihen von Banken kaufen sollten, engagierten sich in den vergangenen Jahren massiv Kleinsparer in dem Segment. Aus vielen Volks- und Regionalbanken ist der Kniff bekannt: Kredit bekam nur, wer gleichzeitig mit einem Teil des Geldes die Wandelobligationen kaufte oder Anteile. Für 200 Milliarden sind solche Obligationen verkauft worden, 31 Milliarden als nachrangige Anleihen. Den Großteil davon halten Privatanleger. Lässt man die Banken insolvent gehen, ist dieses Geld als erstes weg.

Hinzu kommt, dass nach Schätzungen aus Rom 30 Prozent der Anteile italienischer Banken im Besitz von Stiftungen sind, die damit das gesellschaftliche Leben vor Ort finanzieren. Kippt die Bank, kippt die Stiftung – leidet die Bevölkerung vor Ort. Das zeigt sich derzeit schon im Toskana-Städtchen Siena. Dort verlor die Fondazione Monte dei Paschi di Siena wegen der Krise der gleichnamigen Bank in den vergangenen fünf Jahren sechs Milliarden Euro. Statt jährlich 150 Millionen Euro schütten sie dieses Jahr noch 2,5 Millionen Euro für Projekte in der Stadt aus. Der Rest der Bürger geht leer aus – und ist wütend.

4. Renzi hat sein politisches Kapital überschätzt

Diese Wut aber kann Renzi sich politisch nicht leisten. Der Grund: Er hat seine eigene Überzeugungskraft überschätzt. Im Herbst stellt sich der Sozialdemokrat einem Referendum. Dabei geht es um eine der größten Baustellen Nachkriegs-Italiens: Renzi hat eine Reform des politischen Systems durch beide Kammern des Parlaments gebracht. Der Kern: Das Oberhaus, der Senat, soll von einer gleichberechtigten Kammer zu einer Art Regionalvertretung nach Vorbild des deutschen Bundesrats gestutzt werden. So sollen sich künftig die beiden Kammern bei Reformen nicht mehr gegenseitig behindern. Die Reform ist aber von einer Zustimmung bei besagtem Referendum abhängig. Für Renzi ist klar: Verliert er das Referendum, tritt er zurück. Dem Land drohte Chaos.

EU-Banken tief in der Krise

5. Mit dem Movimento 5Stelle ist eine auch für die bürgerliche Mitte akzeptable Alternative entstanden

Das Scheiter-Risiko ist auch deshalb real, weil es aus Sicht vieler Italiener längst eine Alternative zu Renzi gibt. Das Movimento 5Stelle des ehemaligen Komikers Beppe Grillo hat nicht nur zuletzt die Bürgermeister-Ämter in Rom und Turin gewonnen – es liegt auch in nationalen Umfragen fast gleich auf mit Renzi. Sollten nun noch einige Banken mangels Staatshilfe in die Insolvenz schlittern, dürfte sich der Zustrom zu den Grillini weiter verstärken – schließlich werben sie mit dem Austritt aus dem Euro.

Leider hatte auch der IWF bei der Vorstellung seines Länderberichts eher keine Hoffnungsschimmer für Renzi: 2017 erwartet der IWF, dass das Bruttoinlandsprodukt um etwa ein Prozent zulegt; bisher kalkulierte die Washingtoner Finanzinstitution mit 1,25 Prozent. Italien steht vor einem heißen Sommer.

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